Einer der Piloten hat ein Spitzmaulnashorn (Diceros bicornis bicornis) gesichtet und alarmiert über das Funkgerät die Teams. Bald liegt das Nashorn, ein junges Weibchen, im dichten Dornengebüsch und alle müssen ein ganzes Stück laufen, um zu der Stelle zu gelangen. Innerhalb von zwanzig Minuten wird das Nashorn von Umweltminister Shifeta enthornt, es werden DNA-Proben entnommen, kleine Wunden versorgt, die Hörner und Reststücke im Beisein eines Polizeibeamten in einem Plastikbeutel versiegelt, das Tier wird gemessen und markiert. Alle steigen wieder in die Fahrzeuge und Hubschrauber, der Tierarzt injiziert ein Antidot, und nach wenigen Minuten kommt das Nashorn zu sich und verschwindet im Busch.
Eine halbe Stunde später liegt das nächste Nashorn am Boden. Und wieder trennt der Minister das Horn mit einer elektrischen Säge ab. Dieses Nashorn ist ein großer Bulle, der vor fünf Jahren zum ersten Mal enthornt wurde.
Seit 2014 sind in Namibia fast 2000 Nashörner enthornt worden – davon allein bis Mitte 2023 schon an die 200. Minister Shifeta war Ende Mai dabei und enthornte selbst zwei Spitzmaulnashörner, die bereits erwähnte junge Kuh und den alten Bullen.
Mit dem Horn des Bullen in der Hand erklärte Shifeta: „Für uns ist dieses Horn völlig wertlos, aber für Wilderer und ihre Syndikate ist es Millionen wert. Nur die Trophäenjagd verleiht dem Horn eines Nashorns einen legalen Wert. Wir müssen die Hörner jedoch entfernen, damit das Nashorn für Wilderer wertlos wird. Nashörner sind eine Touristenattraktion“, so der Minister weiter, „aber wegen der illegalen und kriminellen Machenschaften von Wilderern, ihren Syndikaten und den Käufern von Hörnern müssen sich Touristen jetzt Nashörner ohne Hörner ansehen. Dabei ist das Horn ein nutzloses Material. Doch wir haben lieber lebendige, enthornte Spitz- und Breitmaulnashörner im Land, als dass diese Tiere wegen ihres Horns getötet werden.“
Wenn die Hörner, die von den Tieren entfernt werden, um sie für Wilderer wertlos zu machen, verkauft werden könnten, würden sie dringend benötigte Dollar für den Schutz der Nashörner einbringen, sagte Shifeta. Stattdessen müssen die Hörner an geheimen Orten in riesigen Tresoren gelagert und bewacht werden – kostspielige Maßnahmen für ein „wertloses Produkt“. Die Sicherheitsausrüstung zum Schutz der Nashörner in Nationalparks, auf kommerziellen Farmen und in kommunalen Hegegebieten ist ebenfalls sehr teuer. Zudem macht der Nashornschutz Männer und Frauen des Umweltministeriums, der Polizei und der Streitkräfte für andere dringende Aufgaben unabkömmlich.
Wenn alte Bullen, die ihren Zenit überschritten haben, zu Problemtieren werden und anfangen, in kleinen Schutzgebieten jüngere Bullen zu töten, um ihre Dominanz aufrechtzuerhalten, oder wenn sie gar Kühe töten, so müssen sie beseitigt werden. Sie werden für Trophäenjäger zur legalen Jagd freigegeben. Namibia und Südafrika haben eine CITES-Quote von je fünf jagdbaren Nashörnern pro Jahr. „Wir töten so ein Problemnashorn nicht einfach, sondern wir bemühen uns um den größtmöglichen Nutzen. Der gesamte Erlös wird ausschließlich für die Erhaltung von Nashörnern verwendet“, betont der Umweltminister. Die Trophäeneinnahmen fließen in den Game Products Trust Fund und nicht in die Staatskasse.
In Namibia wurden im Jahr 2022 durch Trophäenjagd vier Nashörner erlegt, 2021 und 2020 jeweils eines, 2019 keines, 2018 eines und 2017 zwei. Für einen Spitzmaulnashornbullen müssen Jäger zwischen 200.000 und 350.000 US-Dollar hinblättern.
Weibliche Tiere werden nicht gejagt und bleiben bis zu ihrem Lebensende produktiv. Ein weibliches Kalb, dessen Mutter gewildert worden war, konnte gerettet werden und wurde auf einer privaten Wildfarm aufgezogen. Inzwischen hat dieses Nashorn sein elftes Kalb zur Welt gebracht.
Der Nashorn-Schutz ist kostspielig und kein einfacher Weg zur Erhaltung der Art. Nach Angaben des leitenden Naturwissenschaftlers und nationalen Nashorn-Koordinators von MEFT belaufen sich die Kosten für die Enthornung eines einzelnen Nashorns auf 10.000 bis 12.000 Namibia Dollar. Sie verdoppeln sich, wenn Nashörner in abgelegenen Gegenden wie der trockenen Kunene-Region enthornt werden, wo sich weniger Tiere auf viel größere Gebiete verteilen. Ein Hubschrauber kostet im Durchschnitt rund 18.000 N$ pro Stunde und die Betäubungsmittel +/- 2 000 N$ pro Nashorn. Hinzu kommen die Kosten für Geländewagen, Gehälter und Überstunden des Personals.
Jedes Nashorn hat eine eigene Identitätsnummer, und eine DNA- Probe wird in einem zentralen Labor in Südafrika aufbewahrt. „Wir enthornen unsere Nashörner in Wildparks, auf kommerziellen Farmen und in kommunalen Hegegebieten alle zwei Jahre“, erklärt der leitende Naturschutz-Wissenschaftler. „Die meisten Nashörner sind uns seit ihrer Geburt bekannt. Wir wissen, wie alt sie sind, und wenn wir sie enthornen oder umsiedeln bestimmen wir ihr Alter anhand ihrer Zähne.“ In Namibia gehören alle Spitzmaulnashörner dem Staat.
Mehr als zehn Jahre Dürre in der ohnehin trockenen Kunene-Region haben sich auf den freilebenden Nashornbestand in den kommunalen Hegegebieten merklich ausgewirkt. Dort leistet der Save the Rhino Trust enorme Arbeit, und die Hegegemeinschaften beginnen von Nashornwanderungen für Touristen zu profitieren. Die Dürre setzte 2012 ein, und zwei Jahre später wurden 18 Nashörner gewildert – in dieser Region die höchste Zahl der letzten zehn Jahre. Da die Nashörner über ein riesiges Gebiet verstreut sind, spezialisierten sich die skrupellosen Verbrecher auf Kühe mit größeren Kälbern. Sie töteten das Kuh-Kalb-Paar der Hörner wegen, brachten dabei aber gleich drei Tiere um, denn die meisten Nashornkühe mit größeren Kälbern sind bereits wieder trächtig, so der leitende Naturwissenschaftler von MEFT. Vierzehn Kälber wurden 2015 geboren, die zweithöchste Geburtenrate der letzten zehn Jahre; 2018 kamen 15 Nashornjunge zur Welt. Doch die lange Dürre forderte ihren Tribut: 2020 war die natürliche Sterblichkeit am höchsten – 20 Nashörner wurden tot aufgefunden, hauptsächlich Kälber und alte Tiere.