Koexistenz in Aktion

Namibias Programm zum Umgang mit Problemtieren

von Madeleen Duvenhage

Von den entlegenen Winkeln der ausgedehnten namibischen Wildnis zu den oft monotonen Aufgaben der Datenerfassung an einem überfüllten Schreibtisch – Richard Freyers Arbeit folgt selten einer Routine. Als Kontrollbeamter im Ministerium für Umwelt, Forstwirtschaft und Tourismus (MEFT) gehört Freyer zu einem Team, das mit dem Erhalt eines der heikelsten Gleichgewichte in Namibia betraut ist: dem Schutz der Wildtiere und zugleich dem Wohlergehen der Menschen, die mit ihnen zusammenleben.

Freyer trägt jedes Jahr zur Festlegung von Wildtierquoten bei, einem Eckpfeiler des nachhaltigen Ressourcenmanagements in Namibia. Diese Quoten sind keine willkürlichen Zahlen, sondern sie basieren auf Felddaten, Luftbildaufnahmen und der engen Zusammenarbeit mit allen 86 kommunalen Hegegebieten im Land. Auf der Grundlage dieses jährlichen Prozesses werden die Quoten für den folgenden Dreijahreszyklus bestimmt.

Über die Quoten entscheidet der Koordinierungsausschuss für die Quotenfestlegung, der im Ministerium für die Verwaltung der natürlichen Ressourcen angesiedelt ist. Der Ausschuss besteht aus Vertretern der Direktion für Wildtiere und Nationalparks, der Direktion für wissenschaftliche Dienste und des Namibischen Verbandes der die Hegegebiete unterstützenden Organisationen (NACSO) und arbeitet eng mit Hegegebieten und Jagdveranstaltern zusammen. Laut Freyer gewährleistet dieser kooperative Ansatz, dass die Quoten auf fundierten Daten, praktischer Erfahrung und dem gemeinsamen Bekenntnis zu ökologischem Gleichgewicht und Gemeinnützigkeit basieren.

Doch Freyers Rolle geht weit über Richtlinien und Zahlen hinaus. Als Leiter des Programms zum Umgang mit problematischen Tieren steht er vor einer der komplexesten Herausforderungen im Naturschutz: der Minderung von Konflikten zwischen Mensch und Wildtier. Häufig überschneidet sich der Naturschutz hier mit menschlichen Lebensgrundlagen, Sicherheit und den Bedürfnissen der ländlichen Bevölkerung. Freyer räumt ein, dass die Auseinandersetzung mit den konkreten Realitäten von Mensch-WildtierKonflikten eine „emotional“ belastende Aufgabe sein kann, die Einfühlungsvermögen erfordert.

DAS PROGRAMM ZUR KONTROLLE VON PROBLEMTIEREN

Was genau macht ein Tier zu einem „Problemtier“? Freyer betont, dass nicht die Tierart an sich das Problem ist, sondern das einzelne Tier, das wiederholt Schaden anrichtet. Ein Löwe, der gelegentlich Nutztiere jagt, gilt nicht automatisch als Problem. Doch einer, der wiederholt zu Farmen oder Siedlungen zurückkehrt, könnte sehr wohl als Problemtier bezeichnet werden. Dasselbe Prinzip gilt für Elefanten, Leoparden, Flusspferde und Krokodile: Das Programm zielt auf die konfliktverursachenden einzelnen Tiere ab, nicht auf die Art als Ganzes.

Sobald eine Meldung eingeht, beginnt sofort das Reaktionsverfahren. Wildhüter untersuchen und verifizieren den Vorfall und setzen dann je nach Situation entsprechende Maßnahmen um. Nicht-tödliche Interventionen wie Abschreckungsmittel oder Umsiedlung werden bevorzugt, entfernen oder Tötung wird nur als letztes Mittel in Betracht gezogen. Die Namibia Berufsjägervereinigung (NAPHA) wird über eine private WhatsApp-Gruppe, der auch Reiseveranstalter angehören, informiert. Das gewährleistet die rasche Verbreitung wichtiger Informationen, ohne die Öffentlichkeit zu beunruhigen. „Wir wollen nicht, dass das Tier noch mehr Chaos verursacht“, betont Freyer und unterstreicht damit die Notwendigkeit, durch rasches Handeln einen Berufsjäger zu engagieren. Umsiedlung ist ein zentraler Bestandteil dieses Programms. Beispielsweise wurde kürzlich im Nordwesten ein Löwe eingefangen und in den Bwabwata Nationalpark umgesiedelt. Damit wurde gezeigt, dass Problemtiere nicht nur gejagt, sondern auch sicher umgesiedelt werden, um Konflikte zu reduzieren. Jede Intervention wird sorgfältig dokumentiert und überwacht, um Wiederholung zu verhindern und die ökologischen Auswirkungen zu minimieren.

Ein aktuelles Beispiel aus der Praxis, wo dieses System effektiv funktionierte, betraf einen Farmer im Hegegebiet ≠Khoadi-//Hôas, der in einer einzigen Nacht 35 Schafe verlor. Das Problem verursachende Tier, ein Löwe, wurde entfernt und gejagt, wodurch die unmittelbare Bedrohung für die Existenzgrundlage der Hegegemeinschaft beseitigt wurde. Das Programm ist nicht unumstritten. Freyer betont jedoch, dass man – einfach ausgedrückt – nur zuhören muss. „Wir müssen die Perspektive der betroffenen Menschen berücksichtigen, insbesondere von jemandem, der gerade auf einen Schlag sein gesamtes Vermögen verloren hat. Wie soll er seine Familie ernähren? Wie soll er die Kinder durch die Schule bringen? Das sind die realen, greifbaren Nöte, und wir müssen beide Seiten der Medaille betrachten.“

Für Freyer hat die Arbeit vor Ort eine Perspektive geprägt, die man nicht vom Schreibtisch aus gewinnen kann. „Es ist leicht, Annahmen zu machen, wenn man nicht selbst draußen im Veld ist. Ich habe an Treffen in kommunalen Hegegebieten teilgenommen. Man muss zuhören. Es wird immer eine schwierige Entscheidung sein“, sagt er und betont: „Die Realität des Naturschutzes ist, dass jede Entscheidung Gewicht hat. Nicht nur für die Tierwelt, sondern auch für die Menschen, die das Land mit den Tieren teilen.“

Das Mandat des Ministeriums für Umwelt, Forstwirtschaft und Tourismus ist seit jeher klar: die Tierwelt schützen und gleichzeitig den ländlichen Gemeinschaften Priorität einräumen. „Wir brauchen unsere Hegegebiete. Das eine kann nicht ohne das andere existieren“, erklärt Freyer und unterstreicht damit die wechselseitige Abhängigkeit gesunder Ökosysteme und florierender örtlicher Gemeinschaften in Namibia.

SELBSTHILFEPROGRAMM BEI MENSCHWILDTIER-KONFLIKTEN

Was Verluste betrifft, die von Wildtieren verursacht werden, stellt Freyer klar: „Wir zahlen keine Entschädigung, aber wir bieten einen Ausgleich an, der nicht am Marktwert orientiert ist.“ In Namibia ist es nicht Regierungspolitik, Farmern eine vollständige Entschädigung für Viehverluste oder Ernteausfälle durch Wildtiere zu gewähren. Ehemalige Entschädigungsprogramme in anderen Ländern haben sich oft als problematisch und anfällig für Missbrauch erwiesen. Das unterstreicht die Notwendigkeit alternativer Ansätze, die sowohl Verluste mindern als auch die Selbsthilfe in den Gemeinschaften fördern.

Im Rahmen des Programms zur Selbsthilfe bei Mensch-Wildtier-Konflikten werden Zahlungen geleistet, um die Folgen von Viehverlusten teilweise auszugleichen. Die Entschädigungssätze liegen absichtlich unter dem vollen Marktwert der Tiere. Das Programm sieht außerdem festgelegte Zahlungen für Ernteschäden vor, und im Falle von Verletzungen oder dem Tod von Menschen, Unterstützung für betroffene Familien. Zwar kann die Regierung rechtlich nicht für den Tod eines Menschen durch ein Wildtier verantwortlich gemacht werden, aber sie honoriert ihre moralische Verantwortung und übernimmt grundlegende Bestattungskosten, um Familien zu unterstützen.

SENSIBILISIERUNG UND BILDUNG

Freyer hebt hervor, dass wirkungsvoller Naturschutz nicht nur auf Richtlinien und Arbeit vor Ort beruht, sondern auch auf Verständnis. „Machen Sie sich mit den namibischen Gesetzen und Richtlinien vertraut, die der Öffentlichkeit zugänglich sind, bevor Sie vorschnell negative Kommentare abgeben. Das hat Welleneffekt“, betont er.

Ein besseres Verständnis dieser Rahmenbedingungen stärkt das Vertrauen und die Verantwortlichkeit aller Beteiligten. Durch die Förderung von Sensibilisierung und konstruktivem Dialog kann Namibia seine Naturschutzbemühungen weiter ausbauen und sicherstellen, dass die vor Ort getroffenen Entscheidungen von der breiten Öffentlichkeit unterstützt und anerkannt werden. „Konflikte zwischen Mensch und Wildtier wird es immer geben, aber wir können lernen, besser damit umzugehen.

Dieser Artikel wurde erstmals in der 2026 Deutsch-Ausgabe von HUNTiNAMIBIA veröffentlicht.

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