Ureigenstes Namibia

Die namibische Randstufe ist vielleicht das augenscheinlichste geologische Merkmal des Landes. Man hat diese schroffe Stufe, an der die Küstenebenen der Namibwüste in das zentrale Hochland übergehen, als das felsige Rückgrat bezeichnet, das sich parallel zur Küste durch das ganze Land zieht. Bisweilen ist dieses zerklüftete Bergland inmitten des ariden Landes von solch schroffer Ungastlichkeit, das man Namibia auch als das Land bezeichnet hat, das Gott im Zorn schuf. Kai-Uwe Denker

Die vielleicht prominenteste einzelne Landmarke innerhalb der Randstufe ist der 2349m hohe Gamsberg. Von den Küstenebenen aus gesehen, scheint sich dieser Tafelberg in großmächtiger Ruhe und Erhabenheit über die unruhige Struktur der übrigen Bergketten zu erheben.

Als ich im Jahre 2023 auf der Suche nach einem neuen, geeigneten Jagdgebiet war, wandte ich mich schließlich an meinen Kollegen Diethelm Metzger und seine Frau Katja, da mir bekannt war, dass die Familie ein Gebiet am Gamsberg besaß. Mit ihnen konnte ich eine Zusammenarbeit für das private Ilala Naturschutzgebiet erreichen, das von Katjas Vater gegründet wurde.

Dort fand ich schließlich, wonach ich gesucht hatte: 18 000ha wildes, unverfälschtes Namibia.

Der südliche Randbereich von Ilala, in dem das malerische Gehöft mit Blick auf den Gamsberg liegt, ist noch Khomas Hochland Landschaft. Doch dort, wo der Chausib-Trockenfluss die letzten Ausläufer einer Khomas Hochland-Faltung durchschnitten hat, beginnt eine andere Welt. Erschreckend in ihrer abweisenden Schroffheit und befreiend in ihrer grandiosen Weite.

Das Gelände senkt sich nun aus den Khomas-Hochland Gebirgsfaltungen in einem Wirr-Warr von Karst-Höhenrücken zum Kuiseb. Ein Jagdgast hat dieses Gelände mit einem gigantischen Gehirn verglichen, in dessen Windungen sich ein riesiges Labyrinth befindet – nicht ganz unzutreffend. Wenn man so will, zerschneidet der Chausib dieses Gehirn in zwei Hälften.

Die essentiellen Dinge für ein Camp, Wasser, Schatten, sind nur tief unten in den Einschnitten, in dem Labyrinth der Gehirnwindungen zu finden, wo aber kein Blickfeld ist. Mein schlichtes Camp befindet sich unter einem ausladendem Kameldornbaum im Einschnitt des Chausib. Von hier kann man zu den jeweils beiden Gehirnhälften hinaufsteigen.

Im September 2024, einem extremen Trockenjahr, war mein Freund Thomas, ein Veteran vieler Jagden unter meinen Gästen, zu einer Jagd hier. Er lebt das Prinzip, wonach ein starkes Erlebnis wertvoller ist, als der Erfolg einer Jagd. Unter unseren gemeinsamen Jagden gab es überragende Erfolge, aber auch völlige Erfolglosigkeit. Diese Jagd nun sollte dem namibischen Wappentier, unserem charakteristischen, ureigenem Wild, dem Oryx gelten. Die Schwierigkeit bei Jagden mit erfahrenen Gästen, die eigentlich schon alles gejagt haben, liegt darin, dass sie die besondere Herausforderung suchen. In diesem Fall nun, in einem Gelände, das wahrlich schwierig genung ist, jagen mit einer schweren Großwildbüchse über die offene Visierung mit einem Dachkorn, das je nach Entfernung “etwas voller oder weniger voll genommen werden muss”. Nun, die Zeit würde es zeigen.

Im ersten Licht, Zebrawechseln im zick-zack über die Gesteinsrippen folgend, steigen Thomas und ich aus dem Schatten des Chausib-Flussbettes nach Westen hinauf zu den Karst- Wölbungen. Dort wo die Einsprengsel von weißem Kalkboden und Quartzkies in die lehmbraunen Felsrippen der Talwände beginnen, erreichen uns die ersten Sonnenstrahlen. Bald sind wir dann auf den gleißend weißen Wölbungen der Hochebene und lassen den Blick darübergleiten, wenden uns dann, einem Wildwechsel folgend, auf dem Höhenrücken nach rechts, immer wieder anhaltend und in neue Bodenwellen glasend.

Und plötzlich steht auf einer fernen Anhöhe ein einzelner Oryx. Abrupt anhaltend, sinken wir langsam zu Boden, kauern uns hin und blicken durch unsere Ferngläser. Inmitten der vielschichtigen, blassen Farbnuancen einer riesigen, ausgedörrten Landschaft, die nach Süden in der Ferne von den braunen Ausläufern der Khomas Hochlandfalten begrenzt wird, steht der Oryx, scheinbar ein Bulle mit kurzen dicken Stangen, sichernd auf einer leichten Anhöhe.

Ein kantiger, grau-weißer Wildkörper, mit einem schwarzer Flankenstreifen, schwarz auch die gegen die weißen Unterschenkel abgesetzten Oberschenkel, einer schwarz-weißen Gesichtsmaske und knuffigen Hornspießen, die spitzeckigen Lauscher in gespannter Aufmerksamkeit vorgerichtet, so steht er da. Aufällig schön gezeichnet und doch verschwimmen die Konturen in der grellen Wüstenlandschaft; der König der Trockenzonen in seiner ganzen, schlichten Großartigkeit. Und in einer Lücke im Südwesten steht im klaren Licht des Morgens erhaben und hellblau der Gamsberg.

Der Gemsbock zieht in die Mulde hinunter und ich verständige mich mit Thomas dahingehend, dass wir, obwohl es der erste Tag ist, nicht fackeln dürfen, denn unter den Gegebenheiten dieses Trockenjahres könnten sich nur wenige Gelegenheiten bieten. Als der Bulle verriegelt ist, erheben wir uns und versuchen heranzukommen. In der riesigen Stille erscheinen unsere Schritte auf dem Quarzkies störend und beängstigend laut. Als wir vorsichtig ūber die nächste Bodenwelle spähen, steht der Oryx dann auch schon halb-spitz auf uns zu in der Mulde und sichert herüber. Es ist noch zu weit und so starren wir uns reglos verharrend minutenlang an. Dann wendet der Bulle und zieht nach rechts davon. Wir versuchen ihm, durch eine Bodenwelle gedeckt, im Halbkreis vorzugreifen. Ein paar Namatrappen fliegen warnend auf und der Oryx ergreift nun endgültig die Flucht, verschwindet in eine tiefe Rinne und taucht am gegenüberliegendem Karstrücken wieder auf, gallopiert eine Weile quer im Hang entlang, geht in einen wunderschön eleganten Paradetrab über, die weißen Unterschenkel heben das ansonsten mit dem grauweißen Kalkboden verschwimmende Tier bei jeden Tritt stolz hervor, der schwarze Flankenstreifen geht in den rückwärts fließenden, buschigen Schweif über, dann galloppiert er von neuem los, erreicht den Horizont und als er dahinter verschwindet, wippen zuletzt die Hornspieße noch kurz im Rythmus der Schritte über den Grat, dann ist er weg.

Auf dem Rückweg, als wir in das Chausib-Tal absteigen, steht noch ein Klippspringer wie eine Statue auf der Spitze einer Felskuppe und sichert in eine schweigend erhabene, bisweilen erschreckend einsame Landschaft hinab.

Am Nachmittag stolpern wir über das Geröll und die Blöcke hinweg den Chausib flussabwärts, die heiße Nachmittagssonne auf unseren Gesichtern. Das Flussbett verengt sich bald immer mehr zum Canyon, mit auf beiden Seiten aufragenden Felswänden. Im Flussbett Spuren eines Leoparden und einer Hyäne. Erstaunlicherweise hat die kleine Quelle trotz des fast völligen Ausbleibens der Regenzeit immer noch Wasser, wenn auch sehr bitteres. Viele Spuren führen von Talabwärts zur Quelle, meist Hartmann Zebras, aber auch erfreulich viele Gemsbockspuren. Als von Westen ein von dem Karstplateau kommender Seitenarm in den Chausib mündet, verlassen wir das Flussbett und steigen auf einem Zebrawechsel über lose Gesteinsplatten steil nach links in den Hang. Uns kommen sechs Zebras entgegen. Im Gegenlicht der schon weit im Westen stehenden Sonne verschwimmen die Umrisse der genügsamen Tiere in der leblosen, nun schwärzlich wirkenden Landschaft völlig. Wir folgen einem Zebrawechsel auf dem Karstrücken nach Süden, zur Linken das wilde Felsgelände des Chausib Canyons, zur Rechten der Einschnitt des Seitenarmes, an dessen Einmündung wir dem Canyon entstiegen sind. Am jenseitigen oberen Rand dieses Einschnittes ziehen sich bizarr verwitterte Felsbastionen aus mit Sandstein und Geröll verbackenen Kalkstein wie eine etwas markantere Landmarke in diesem Wirrwarr von Einschnitten und Höhenrücken dahin. Wir stapfen mühsam wieder hinauf zum Karstplateau, verhalten auf der Höhe und blicken zurück über den wilden Irrgarten aus Wölbungen und Einschnitten der sich zum Kuiseb absenkt; über das zum fürchten einsame Land, bis hin zu bläulichen Bergketten in weiter Ferne. Diejenigen, die behaupten, Gott habe dieses Land im Zorn geschaffen, irren. Er hat es in liebevoller Weisheit für jene geschaffen, die das Einzigartige erkennen und sich über kleines Ungemach und aufkommende Verzagtheit hinwegsetzen können und die Freiheit seiner herben Großartigkeit auszukosten verstehen.

„Diejenigen, die behaupten, Gott habe dieses Land im Zorn geschaffen, irren. Er hat es in liebevoller Weisheit für jene geschaffen, die das Einzigartige erkennen und sich über kleines Ungemach und aufkommende Verzagtheit hinwegsetzen können und die Freiheit seiner herben Großartigkeit auszukosten verstehen.“

Die Landschaft erscheint völlig leblos. Kaum einmal dass irgendwo eine Vogelstimme zu hören ist. In den Rinnen stehen hier und da laublose Moringabäume mit ihren unförmigen, wasserspeichernden Stämmen und ebenso laublose, bizarre Commiphora glaucescens-Bäume, deren goldbraune Stämme sich unaufällig in die nun vom Abendlicht vergoldete, fahlbraune Landschaft einfügen. So gelangen wir, immer wieder anhaltend und das Gelände abglasend, langsam parallel zum Verlauf des Chausib zurück und steigen bei einbrechender Dämmerung über die Felsrippen hinab zum Camp.

So gehen die Tage dahin, im Überblicken einer ehrfurchtgebietend einsam-stillen Landschaft, morgens bei Sonnenaufgang dem quorrendem Duett der Namatrappen, in grandioser Fernsicht und dem Anblick gemächlich, -zeitlos-, auf ihren Wechseln über die Anhöhen ziehenden Bergzebras und hier und da einem Grüppchen von Springböcken. Dann wieder nur lebloser, windgepeitschter Wüstenebenen und vereinzelter Gemsbockspuren auf den Wildwechseln. Dies ist das Rezept der Überlebenskunst der Wüstentiere; ständig auf der Suche nach spärlichen Wasser- und Nahrungsressourcen von irgendwo nach nirgendwo zu ziehen.

An einem Morgen, wir sitzen auf den Klippen einer Anhöhe, blicken auf die Karstrücken hinab und versuchen die tief eingeschnittenen Wadis einzusehen, sehen wieder Bergzebras über die windgepeitschten Höhenrücken ziehen und ein Grüppchen Springböcke, glasen vergeblich nach einem Oryx; da löst sich ein alter Kudubulle aus den Felsrippen am Vorland des Berges auf dem wir sitzen und zieht auf eine kleine, in das gebrochene Gelände eingesprengte Quarzgeröllebene zu einem Nonibaum, verhält dort und äst minutenlang um das Bäumchen herum. Er legt das wunderbare, geschwungene Gehörn – die linke Hornspitze ist etwas abgebrochen – weit in den Rücken zurück, als er in das Bäumchen hinaufäst. Die weißen Lippen in seinem kohlschwarzem Gesicht mit der weißen Chevron-Markierung auf dem Nasenrücken pflücken hingebungsvoll jedes erreichbare Blättchen ab, dann wendet er und schreitet majestätisch über die Kiesfläche zurück in die Felsrippen, grau und wuchtig; der Kudubulle, das Pendant der scharfäugigen, unsteten Oryxantilope unter den beiden großartigen einheimischen Wildtieren des ariden Namibia, in ihrer Einzigartigkeit gleichzusetzen mit den übrigen drei großen Antilopen Afrikas, die anderswo zu finden sind; der Rappenantilope der Miombo Waldladzone, dem Riesenelen der nordwestlichen Savannen oder dem Bongo der düsteren Regenwälder.

Als sich unsere Jagd langsam dem Ende zuneigt, ohne dass wir in der unter der Dürre ächzenden Lanschaft einen Oryx finden können, entschließe ich mich, aus dem Chausib in die östliche, wenn man so will die rechte Gehirnhälfte von Ilala aufzusteigen. Das ist deshalb etwas aufwendiger, weil man auf dieser Seite zunächst einen sich hier parallel zum Chausib nach Nordwesten ersteckenden, mächtigen Ausläufer einer Khomas- Hochlandfaltung übersteigen muss. Deshalb nehmen wir den Jagdgehilfen Erastus mit, der zusätzliches Wasser trägt. Einem Zebrawechsel durch das Flussbett folgend, der zunächst über die Stufe eines Karstrückens in einen isolierten Talkessel mit Quartzgeröll führt und dann steil zu dem Sattel der Khomas-Hochlandfaltung hinaufführt. In dem Talkessel liegt neben dem Zebrawechsel im spärlichen Schatten eines dürren Bäumchens das vergilbte Gehörn und die Knochen eines ganz offensichtlich uralten Oryxbullen, der sich in der herben, stillen Abgeschiedenheit dieses Platzes zum Sterben hingelegt und sein zähes Nomadenleben ausgehaucht hat. Wir betrachten die Überreste eine Weile schweigend, dann steigen wir, noch im kühlen Schatten des Gegenhanges, dem Grat entgegen, in dessen Sattel sich die Zinnen und Zacken der Gesteinsrippen gegen das heiße Weiß des Lichtes der dahinter aufgehenden Sonne abheben. Inmitten all der schroffen Härte aus Fels und Stein aber auch die bizarre Silhouette eines Balsambaumes mit den sich immer mehr verfeinerndem, vielverzweigten, zarten Fligran der äußersten Ästchen.

Den Sattel schnaufend und verschwitzt erreichend, befinden wir uns nun im grellen Licht der Sonne eines gewiss heiß werdenden Tages. Wir setzen uns zwischen die Felsbrocken und beginnen, dass unter uns liegende Gelände abzuglasen. Bald entdecken wir ein paar Gemsböcke. Wir steigen hinab und beginnen uns nun an die langsam nach Norden ziehenden Tiere heranzuarbeiten. Schließlich stellt sich das Wild am Mittag am Ausläufer eines geröllübersähten Hanges auf einem flachen kleinen Plateau mit einem großen, schattenspendendem Nonibaum in der Mitte ein. Von verschiedenen Seiten kommen Gemsböcke nach hier gezogen und bald haben sich dort 15 der großen Antilopen versammelt, während wir mühsam im Krebsgang über das Geröll näherkommen. Am Rande ein alter Bulle der sich stets in der Nähe einer offensichtlich brunftigen Kuh aufhält. Als wir auf etwa 200m heran sind, wird das Risiko einach zu groß, dass eines der vielen Tiere uns bemerkt und wir entschließen uns, den Schuss zu wagen. Doch in dem Versuch, die für das schwere Geschoss etwas weite Entfernung mit Vollkorn auszujustieren, überschießt Thomas den alten Bullen. Uns bleibt nichts Anderes, als den in wilder Panik in einer Staubwolke davonstiebenden Antilopen nachzublicken.

Der nächste Morgen findet uns wieder auf dem Sattel. Wieder erblicken wir nach kurzem Abglasen Oryx in der Ebene unter uns und stellen erfreut fest, dass es sich abermals um den alten Bullen mit der brunftigen Kuh handelt. Der Bulle treibt die Kuh über einen Höhenrücken in einen tiefen Einschnitt. Hier arbeiten wir uns nun vorsichtig heran und stellen schließlich fest, dass sich die beiden Tiere in einem idyllischen kleinen Tal niedergetan haben. Wir schieben uns bis an die Kante vor und sind nun auf gute Schussentfernung heran. Der Bulle braucht sich nur zu erheben, dann sollte uns der Erfolg sicher sein. Doch auf einmal erblickt uns die aufmerksam in alle Richtungen sichernde Kuh. Sie erhebt sich, blickt kurz zu uns hoch und flüchtet. Der Bulle springt auf und galoppiert ihr nach, ohne auch nur eine Sekunde zu verharren. Zwar verhoffen die Tiere noch einmal, doch nun ist es wieder über 200m weit und der hastige Schuss geht am Ziel vorbei. Wir Alle kennen die abgrundtiefe Enttäuschung solcher Momente. Thomas stößt ein paar Flüche aus und verkündet: “Schluss jetzt!”

Doch so schnell schmeißt man die Flinte nicht ins Korn und als der erste Zorn sich gelegt hat, gehen wir in einem großen Bogen in die Richtung des Kuiseb. Schließlich setzen wir uns auf einen Höhenrücken und glasen das Gelände ab. Gerade sehen wir noch drei Oryx, die offenbar unseren Wind bekommen haben, weit im Süden über eine Wölbung flüchten. Es ist nun heißer Mittag und da macht es wenig Sinn, den Tieren nachzugehen. Zunächst einmal versuchen wir etwas Schatten zu finden und das ist nicht einfach. Schließlich legen wir uns langgestreckt hart gegen einen kleinen Gesteinskamm, der dürftigsten Schutz vor der im Zenit stehenden Wüstensonne bietet, trinken ausgiebig und kauen etwas Biltong.

Als es am Nachmittag kühler wird, erheben wir uns von diesem harten Lager, klopfen den Staub aus der Kleidung und gehen schließlich in die Richtung, in der wir die drei Oryx haben verschwinden sehen. Vorsichtig auf der Wölbung entlangpirschend, entdecken wir plötzlich die in einer Niederung liegenden Oryx, sinken zu Boden und ziehen uns hinter die Wölbung zurück. Dann umschlagen wir den Platz und nähern uns aus der Deckung einer felsigen Erhebung, hinter der das Wild wiederkäuend ruht. So kommen wir auf gute Schussentfernung heran. Inzwischen haben sich die Tiere erhoben und beginnen zu äsen, darunter ein Bulle.

Zwar ist es nicht der Alte, der uns zweimal entkommen ist, aber wir können nicht mehr wählerisch sein. Als Thomas in den Anschlag geht, sehe ich seinen blassen, gespannten Gesichtszügen an, dass nun eine große Last auf ihm ruht.

Doch der Oryxbulle quittiert die schwere Kugel, indem er vorne zusammenbricht, sich zwar noch einmal aufrafft, aber nach kurzer Fluchtstecke endgültig zusammenbricht. Ich nicke Thomas zu – vieler Worte braucht es zwischen uns nicht -, dann kommt auch Erastus nach, der zunächst zurückgeblieben war, und in großer Erleichterung gehen wir hinunter. Es ist inzwischen zu spät, das Wild heute noch zu bergen. Thomas und Erastus werden am Stück übernachten müssen, um das Fleisch vor Hyänen zu schützen, die am Kuiseb zahlreich sind und mit dem Zerwirken beginnen. Wasser ist noch ausreichend da und sie können die Leber des Bullen auf der Glut zubereiten. Ich gebe kurze Anweisungen, dann schaue ich mich kurz in der Umgebung nach einer Stelle um, die ich morgen mit dem Wagen erreichen kann, um das Fleisch zu holen. Als ich zurückkomme, hockt Thomas hinter dem Oryxbullen und hält die Läufe, während Erastus am Aufbrechen ist. Ich habe das Gefühl, dass Thomas sich noch immer in einem Tumult der Gefühle befindet; aus riesengroßer, demütiger Erleichterung und dem gleichzeitigen Bewusstsein einer schlussendlich großen Jagd, gebe ihm einen kleinen Klaps auf den Schlapphut unter dem er zu kauern scheint und einen größeren Klaps auf den Rücken, dann mache ich mich auf den Rückweg ins Camp.

Ich genieße es, nach solchen Tagen ganz allein zu sein. Die Sonne steht nun weit im Westen und verzaubert das karge Land mit warmen Farben. Lehmbraun die Khomas-Hochland Faltungen, ein mildes gelblich-weiß die Karstflächen und in klarem Hellblau die fernen Berzüge jenseits des Kuiseb. Ich erreiche den Bergzug, quäle mich noch einmal zum Sattel hoch, – dort weht mir ein kühler Westwind in das verschwitzte Gesicht -, und lasse den Blick weit hinausschweifen, bis die Konturen von fernem Küstennebel verwischt werden, der über die Namib hereinzieht. Dann stapfe ich bei einbrechender Dämmerung mit müden Knochen auf dem Zebrawechsel hinunter ins Camp. Was wäre diese wilde, unwegsame Landschaft doch ohne seine Zebrawechsel…

Dieser Artikel wurde erstmals in der 2025 Deutsch-Ausgabe von HUNTiNAMIBIA veröffentlicht.

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