Am 21. April wurde der junge Weißrückengeier beringt (RA00461) und markiert (J151). In der darauffolgenden Woche verschwand er, kehrte aber zum Fressen zurück. Die Bergmanns sahen ihn zuletzt am 27. und 28. April. Am nächsten Tag fuhren sie an die Küste, weil Schulferien waren.
Die Farmarbeiter von Aanhou-Wen, 120 km nördlich von Upington im Northern Cape in Südafrika und 680 km südlich von Springbokvley, berichteten dem Besitzer am 30. April, dass ein Geier auf einem Kameldornbaum in der Nähe des Farmhauses sitze und sich von Menschen offenbar nicht stören lasse. Am nächsten Tag landete der markierte Geier auf dem Boden und folgte einem der Mitarbeiter – der sich vor dem großen Vogel fürchtete. Später wurde ein Erdhörnchen für den Geier erlegt, und er tat sich an der kostenlosen Mahlzeit gütlich. Sie fütterten ihn weiter mit Erdhörnchen- und Warzenschweinfleisch und meldeten einer mit Geiern befassten südafrikanischen Organisation die Markierungen J151 an den Flügeln und den Metallring RA00461 an seinem linken Bein. Einmal landete der Geier sogar auf dem Geländer des Fahrzeugs, mit dem der Farmer von einer Jagd zurückkehrte.
Die Geierorganisation versprach, den Vogel abzuholen. Doch am 6. Mai flog er davon. J151 war längst verschwunden, während die Organisation noch damit beschäftigt war, jemanden zu der Farm nördlich von Upington zu entsenden. Von Aanhou-Wen flog der Geier 719 km weiter nach Süden und landete zwischen Windturbinen des Nojoli-Windparks, etwa 73 km südlich von Cradock in der Provinz Eastern Cape.
Laut einem Sprecher der Organisation wurde der Vogel mit Kopfzucken und gekräuselten Federn eingeliefert – Symptome, die auf eine Bleivergiftung und übermäßigen Stress als Nestling hindeuten. Der Geier wurde „mit Baytril gegen Atemwegsinfektionen und EDTA, dem Gegenmittel bei Bleivergiftung, behandelt“, wurde mitgeteilt. Am 22. Mai wurde J151 in das führende Rehabilitationszentrum in der Nähe von Johannesburg gebracht. Sobald er rehabilitiert ist und freigelassen werden kann, wird er mit einem Sender ausgestattet. Damit sollten sich seine Bewegungen mehrere Jahre lang verfolgen lassen können. Man darf gespannt sein, ob J151 nach Namibia zurückkehrt.
Bedauerlicherweise hat die Organisation weder den namibischen Beringer noch Vultures Namibia darüber informiert, dass J151 tatsächlich mit einem Sender ausgestattet wurde, dass die Flügelmarkierungen (J151) entfernt wurden, dass ein blauer Ring angebracht wurde und dass der Geier im März dieses Jahres (2025) freigelassen wurde. Das alles stellte sich erst im September heraus, nachdem im August mehrere Versuche unternommen worden waren, Informationen über seinen Verbleib zu erhalten. „Der Vogel wurde einen Monat lang verfolgt, bis der Sender stehen blieb. Er flog nach Botswana und bewegte sich an der Grenze nach Namibia entlang, aber das Gerät blieb einfach stehen“, hieß es. Leider ist auch nicht bekannt, wo genau der Weißrückengeier freigelassen wurde oder was sein letzter Wegpunkt ist. Noch weniger ist bekannt, wo sich der Geier jetzt befindet und ob er überhaupt noch lebt.
Ebenfalls unbeantwortet ist die Frage, wo die Eltern von J151 bleiverseuchtes Fleisch aufgenommen haben und wie hoch der Bleigehalt im Körper des Jungvogels war/ist.
Doch am Weißrückengeier J151 zeigt sich deutlich, was wir Menschen durch den Gebrauch von Blei in unserer Umwelt und mit ihren Lebewesen anrichten. Manche Trophäenjäger, die nach Namibia kommen, haben bereits bewiesen, dass man erfolgreich bleifrei jagen kann.
Bleivergiftung ist zu einem wachsenden Problem geworden, insbesondere bei Geierküken. Am 24. April hielt Dr. Linda van den Heever, ArtenschutzprogrammManagerin von BirdLife South Africa, vor der Namibia Wissenschaftlichen Gesellschaft einen Vortrag über „Bleivergiftung bei Kap- und Weißrückengeiern im südlichen Afrika“. Laut der Expertin ist Bleimunition die Hauptursache für Bleivergiftungen bei Geierküken. Auch der namibische Berufsjägerverband (NAPHA) ließ das Thema Bleivergiftung durch Bleimunition auf seiner Jahreshauptversammlung im Dezember 2021 von Experten erläutern. Einige namibische Jagdführer und Berufsjäger berichten, dass bereits etliche ausländische Trophäenjäger ihre bleifreie Munition nach Namibia mitbringen. Fachleute bestätigen, dass es kaum Unterschiede in der ballistischen Wirkung gibt. Folglich besteht kein Grund, nicht auf bleifreie Jagdmunition umzusteigen.
Bislang ist nicht untersucht worden, wie stark Farmer und ihre Mitarbeiter, die viel Wildfleisch essen, mit Blei belastet sind. Es ist kein Geheimnis, dass es schwierig ist, den Bleigehalt in einem Menschen oder einem Tier zu messen. Der menschliche Körper kann, wie der Organismus eines Tieres, Blei nicht ausscheiden. Das giftige Metall lagert sich im Gewebe ab und wird bei steigendem Wert zu einer immer größeren, ernsten Gefahr. Einen sicheren Bleiwert gibt es weder für Menschen noch für Tiere.
Infolge einer Studie, die bei Geierküken über die Gefahren von Bleivergiftung durch Bleimunition durchgeführt wurde, hat Vultures Namibia den Farmern untersagt, in ihren Geierrestaurants Fleisch von erlegten Tieren anzubieten. Geierrestaurants wurden jahrelang als Mittel zur Förderung der schwindenden Geierpopulationen gepriesen. Möglicherweise ist jedoch ein Großteil des Fleisches und der Eingeweide, die den Geiern serviert werden, mit Bleipartikeln kontaminiert – wenn vielleicht auch nur in mikroskopischer Größe. Bei Geiern, die sich wiederholt von kontaminiertem Fleisch und Innereien ernähren, reichert sich das Blei an und wird zu einer Gefahr für ihre Gesundheit und letztlich ihr Überleben.
In Namibia sind noch keine offiziellen Forschungsarbeiten durchgeführt worden, um das Problem der Bleikontamination durch Bleimunition in Wildfleisch und sekundär bei Tieren und Menschen, die Wildfleisch und Innereien verzehren, genauer zu untersuchen. Der Grund dafür liegt im Mangel an Finanzmitteln, Experten und spezialisierten Laboren.
Wir müssen mehr über die Bewegungen und das Verhalten unserer Geier in Erfahrung bringen und Wege finden, um diese prächtigen Vögel zu retten. Die Jägerschaft ist ein wichtiger Faktor für das Überleben dieser außergewöhnlichen Geschöpfe.