Mit einem alten Hasen auf der Jagd

Der Springbock stand uns zugewandt in einer Entfernung von etwas mehr als 200 Metern. Seine beeindruckenden Hörner zeichneten sich deutlich vor dem Hintergrund von gelbem Gras und Granitfelsen ab. Mein Sohn Chris hielt das 30-06 Ruger Hawkeye Gewehr stabil auf den Stöcken, und Robin verlieh mit seiner linken Schulter zusätzlichen Halt. Sein abgewetzter Schlapphut schützte seine Augen vor den schräg einfallenden Sonnenstrahlen. Es war kurz nach 10.00 Uhr. Seit dem frühen Morgen hatten wir verschiedene Gruppen von Springböcken verfolgt. Die Jagdmethode bestand darin, zu einem vielversprechenden Gebiet auf Robins fast 30,000 Hektar großer Jagdfarm zu fahren, auf einen Aussichtspunkt zu steigen, von dem wir nach Springböcken Ausschau halten konnten, und uns dann durch einen der Trockenflussläufe in dem zerklüfteten Gelände anzupirschen. Unsere Gruppe bestand aus vier Personen: Robin Hurt, mein Sohn, Robins Fährtenleser Gabriel, und ich. Die Tiere waren recht zutraulich, denn Robin ließ pro Saison immer nur eine Mindestanzahl von Jägern zu und erlaubte niemandem, vom Fahrzeug aus zu schießen.

Als er einen geeigneten Bock ausgemacht hatte, übernahm Robin beim langsamen Heranpirschen die Führung. Manchmal ging er geduckt, oft aber auch für den Springbock unübersehbar in einem weiten, sich allmählich schließenden Halbkreis, während der Springbock aus der Entfernung zu uns herüberäugte, ohne jedoch zu fliehen. Mir wurde klar, dass Robin genau wusste, was er tat, und dass ihm seine Gewohnheiten durch jahrelange Jagderfahrung in Fleisch und Blut übergegangen waren. Als Ersatzgewehr trug er eine moderne Winchester .300 Short Magnum bei sich, aber seine Schießstöcke waren eine Klasse für sich – kein neumodischer, raffiniert klappbarer Kram, sondern Stöcke aus dem einheimischen Schneeballstrauch, der im nahe gelegenen Flusslauf des Gaub weit verbreitet ist. „Einem alten Hund bringt man keine neuen Tricks mehr bei“, sagte Robin, als er mich angesichts dieses Aufbaus lächeln sah.

Ich bin ein altgedienter Jäger, der in seinen siebzig Lebensjahren viele Tiere gejagt hat, darunter auch einige gute Exemplare der Big Five. Alle diese Jagden habe ich selbst arrangiert, oft mit Hilfe eines einheimischen Fährtenlesers, dem ich vertrauen und auf dessen Instinkte und dessen Wissen über den Busch und das Verhalten der Tiere ich mich verlassen konnte. Ich hatte nie den Wunsch, unter der formellen Anleitung eines Berufsjägers zu jagen. Wahrscheinlich liegt das an meiner individuellen Persönlichkeit und der Betonung meiner persönlichen Freiheit, Entscheidungen so zu treffen, wie ich es bevorzuge, und mir nicht sagen lassen zu müssen, was ich tun soll, es sei denn, ich bitte ausdrücklich um Rat. In dieser Hinsicht bestand der größte Nachteil darin, dass der Fährtenleser/Jagdbegleiter üblicherweise ein starkes Verlangen nach frischem Fleisch hatte und mich zum Schießen drängte, ungeachtet der Konsequenzen. Deshalb habe ich auf der Jagd viele Fehler gemacht, die verwundete Tiere und stundenlanges mühsames Nachsuchen zur Folge hatten. Dies hätte vermieden werden müssen.

Ich bin ein begeisterter Leser von Geschichten, insbesondere von Jagd- und Abenteuergeschichten. Die bekannte Hemingway-Erzählung Das kurze glückliche Leben des Francis Macomber gehörte schon immer zu meinen Lieblingslektüren. Darin wird ersichtlich, dass die Beziehung zwischen dem Berufsjäger und seinen Jagdgast oft sehr komplex ist. Seit der Verbreitung von qualitativ hochwertigen Jagdvideos im Internet schaue ich mir auch diese Videos mit Hingabe an. Berufsjäger wie Jeff Rann, Ivan Carter und andere sind zu einem Markenzeichen für die Durchführung einer erfolgreichen Jagd geworden. Allerdings muss man dabei wohl bedenken, dass dem Publikum nur die erfolgreichen Erlebnisse präsentiert werden.

Vor einigen Jahren habe ich auch den Kinofilm In the Blood in voller Länge gesehen. Er handelt vom Heranwachsen eines Jungen und seinem ersten Blut in den Jagdgründen Afrikas. Robin Hurt, der Berufsjäger auf dieser Expedition, spielt eine herausragende Rolle als der Begleiter und Mentor dieses Jungen. Die Erzählungen und Videoclips weckten in mir den Wunsch, mir in der Praxis ein Bild von einer solchen „geführten“ Jagd machen zu wollen, und selbst daran teil zu nehmen.

Manche mögen es Zufall nennen, aber ich nenne es Glück, dass Robin Hurt und ich vor rund fünfzehn Jahren Farm-Nachbarn im Khomas-Hochland in Namibia wurden. Robin hat in seiner jahrzehntelangen Jagdkarriere in Kenia, Tansania, Uganda, im Sudan und anderswo in Afrika erfolgreich Jagdgäste auf Hunderten von Trophäenjagden auf Elefanten, Büffel, Löwen, Leoparden und anderes Wild geführt. Wegen seines Engagements und seiner Professionalität ist er schon zu Lebzeiten zur Legende geworden und gilt als der Jäger des Jägers. Jagdorganisationen wie Safari Club International betrachten Robin zu Recht als einen der besten zeitgenössischen Berufsjäger in Afrika.

Robin und ich haben im Laufe der Jahre eine solide nachbarschaftliche Beziehung aufgebaut. Oft kümmerten wir uns gemeinsam um die alltägliche Verwaltung unseres jeweiligen Landes und um Herausforderungen wie Buschfeuer, Wilderei, verirrte Tiere, kaputte Zäune und dergleichen mehr. Robin geht auf die Achtzig zu, aber er ist immer noch erstaunlich fit für sein Alter, und die Jagd ist weiterhin sehr lebendig in ihm. Allerdings räumt er selbst ein, dass die Jagd auf gefährliches Wild in den oftmals politisch zerrütteten Ländern weiter oben in Afrika ein zu großes Risiko und eine Belastung für Körper und Seele geworden ist. Deshalb hat er sich die Jagdfarm Groot Gamsberg in Namibia gekauft, um sich dort „zur Ruhe zu setzen“ und seine langjährigen Jagdgäste, die nun ebenfalls älter, langsamer und vorsichtiger geworden sind, zur Jagd auf Steppenwild einzuladen.

Mein Sohn Chris arbeitet jetzt in Australien. Er hat eine viel zuvorkommendere Art als ich und ist eher bereit, Anweisungen zu anzunehmen und zu befolgen. Als er und seine Familie für ein paar Wochen zu einem Besuch bei uns nach Namibia kamen, fand ich, dies sei ein idealer Zeitpunkt, um die Möglichkeit einer von einem Berufsjäger geführten Jagd zu testen – einer Jagd, an der ich als objektiver Beobachter teilnehmen konnte. Als ich Robin fragte, ob er uns führen würde, war er dank unserer Freundschaft und Nachbarschaft sofort dazu bereit. Die Jagd würde auf einen guten Springbock aus seiner Herde von insgesamt fast 600 Springböcken stattfinden.

Das Gelände bestand zumeist aus hügeligen mit Quartz übersäten Ebenen, die nicht stark mit Büschen bewachsen waren. Dazwischen lagen Granit-Aufschlüsse, und Trockenflussläufe schlängelten sich über die Konturen hinunter. Der Gamsberg, mit mehr als 2,300 Metern einer der höchsten Berge in Namibia, war eine bläulich schimmernde massive Erscheinung am nahen Horizont. Von Anfang an war klar, dass diese Jagd anders sein würde, als ich es gewohnt war. Die Entscheidungsfindung lag in den Händen eines anderen. Das war eine befreiende Erfahrung für mich, die ich bisher noch nicht gemacht hatte. Zum ersten Mal in meiner Jagdkarriere spürte ich nicht den Druck, Entscheidungen treffen zu müssen. Alle Entscheidungen, bis hin zur finalen Schuss- Freigabe, lagen nun beim Berufsjäger. Robin kannte sein Jagdgebiet, er kannte seine Tiere, er hatte Vertrauen in seine Fähigkeiten. In aller Ruhe begutachtete er das unter uns liegende Land und die Tiere durch sein Fernglas, bevor wir uns auf den Weg machten. Seine gleichmütige Zuversicht färbte auf uns ab. Ich hatte keine der hochgradigen Adrenalinschübe wie früher und es gab keine fieberhaften Bewegungen, wie ich sie bei einer selbstgeführten Jagd erlebt hatte. Ich denke, dass sich diese Ruhe auch auf die Tiere auswirkte, an die wir uns heranpirschten. Sie zogen nur ein Stückchen weiter und begannen wieder zu äsen. Auf diese Weise konnten wir uns bis auf Schussentfernung nähern, bevor wir die Stöcke aufstellten.

Der eigentliche Schuss war fast ein Antiklimax. Mit dem Kopf nach unten taumelte der Bock noch einige Meter, bevor er verendete. Robin beglückwünschte meinen Sohn mit einem Schulterklopfen. „Guter Schuss!“, sagte er. Mehr war nicht nötig. Wieder einmal wurde mir klar, dass das Wesentliche in der Jagd im Ganzen lag, nicht nur in der letztendlichen Beute.

Die Trophäe war von außergewöhnlicher Qualität – dicke, symmetrische Hörner, die sich an den Spitzen nach hinten biegen und fast fünfzehn Zoll pro Seite messen. Ich hatte an meiner Verandawand bereits einen besonderen Platz vorbereitet. Die Trophäe würde auf ein einheimisches Stück Holz montiert werden und ein Sinnbild für das glückliche Trio aus Vater, Sohn und Berufsjäger sein.

Dieser Artikel wurde erstmals in der 2025 Deutsch-Ausgabe von HUNTiNAMIBIA veröffentlicht.

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