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Photo ©Ernst Scholz

DER KUDU

Das grosse Jagdglück

Unter denjenigen, die heutzutage in Afrika auf die Jagd gehen, dürfte der Kudu die vielleicht begehrteste Wildart sein – ganz gleich, ob es der erste oder der zehnte Besuch ist. Die Anmut und Schönheit dieses majestätischen Wildes zieht den Jäger magisch an. Und dann natürlich auch die Tatsache, dass es eine Herausforderung ist, einem Kudu zu Fuß nachzustellen, denn er ist scheu und schwer zu finden. Das Verbreitungsgebiet des Großen Kudu erstreckt sich von Äthiopien im fernen Norden bis an die Südspitze des Kontinents. An einen Kudu heranzukommen ist eine beachtliche Leistung. Kein Wunder also, dass Jäger, die zum ersten Mal nach Namibia kommen, diese Herausforderung suchen und trotz allem, was sie über die Kudujagd gehört haben, auf Erfolg hoffen.
Ein solcher Jäger lief Dirk de Bod über den Weg.

E s ist noch gar nicht lange her, als eines Abends das Telefon klingelte. Der Anrufer  sprach das gepflegteste Englisch. Ohne innezuhalten zählte er seine Erlebnisse in Afrika auf, darunter mehrere Kudujagden in verschiedenen Teilen des Kontinents. Drei Jagdexpeditionen in der Zentralafrikanischen Republik – insgesamt 63 Tage zu Fuß unterwegs, um das Lord Derby Eland in der Savanne aufzuspüren. Er sah Bongos in den Waldgebieten, einige Kudus der westafrikanischen Art, aber wie üblich waren sie nicht stark genug oder es ergab sich keine Gelegenheit, zum Schuss zu kommen. Danach jagte er in Kamerun, Benin und Simbabwe. Im Laufe seines Monologs betonte er mehrfach, dass er sich völlig darüber im Klaren sei, wie mühsam und oftmals enttäuschend eine Kudujagd sein kann. Die weiten Strecken, die man zu Fuß durch die Savanne und das Buschveld zurücklegen muss, meistens ohne Erfolg. Während er weiter über seine Streifzüge durch Afrika ausschweifte, dachte ich bei mir: “Das hört sich sehr nach einem Mann an, der eine erfolgreiche Kudujagd braucht.”

“Ach übrigens, ich heiße Jeremy Boyd, ich bin Wildhüter auf einem großen englischen Landgut. Und da ich Sie nun schon mal am Telefon habe – wann sind die Aussichten am besten, einen Kudu von mehr als 60 Zoll zu erlegen?”

“Im Mai”, antwortete ich. “Nächstes Jahr habe ich einen Termin frei, ab dem 17. bis zum Monatsende. Ich kann keine 60 Zoll versprechen, aber der Mai ist eine sehr günstige Jahreszeit. Wir werden auf jeden Fall viele kapitale Bullen sehen. Also müssen wir uns nur anstrengen und zusehen, ob wir einen finden, der Ihnen gefällt.”
Das ist nicht gelogen. Kapitale Bullen sieht man am ehesten während der Brunstzeit, üblicherweise von April bis Mitte Juni, wenn sie sich bei den Kühen aufhalten. Dann sind sie viel argloser und deshalb leichter zu finden. Ansonsten sind die Bullen entweder Einzelgänger oder sie leben in Gruppen zusammen, die sogar aus bis zu 16 Mitgliedern bestehen können. Ich habe eine derart große Gruppe mit eigenen Augen gesehen. Wenn sie sich nicht bei der Herde aufhalten, äsen sie im dichten Busch, manchmal hoch oben in den Bergen, und ziehen nur weiter, wenn es sein muss. Bei Vollmond äsen sie selbst  nachts und rühren sich während des Tages nicht vom Fleck. Wenn sie dich bemerken und im dichten Busch “erstarren”, wirst du sie nicht sehen können. Ihre graubraune Decke ist eine derart perfekte Tarnung, dass es fast unmöglich ist, einen Kudu zu erkennen, der regungslos dasteht.

Der 17. Mai war gekommen, und ich befand mich am Flughafen und wartete auf die Maschine aus London. Ich überlegte, wer von uns beiden den anderen zuerst würde identifizieren können. Als er aus der Zollabfertigung kam wusste ich gleich, dass er es war. Glatter Haarschnitt, wie bei der Armee. Ein englischer Gentleman. Er brachte seinen Freund Chris Squance mit. Wir gaben uns die Hand, stellten einander formell vor, und dann konnte es losgehen.

“Wie weit?” fragte er. “Wir fahren 60 Kilometer nach Süden, Richtung Dordabis-Berge, auf eine Farm namens Bergsig. Das ist Afrikaans und bedeutet Bergsicht. Die Gegend ist für kapitale Kudus bekannt. Den größten Teil des Jahres verstecken sie sich dort gerne in den Bergen”, erläuterte ich.
Nach dem Mittagessen beschlossen wir, die Gewehre einzuschießen.

Am Schießplatz ließ ich sie die 300 Winchester Magnums mit 180 grs Barnes X Bullets justieren, ein Inch hoch auf 100 Yard, denn meistens wird auf eine Entfernung von 150 bis 200 Yard geschossen, und ich wusste, dass bei dieser Einstellung der Schuss ins Schwarze so gut wie sicher war.

Assistent PH, Hannes und Chris wollten ins Gelände, und wir entschieden uns, auf der Spur weiterzufahren, die in die Berge führte. Nach 15 Minuten holpriger Fahrt deutete Sakkie, der Fährtenleser, auf ein Dickicht, das sich am unteren Drittel des Berghangs befand. “Kudus”, sagte er, “allerdings sieht es so aus, als ob es lauter Kühe sind.”

Wir schnappten uns die Gewehre und Zielstöcke und machten uns auf den Weg. Die Hakendornbüsche nutzten wir als Deckung. Wir mussten näher herankommen, um besser sehen zu können. Man weiß nie, ob sich ein kapitaler Bulle zwischen den Kühen aufhält und sich auf seine bewährte Weise “unsichtbar” macht, oder ob er seine Deckung bis zum letzten Moment nutzt.

Die Kühe brachen eine nach der anderen aus der Deckung hervor und blickten nervös um sich, während sie hastig immer höher den Berg hinaufstiegen. Zum Glück hatten wir immer noch gute Deckung. Ich stellte die Zielstöcke für mein Fernglas auf, um die Kühe zu beobachten und mich einfach nur an dem Bild zu erfreuen.

Im nächsten Moment steht er da. Wie aus dem Nichts, in seiner ganzen Pracht.

Das Herz schlägt mir bis zum Hals. Mir fehlen die Worte. Dieser Kudu ist der beste, den ich je gesehen habe. Riesige tiefe Windungen, die gar nicht aufhören wollen, massive Basis. Ich bin voll freudiger Erregung. Überwältigt.

“Darf ich ihn abschießen?” fragt Jeremy höflich.

Endlich finde ich die Sprache wieder. “Ja, das ist er!”

Jeremy geht in den Anschlag. Mit Verzögerung hören wir den dumpfen Kugelschlag, denn der Kudu ist mindestens 250 Yard entfernt. Er geht weiter bergaufwärts.
“Nachladen und nochmal schießen. Hoch anhalten!”

Auch dieser Schuss sitzt, doch am Gang des Kudus ändert sich nichts. Noch eine Kugel findet ihr Ziel, der Bulle drängt immer noch vorwärts. Aber diesmal nur ein Stückchen. Er verhofft, und bricht zusammen.

Keuchend und immer noch zitternd eilten wir den Berg hinauf. Nach 25 Minuten Kletterei erreichten wir schließlich die Stelle. Ich traute meinen Augen kaum. Was für ein herrliches Tier. Noch kapitaler als ich vermutet hatte.

“Sieht mir ziemlich gut aus”, sagte Jeremy.

“Du ahnst gar nicht, wie gut”, erwiderte ich.
Wolken standen am Himmel, als wir ihn im späten Nachmittagslicht für das Foto in Pose brachten.

Was für ein Bild.

Während das Tageslicht hinter den Wolken verblasste, trafen die Fährtenleser mit allen Werkzeugen ein, die nötig waren, um den Kudu zu häuten und den Berg hinunter zu transportieren. Derweil die Fährtenleser am Abhäuten waren, kramte ich mein bewährtes altes SCI-Maßband aus dem Rucksack. Die Stunde der Wahrheit war gekommen. Ich wusste, dass die Trophäe mehr als 60 Zoll messen würde, aber wieviel mehr?

Jeremy half mir beim Vermessen. Sorgfältig folgten wir dem Riff an der Außenseite der Spirale. Wir schauten uns an, als wir bei 60 Zoll angelangt waren, denn es war noch nicht das Ende des Horns.

Wir markierten die 60-Zoll-Stelle, und Jeremy stieß einen Schrei aus. Das gesamte Horn kam auf 66 ½ Zoll!

Die Trophäe von Jeremy Boyd belegt immer noch Platz 3 der NAPHA Top 10 aller Zeiten.

Die Belohnung, die eine Kudu-Jagd in Namibia mit sich bringt, ist das, was jedes Jägerherz begehrt: Afrikas führende Trophäe, deren harmonische Schönheit einen dramatischen Kontrast zu der trockenen, kargen und dornigen Umgebung bildet.

Der Große Kudu gehört vermutlich zum begehrtesten Trophäenwild in Afrika. Und ganz ohne Zweifel ist es die schönste Antilope der Welt. Ein scheues Tier, das schwer zu finden ist. Ernest Hemingway nannte den Kudu deshalb den „grauen Geist”.

Das Verbreitungsgebiet des Großen Kudus reicht von Äthiopien über den Sudan und Tschad durch ganz Ostafrika bis in die südlichsten Teile des Kontinents.

Namibia ist das Land, in dem der Kudu immer anzutreffen ist. Tatsächlich sind Kudus sogar derart reichlich in Namibia vorhanden, dass manche Jäger finden, sie seien „zu einfach“ zu erlegen. Natürlich hängt es immer davon ab, wie man seine Jagd veranstaltet, aber eines ist sicher: Namibia ist das Land des Großen Kudus. Sie kommen so gut wie überall vor und wandern entlang der Trockenflussläufe sogar in die Namib. Typischerweise halten sie sich in weniger offener Landschaft auf. Sie bevorzugen Dornbuschdickicht und felsige Anhöhen oder auch bergiges Terrain. Ideales Kudu-Gelände ist in der Umgebung von Windhoek zu finden, und von dort weiter nach Osten, Nordosten und Nordwesten.

Da die Landschaft in weiten Teilen des Landes hügelig ist, empfiehlt es sich, von einer Anhöhe aus per Fernglas nach Kudus Ausschau zu halten. Dazu braucht man viel Geduld, denn es kann Stunden dauern, bevor man ein altes Trophäentier erspäht. Sodann pirscht man sich nach allen Regeln der Weidmannskunst an, um die scheue Antilope mit dem Spiralgehörn zu erbeuten. Wo das Gelände flacher ist, kann man sich langsam durch den dichten Busch pirschen – in der Hoffnung, auf einen guten Bullen zu treffen. Oder man benutzt das Safarifahrzeug, um Kudus zu sichten, und setzt die Jagd dann zu Fuß fort.

DER GROßE KUDU

Tragelaphus strepsiceros


 

Schulterhöhe: 8140 cm – 160 cm
Gewicht:  nnlich: 300 kg – 400 kg | Weiblich: 120 kg – 210 kg
Nahrung:  Fast ausschließlich Laubäser, Früchte und Beeren
Brunstzeit:  Mai – Juli
Lebenswartung:  12 – 16 Jahre
Tragzeit:  Neun monate, 1 Kalb

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