Einem Tipp von Hagen Denker habe ich es letztendlich auch zu verdanken, durch die Vermittlung von Serena Bouwer – The EcoHunter – zusammen mit Axel Cramer das „Abenteuer Buschmannland“ geplant zu haben. Axel ist genau der richtige Mann und Berufsjäger für eine solche Reise in die Wildnis – ehrlich, herzlich, geradlinig, optimistisch und offen für die Ideen und Wünsche seines Gastes. Er jagt hingebungsvoll, entschlossen und ausdauernd, schon bei unserer ersten echten Begegnung am Flughafen ist klar: Wir beide, wir werden uns blendend verstehen.
Einen ganzen Tag dauert es, bis wir von der Petersfarm aus schließlich ganz im Nordosten angekommen sind. Der Empfang ist sehr herzlich, das gesamte Team – von den beiden jungen Campmanagern über die Zimmermädchen bis hin zu unserer unerreichten Köchin Ansi – arbeitet stets überaus professionell und freundlich. Ich bin dem derzeitigen Konzessionsinhaber Japsie Blaauw zu großem Dank verpflichtet, dass ich hier überhaupt jagen durfte.
Nachts heulen die Hyänentrupps und schleichen unter dem altehrwürdigen Baobab umher. Die Natur um sich zu spüren, auch einmal Hitze, Dunkelheit und Einsamkeit zu erdulden, das gehört zu Afrika. Diese rauen Umstände sind Teil des eigentlichen Erlebnisses, für das ich hierherkomme und das es so selten noch gibt. Alle kleinen Unannehmlichkeiten wegzunehmen, heißt für mich, sich selbst um die Essenz des Erlebnisses zu betrügen.
Wohlwissend, dass die Jagd auf Eland hier oben im Nordosten Namibias, dem Land des Dickbusches und der endlosen Gelbholzdickichte, nicht leicht sein wird, habe ich mir gerade deshalb diesen sanften Riesen ausgesucht. Unser Running-Gag während der nächsten Tage, wenn wir wieder einmal für Stunden nur wenige Meter Sichtfeld hatten, wird der Ausspruch „Also, mit FotoTourismus wird das hier nichts!“ werden.
Mir geht es auf einer Safari nicht nur darum, speziell eine Wildart zu bejagen oder gar zu erbeuten, sondern vielmehr eine Landschaft in all ihren Facetten kennenzulernen und dabei in freier Wildbahn einem wirklich alten Vertreter einer typischen, autochthonen Wildart, getreu den Richtlinien des Erongo-Verzeichnisses, nachzustellen.
Diese Conservancy, eine der größten und gleichzeitig dünnbesiedeltsten in Namibia, umfasst beinahe eine Million Hektar und bietet einen einzigartigen Reichtum an Naturschönheiten. Das Schwierige gerade im Falle des Elands ist, dass diese Giganten nur im äußersten Nordosten des Areals vorkommen, sehr weit ziehen und oft wieder in der Weite und Sicherheit des Khaudum untertauchen. Auch meine Wahl der Jahreszeit hat zweierlei Medaillenseiten.
Im Mai ist alles grün, besonders nach dem guten Regen, der bis in den März 2025 angedauert hatte. Selbst während meines Aufenthalts fallen noch Schauer, als wir uns durch das Hereroland nach Norden arbeiten, immer am Rivier des Eiseb entlang. Die saftigen Blätter und das noch reichlich vorhandene Wasser machen die Elands noch wanderlustiger und unsteter, mithin noch schwieriger auszurechnen – aber: Die Pfannen haben Wasser, ziehen Abertausende von Enten, Gänsen, Flamingos, Watvögeln und anderen Wildtieren an. Und deren Anblick ist mir den Kompromiss beim Ausfährten des Elands durchaus wert.
Allein die schiere Größe des Gebiets verlangt unserem Team jagdlich eine Menge ab. Der beschauliche Rhythmus, nach einer morgendlichen Pirsch wieder für Mittagessen und Siesta ins Camp zurückzukehren, ist hier gar nicht möglich. Wenn sich der ewige Himmel in seiner unfassbaren Größe rötet, ohne Bauwerke am Horizont, ohne Kondenzstreifen, pirschen wir bereits auf die Pfanne zu, in der Hoffnung, frische Elandfährten zu finden.
Mittags ist eine Rast unter Bäumen oder manchmal nur niedrigen Büschen unsere Möglichkeit, die Beine etwas ruhen zu lassen. Wir teilen dann gemeinsam für alle unser Lunch, schließen die Augen, während das Sonnenlicht durch die Blätter und Zweige über uns flirrt. Ich schreibe Tagebuch, schlage die Vogelarten des Tages in einem kleinen Bestimmungsbuch nach und drehe mir eine Zigarette. Wenn nachmittags die Sonne wieder etwas aus dem Zenit sinkt, geht es weiter, bis das Licht schwindet und wir uns lange nach Sonnunter schließlich wieder im Camp einfinden.
Unsere Jagdgesellschaft bietet einen recht guten Querschnitt durch Namibias ethnische Vielfalt. Wir haben natürlich Ju/’Hoansi, aber auch Nama/Damara und Ovambo an Bord, dazu einen deutschstämmigen Berufsjäger und einen Gast aus demselben Land.
Gleich am ersten Morgen, als wir uns leise und vorsichtig der Pfanne nähern, zeigt Joshua vor uns zwischen die Zweige. Vielleicht dreihundert Meter vor uns stehen Elandbullen, ein gutes Dutzend. Bald wird klar, es handelt sich um Junggesellen, jüngere Bullen noch ohne Dominanz in einer Herde und drei, die das schon hinter sich haben – einer davon ein unheimlich massiger, blauer und wirklich alter Bulle. Alle sind hellwach, so schnell hatte zumindest ich nicht mit einem solchen Anblick gerechnet. Wir umschlagen den Platz leise, nähern uns vorsichtig glasend immer weiter, können die Tiere durch die Zweige schemenhaft ausmachen. Dann springt Otto, der vorangehende Fährtenleser, plötzlich zurück und zischt „slang!“, um kurz darauf, nach einem zweiten Blick, lässig abzuwinken. „Nur eine Python.“ Wenig später sehen wir noch einen starken Roan-Bullen für einen Augenblick im Busch verschwinden, können aber zu den Elands nicht mehr aufschließen. Unsere tracker scheinen überzeugt: Das ist der Schlange geschuldet. Auch am nächsten Morgen suchen und finden wir frische Fährten und arbeiten uns gemeinsam voran, müssen aber erkennen, dass der Khaudum die Elands in seinen Schutz genommen hat.
Um einerseits das Areal nicht zu sehr zu beunruhigen, andererseits natürlich aber auch, um die grandiose Landschaft zu erleben, beschließen wir, am nächsten Tag in den Süden des Gebiets aufzubrechen, der von Pfannen und offenen Grasebenen geprägt ist. Dort wollen wir auf die zweite Wildart jagen, die mich in diesem Gebiet ganz besonders fasziniert: das Blaue Wildebeest.
Da zwei der tracker nun woanders gebraucht werden, übernimmt Kosta den Posten des ortskundigen Fährtenlesers. Er ist Ju/’Hoansi und einer der communal game guards des Gebiets. Anfangs war er sehr zurückhaltend, sprach und zeigte nicht viel, hielt sich im Hintergrund. Als unsere Gruppe nun kleiner geworden ist, merke ich, wie er immer selbstsicherer wird und sich vorher nur nicht in den Vordergrund drängen wollte. Er kennt nicht nur die gesamte Konzession ausgezeichnet, sondern ist auch ein wirklich versierter Fährtenleser.
Feuchtes Gras, voller Stechfliegen und Moskitos, streift stundenlang um unsere Beine. Wir müssen die große Pfanne umschlagen, um uns mit gutem Wind den Wildebeestern nähern zu können, die wir weit draußen auf den Ebenen zusammen mit Steppenzebras und Springböcken gesichtet haben. Wir arbeiten uns durch dichtes Dornengestrüpp heran, glasen und nehmen uns Zeit, die Situation zu beurteilen. Axel erfreut mich mit demselben Schluss, den auch ich insgeheim schon erwogen habe: Die Wildebeester, die wir sehen können, liegen viel zu weit draußen – und wir möchten diese Idylle nicht stören.