Ich liebe die Kudujagd. Ich schätze das Ritual der Jagd. Es verbindet Jäger und Gejagte mit dem Land, das die Mutter von Mensch und Tier ist.
Und so kommt es nicht oft vor, dass ich mich in einer Situation befinde, in der ich schon den ersten Schritt in Richtung einer solchen Vorahnung hasse. Wir befinden uns oft in einer ungewissen Lage, und nun war ich an der Reihe. Ich wusste und glaubte von Anfang an, dass dies eine Jagd war, die nicht nach meiner Vorstellung war.
Wir hatten ein Filmteam aus Schweden bei uns – mit einer Liste von Tieren, die sie für eine Serie in Europa filmen wollten. Natürlich war eines dieser Tiere der Große Kudu, und ich ahnte und äußerte mehr als einmal, dass wir gut und gerne zehn Tage für eine wahre Darstellung einer Kudujagd brauchen würden. Alle nickten in großer Übereinstimmung und waren sich einig, dass wir angesichts der Tatsache, dass sie nur vier Tage zur Verfügung hatten, jede sich bietende Gelegenheit nutzen und hoffen und beten wollten, dass wir auf eines dieser prächtigen Tiere stoßen würden – und dass nicht vergessen werden würde, die Aufnahmetaste zu drücken.
Also machten wir uns auf den Weg, mein Gemüt entspannte sich und war bereitwillig und begierig danach, sich in das schöne Unbekannte zu begeben. Bereit, Namibia in seiner reichsten Form darzubieten, ohne Druck und ohne Voreingenommenheit. Ich war glücklich.
Zwei Tage lang jagten wir hart, dann mussten wir einen Revierwechsel vornehmen. Wir waren erfolgreich und erbeuteten mehr, als wir erwartet hatten. Doch als die Zeit zum Aufbruch näher rückte, entging mir das Raunen nicht: ein Gefühl von Unruhe und Ungeduld, das über meine Schultern gekrochen kam und einfach nicht nachließ – wie eine Hakendornakazie, die mich festhielt, mich zurückhielt und mich zum Bluten brachte.
Mit diesem Gefühl der Enttäuschung, das mir in den Ohren brannte, stiegen wir in die bereitstehenden Fahrzeuge und machten uns auf den Weg zu unserem nächsten Ziel: einem anderen Lebensraum, einem anderen Teil von Namibia, einer anderen Jagd. Ich vertraute darauf, dass der Wind in unseren Haaren, die Musik im Radio und die vorbeiziehenden Kilometer einige Wunden heilen würden, aber stattdessen bekräftigte alles nur den Wunsch zurückzukehren. Wir stiegen in der herrlichen Kalahari aus, wo es Savannengrasland und Hirtenbäume im Überfluss gibt. Aber das war nicht genug für sie. Der Geist verfolgte sie und der Geist hungerte nach ihnen.
Nach dem Abendessen wurde das Argument schließlich vorgebracht: „Wir wollen einen Kudu, wir brauchen einen Kudu für diese Jagd“. Und genau hier, in diesem Moment der zwecklosen Grundverschiedenheit, entwickelte ich einen Hass, den ich hoffentlich nie wieder in mir entdecken werde. Mein Gesicht verriet wie immer jede Emotion in ihrer höchsten Ausprägung, und ich entfernte mich einfach, wohl wissend, dass weder mein Gesichtsausdruck noch der Anblick meines Rückens jemals die Haltung dieser selbstgerechten, anspruchsvollen, fordernden und unwürdigen Meute ändern würde.
Am nächsten Morgen machten wir uns also auf den Weg zurück ins Kudu-Gelände. Die Crew war heiter, die Berufsjägerin verdrossen.
In der langsam aufkommenden schüchternen Morgendämmerung fingen die Bergkämme an, sanft und weich zu glänzen. Es war eine willkommene Abwechslung in den zwei Stunden schweigsamer, unterkühlter Fahrt. Meine Fährtenleser auf der Ladefläche verhielten sich nicht anders, sei es wegen der morgendlichen Kälte oder weil das Lachen aus meinem Herzen fehlte. Mehr als jeder andere wussten sie, dass die frostige Stimmung anhalten würde, egal wie der Tag ausging.
Wir hielten am Fuße eines kleinen Berges, und während sich der Jäger langsam mit Fernglas, Gewehrkontrolle und Munition sammelte, prüfte ich immer wieder den Wind und wünschte, ich könnte ihn dazu bewegen, wild und spielerisch zu tanzen und sich ständig zu drehen wie bei einem schweren Gewitter. Doch vergeblich… der Frost unter meinen Stiefeln war spröde, der Berg sprach von Schutz und Einsamkeit, und ich konnte die Vorfreude auf den Geist fast riechen.
Schritt für schicksalhaften Schritt stiegen wir höher und höher, Stunde um Stunde, geduckt an Farbkätzchenstrauch und Hakendorn vorbei. Als die Sonne auf uns niederzubrennen begann, waren die Schritte hinter mir hart, und als ich hin und wieder ein Schimpfwort hörte, weil Hemden und Hosen von den Dornen zerrissen wurden, spürte ich, dass die Rache nahe war. Ich wollte sie bis ans Ende dieser Welt führen. Ich wollte, dass sie zehn lange, harte Tage erleben und den Atem und Schweiß spüren sollten. So, wie es eigentlich sein musste. Irgendwann bot mein Fährtenleser Wasser an, aber in dem Moment, als der Jäger die Atempause erkannte, drehte ich mich um, pfiff und deutete unmissverständlich an, dass wir keine Zeit für eine Pause hatten. Vorwärts, vorwärts, kein Halten! Ich ging bis ans Ende der Welt, wollte, dass die Sonne unterging, dass der Kudu weiterzog, überlebte, fitter und unerschütterlicher wäre…und frei.
„Mach einen Plan.“ Das ging mir plötzlich immer wieder durch den Kopf, so wie ich es oft von meinen Eltern gehört hatte. „Und wenn er nicht funktioniert, mach einen anderen, und wenn der nicht funktioniert, bist du vermutlich selbst das Problem.“