Eine Kuhantilope des Herzens

Es war ein bitterkalter Morgen mit -6 Grad, als ich bei Jamy Traut Hunting Safaris eintraf. Dort würde ich das Wochenende mit meinem Bruder und seinem 9-jährigen Sohn verbringen. Nach einem frisch aufgebrühten Kaffee und einem kurzen Gespräch über den Tagesablauf wurde es Zeit, in den Busch aufzubrechen. Carel van Rooyen

Ich wollte schon seit längerer Zeit auf Kuhantilopenjagd gehen, aber nie hatte sich die Gelegenheit dazu ergeben. Obendrein hatte Namibia 2019/2020 mit einer schweren Dürre zu kämpfen. Die Kuhantilope ist eine eher empfindliche Antilope, die gute Niederschläge und Grasland benötigt. Infolge der Dürre sind die Kuhantilopen in vielen Gegenden leider eingegangen. Als ich mich bei verschiedenen Stellen erkundigte, wo ich diese Tierart jagen könnte, lautete die Antwort fast durchweg, dass ich derzeit nirgends fündig werden würde. Man kann sich meine Erleichterung vorstellen, als ich erfuhr, dass ich diese Jagd bei Jamy machen konnte.

Der Kälte trotzend machten wir uns mit dem Bakkie auf den Weg zu einem Bereich der Farm, wo die Kuhantilopen vermutet wurden. Unter einem Kameldornbaum hielten wir an, schnappten unsere Ausrüstung und nun ging es zu Fuß endlos weiter. Wir liefen über die Dünen, hinunter in die Straßen – die weiten Täler zwischen den Dünenkämmen – und hielten nach Anzeichen von Kuhantilopen Ausschau. Wir sichteten jede Menge Springböcke und Streifengnus, und wir konnten nur hoffen, dass wir sie nicht aufschrecken und die Chance auf Kuhantilopen verderben würden. Nachdem wir noch einige Dünen überquert hatten und wieder auf einem Kamm angelangt waren, machten wir einen einzelnen Kuhantilopenbullen aus, der uns gegenüber äste. Die perfekte Gelegenheit. Das einzige Problem war, dass wir das offene Dünental überqueren mussten, um näher an ihn heranzukommen. Er war fast 600 Meter entfernt. Wir nutzten das Gebüsch als Deckung und gingen rasch wieder ein kurzes Stück zurück, damit wir das weite Dünental an einer anderen Stelle überqueren konnten. Jetzt befanden wir uns auf der gleichen Düne wie der Bulle und pirschten uns langsam und leise zu der Stelle, an der wir ihn gesichtet hatten.

Als wir näher kamen, bemerkte uns ein Steinböckchen und flitzte davon. In der Hoffnung, dass dadurch nicht auch der Kuhantilopenbulle flüchtig werden würde, blieben wir stehen, um die Situation abzuschätzen. Die Kuhantilope war immer noch nicht in Sichtweite. Wir beschlossen weiterzugehen. Nach mehreren Büschen und Bäumen konnten wir ihn durch einige Lücken in der Vegetation ausmachen. Er äste immer noch und konnte unsere Witterung nicht aufnehmen, denn der Wind stand zu unseren Gunsten. Doch plötzlich gewahrte er uns auf irgendeine wundersame Weise und begann, die Düne in die Richtung hinunter zu wechseln, aus der wir gerade gekommen waren. Aber da er unsere Witterung nicht aufnehmen konnte, hatte er keine Eile. Das gab uns die Gelegenheit, die Schießstöcke hervorzuholen.

Doch dann, gerade als wir die Stöcke aufgestellt hatten, wechselte die Kuhantilope ihre Richtung – wieder dorthin, wo sie geäst hatte. Das zwang uns, unsere Position ein wenig zu ändern, denn nun war ein Busch im Weg, der jeden etwaigen Schuss blockieren würde. Die neuerliche Einrichtung auf den Schießstöcken erwies sich als etwas schwieriger als mir lieb war. Durch den Positionswechsel hatten die Stöcke ihren festen Halt verloren, so dass ich recht unbequem auf ihnen ruhte. Der Bulle überquerte die Düne und entkam uns. Auf jeden Fall ein aufregender Moment!

Wir folgten seiner Spur und stellten fest, dass er sich einer großen Herde angeschlossen hatte. Das ist keine ideale Situation, wie diejenigen von Ihnen wissen, die Kuhantilopen gejagt haben. Angesichts der vielen Augen in einer Herde – und Kuhantilopen äugen sehr gut – würde es äußerst schwierig sein, in Schussweite zu kommen. Erschwerend kam hinzu, dass sie auf der offenen Ebene ästen oder sich niedergetan hatten, wo sich uns kaum Deckung bot. Langsam pirschten wir uns an und versuchten, so nah wie möglich heranzukommen. Wir behielten eine Düne zwischen uns, um unsere Anwesenheit nicht zu verraten. Die Kuhantilopen waren etwa 500 bis 600 Meter von uns entfernt. Wir suchten uns einen schattigen Platz, um uns eine Weile hinzusetzen und die Herde zu beobachten.

Inzwischen war es kurz nach Mittag, und viele der Kuhantilopen taten sich nieder. Nur einige Bullen ästen noch gemächlich am Fuße der Düne, aber nicht so, dass es sinnvoll gewesen wäre, näher heranzurücken. Wir waren 9 km von der Stelle entfernt, an der wir den Bakkie abgestellt hatten – ja, es war definitiv kein flotter Spaziergang im Park – und beschlossen, per Funk jemanden herbeizurufen, um uns abzuholen. Wir wollten zu Mittag essen und unser weiteres Vorgehen überdenken. Bei dem Gedanken, dass wir uns jetzt von dieser Herde abwenden würden, dachte ich: „Warum gehen wir nicht einfach direkt auf sie zu und schauen, was passiert. Der Wind steht günstig, und wenn wir Glück haben, haben wir halt Glück gehabt. Wenn nicht, lassen wir sie ja ohnehin sein. Warum also nicht einen Versuch wagen?“.

Von dort, wo wir gesessen und die Herde beobachtet hatten, gingen wir ins Tal hinunter. Wir versuchten, möglichst viel Deckung zwischen uns zu halten. Sie war nur spärlich vorhanden, aber wir begannen an Boden zu gewinnen und hatten das Gefühl, dass unser Plan funktionierte. Selbst einige Elenantilopen, die in der Nähe der Kuhantilopen ästen und mehrmals zu uns hin äugten, schienen sich an diesen seltsamen zweibeinigen Wesen, die da auf sie zukamen, nicht sonderlich zu stören.

Die Kuhantilopen blieben ruhig, begannen jedoch weiterzuziehen. Gut 400 Meter blieben zwischen uns. So tief gebückt wie nur möglich drängten wir weiter vorwärts. Meiner langen Statur gefiel das nicht so richtig gut, aber ich hoffte, dass es sich am Ende auszahlen würde. Der größte Teil der Herde war inzwischen über eine andere Düne gezogen, aber drei Bullen standen auf dem Kamm und äugten uns an. Wir setzten wir uns hin und warteten, dass sie ebenfalls hinüberwechselten. Wir wollten ihnen Zeit lassen, statt sie zu sehr zu stören. Nach einigen Minuten war der erste Bulle auf dem Weg. Wir mussten nur stillsitzen und hoffen, dass die beiden anderen bald folgten. Sobald sie über die Düne gewechselt und außer Sichtweite waren, würden wir wieder Tempo vorlegen und versuchen, die Lücke zu ihnen zu schließen.

Als der letzte Bulle über den Kamm gewechselt war, standen wir auf. Mit meinem Jagdführer, Herold, rannte ich so schnell wie möglich zum Dünenkamm und hoffte, dass die Kuhantilopen auf der anderen Seite wieder gemächlich äsen würden. Tatsächlich war genau das der Fall, als wir oben ankamen. Wir hockten uns hinter eine Deckung und versuchten herauszufinden, welches die Bullen waren. Wir machten einen guten Bullen aus und stellten die Stöcke auf. Ich hatte aus meinem früheren Fehler gelernt und beschloss, nur ein Zweibein zu verwenden, anstatt mich mit dem Dreibein abzumühen. Nach dem Tempo, mit dem wir zur Düne gelaufen und sie überquert hatten, raste mein Puls. Ganz zu schweigen vom Adrenalinschub der Jagd. Ich hatte Mühe, wieder gleichmäßig zu atmen, aber ich wusste, es war jetzt oder nie. Der Schuss ging steil über den Bullen hinweg. Definitiv eine große Enttäuschung. Ich hoffte, dass der Nachmittag anders verlaufen würde.

Wir kehrten zur Lodge zurück und tankten nach dem langen morgendlichen Spaziergang durch die Dünen neue Kräfte. Als wir am Nachmittag wieder aufbrachen, beschlossen wir, eine andere Gegend zu erkunden. Und schon bald stießen wir auf eine andere Kuhantilopenherde. Wieder ließen wir den Bakkie stehen, um uns an die Herde heranzupirschen. Der Wind stand immer noch günstig. Die Kuhantilopen hatten uns nicht gewittert und ästen weiter. Dabei entfernten sie sich von uns, aber bei ihrem geringen Tempo war es uns möglich, ihnen langsam durch das Dickicht und über die Hügel zu folgen. Als sie begannen, einen Hang hinaufzuziehen, machten wir im hinteren Teil der Herde einen sehr guten Bullen aus. Wir richteten uns mit den Stöcken unter einem Baum ein, ich machte mich bereit und konzentrierte mich auf den Bullen. Gerade stand er hinter einem Busch. Nur die obere Hälfte seines Trägers und sein Kopf ragten hervor. Ausgerüstet mit einem Kaliber 180gr 30-06 fühlte ich mich sicher genug, durch den Busch knapp hinter seine Schulter zu zielen. Einatmen. Ausatmen. Abdrücken. Der Schuss krachte, aber alles, was wir hören konnten, war das knackende Geräusch eines brechenden Stocks. Vom Bullen keine Reaktion. Das konnte doch nicht sein. „Hatte der Busch wirklich die Kugel aufgefangen?“, fragte ich mich, und Herold. Bestimmt nicht.

Wir gingen zu der Stelle hinüber, wo der Bulle gestanden hatte, folgten der Spur ein Stück den Hügel hinauf, aber es war kein Schweiß zu sehen. Jetzt war es nicht nur enttäuschend, sondern irgendwie lächerlich, wie der Tag bisher verlaufen war. War heute einfach nicht mein Tag?

Doch gleich wie: es ist unbezahlbar, Zeit im Busch zu verbringen, zu Fuß unterwegs zu sein und sich an diese schönen Tiere heranzupirschen – selbst nach einem Tag wie diesem. Ich bin mir sicher, dass die Dinge anders gelaufen wären, wenn wir vom Bakkie aus gejagt hätten. Wahrscheinlich wäre es mir gelungen, den Kuhantilopenbullen, auf den ich es abgesehen hatte, zu erlegen. Aber ich wollte nicht einfach einen Bullen schießen, ich wollte ihn jagen.

Zwei Wochen später war ich zurück bei Jamy Traut Safaris, fest entschlossen, diesmal nicht mit leeren Händen zu gehen. Mein Jagdführer Piet und ich machten uns frühmorgens auf die Suche nach frischen Spuren. Vielleicht würden wir sogar einen einzelnen Bullen oder kleine Herden sichten. Schon bald machten wir tatsächlich mehrere Gruppen von Kuhantilopen aus, ließen unser Fahrzeug an einer halbwegs schattigen Stelle stehen und machten uns auf den Weg über die Dünen, um in Windrichtung zu bleiben und so nah wie möglich heranzukommen.

Wir durchquerten eine der Dünen-Straßen und hielten auf eine Gruppe zu, die wir auf der anderen Seite sehen konnten, wo sie sich niedergetan hatte. Wir wussten, dass sich einige Kuhantilopen auf der gleichen Seite der Düne befinden mussten, die wir überquerten – wir konnten sie halt nur noch nicht sehen. Auf unserem Weg über die offene Fläche blieb Piet plötzlich stehen und zeigte auf mehrere Bullen, die sich auf unserer Seite der Düne befanden, wie wir vermutet hatten. Wir gingen langsam zurück, da wir uns im offenen Gelände befanden, mit Kuhantilopen sowohl vor uns als auch zu unserer Linken. Zurück bei der Düne ging es ähnlich weiter wie beim letzten Mal: auf dem Weg über die Düne suchten wir Deckung hinter allen nur vorhandenen Büschen und Sträuchern. Als wir näher und näher herankamen, wussten wir, dass es nicht mehr weit bis zu der kleinen Herde sein konnte, die sich niedergetan hatte. Da die andere Herde gegenüber von uns in unsere Richtung äugte, konnten wir nur hoffen, dass sie nicht abgehen und diejenige vor uns aufschrecken würde.

Noch ein Déjà-vu: Ein Steinböckchen tauchte vor uns auf, genau wie vor zwei Wochen. Piet gestikulierte und versuchte, das Steinböckchen in die Richtung zu dirigieren, in der wir ihn haben wollten, anstatt direkt in die Kuhantilopenherde zu laufen. Zu unserem Glück ließ er sich dirigieren. Jetzt konnten wir einen kapitalen Bullen ausmachen, der sich etwa 300 Meter vor uns unter einer Akazie niedergetan hatte. Es war ein Moment der Sorte jetzt oder nie. Wir mussten vorsichtig sein, damit der Bulle uns nicht zu früh wahrnahm und abging.

Es war abermals Zeit, dass es unbequem wurde. Wir legten uns flach auf den Bauch und robbten näher an den Bullen heran. Ursprünglich wollte ich der stabileren Position wegen auf meinen Rucksack gestützt schießen, aber ihn mitzuschleifen war wegen des Geräuschs ein zu großes Risiko. Also ließen wir ihn zusammen mit den Schießstöcken zurück. Mein Gewehr waagerecht auf meinen Armen, schob ich mich mit den Beinen und Ellbogen vorwärts, wobei ich mich bemühte, nicht zu viel Staub und Sand auf das Gewehr oder das Zielfernrohr zu bekommen. Wir kamen gut voran. Ab und zu streckten wir den Kopf hoch, um zu sehen, ob der Bulle immer noch in derselben Position war. Auf dem Kamm der Düne stand ein kleiner Grasbüschel, den ich für eine geeignete Unterlage zum Schießen hielt, vielleicht mit Piets Kappe unter dem Gewehr. Wir robbten also zu diesem Grasbüschel und stellten fest, dass sich der Bulle erhoben hatte und direkt zu uns hin äugte. Nun war es wirklich jetzt oder nie.

Piet beschloss, nach vorne zu robben und sich auf das Gras zu legen, damit ich mein Gewehr auf seinen Rücken auflegen konnte. Doch diese Position war zu niedrig: durch mein Zielfernrohr starrte ich nur auf Gras, ohne jede Sicht auf den Bullen. Die ganze Zeit stand er noch da und äugte uns direkt an. Piet wölbte seinen Rücken ein wenig, und das verschaffte mir die perfekte Höhe, um mein Fadenkreuz vorne auf der Brust des Bullen ruhen zu lassen. Da er uns immer noch anäugte, war ein Schuss auf die Breitseite ausgeschlossen.

Als es mir und Piet gelungen war, unsere Atmung unter Kontrolle zu bringen, drückte ich den Abzug und der Schuss krachte. Der Bulle bäumte sich auf und ich wusste, dass ich ihn getroffen hatte. Er ging nach rechts ab. Da ich nicht das Risiko einer möglicherweise stundenlangen Nachsuche eingehen wollte, gab ich von Piets Rücken aus einen weiteren Schuss auf den fliehenden Bullen ab. Ich traf ihn hoch an der Schulter und er lag im Feuer. Sofort überkamen mich absolute Erleichterung, Freude und all die anderen Emotionen, die von angespannten Nerven und Stress hervorgebracht werden. Ich hatte es endlich geschafft, den Kuhantilopenbullen meiner Träume zu jagen. Es war eine echte Jagd, und ich danke Piet, Herold und allen bei Jamy Traut Hunting Safaris sehr herzlich, dass sie mir diese Gelegenheit gegeben haben.

Dieser Artikel wurde erstmals in der 2024 Deutsch-Ausgabe von HUNTiNAMIBIA veröffentlicht.

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