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Caprivi Träume

Meine Neugier wurde vor Jahren auf meiner ersten Südafrika-Safari geweckt: durch die Geschichten, die mir damals über Jagderlebnisse in „Südwest“ erzählt wurden. Seither war ich viele Male in Namibia. Dieses Wüstenland hat einen besonderen Platz in meinem Herzen und ist seit meinem ersten Besuch vor zwölf Jahren stets in meinen Träumen. Ich habe viel Zeit im Süden des Landes verbracht und viele liebe Freunde gewonnen. Nun schien es mir angebracht, auch andere Teile von Namibia zu erkunden. In Büchern und Zeitschriften informierte ich mich über die einzigartigen Plätze der verschiedenen Regionen und vertiefte mich in Landkarten. Besonders faszinierte mich der Caprivi, jetzt Zambezi Region genannt. Ich denke, die meisten Jäger werden mir zustimmen, dass wir alle davon träumen, in wirklich wilden, weit abgelegenen Gegenden auf die Jagd zu gehen. Diese Träume gehören zu unserem innersten Wesen als Jäger. Jetzt sollte mein Traum, im Caprivi – im äußersten Nordosten von Namibia – zu jagen, endlich wahr werden. Und was für ein Abenteuer es wurde! Philip Glass

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D as Beste an Namibia sind nichts mehr zu tun als abzuwarten – und vom den hohen Bäumen, die in dieser Landschaft die Begegnungen mit den fantastischen Menschen. Für mich ist es ein Geschenk, Menschen mit so unterschiedlichem Hintergrund kennenzulernen. Von den Scha armern im Süden zu den vielen wunderbaren Mitgliedern der Jägerzunft – in Namibia kommt es mir immer so vor, als ob ich meine Familie besuche. Namibia gehört zu den ganz wenigen Ländern, in denen ich mich wirklich zu Hause fühle. Gysbert und Danene van der Westhuyzen, mit denen ich bereits gejagt hatte, zeigten mir, was für meine Safari zur Verfügung stand, denn die Hegegebiete im Caprivi haben sehr knappe Quoten. Namibia verdient großes Lob dafür, wie gut der Schutz und Erhalt von Wildtieren und Wildnisgebieten geregelt ist. Gleichwohl erfordert es gute Planung, eine Quote erteilt zu bekommen. Eine Safari wie meine beginnt man am besten mindestens ein Jahr im Voraus zu organisieren.

Auf dieser Safari wollte ich einen Elefanten und einen Bü el erlegen. Schließlich hatte ich meine Pläne auf der Reihe und dann war Caprivi zu träumen…

Als wir in Katima Mulilo aus dem Flugzeug stiegen traf uns die Luftfeuchtigkeit mit voller Wucht und die Insektenscharen ließen keinen Zweifel daran, dass ich wieder in Afrika war, wenngleich in einer völlig ungewohnten Umgebung. Zu meinen ersten Eindrücken von diesem Teil des Landes gehören die traditionellen rietgedeckten Lehmhütten in den Dörfern und natürlich die vielen großen Bäume. Bis zur Unterkunft war es eine Fahrt von rund zwei Stunden und dann noch ein kurzes Stück per Boot. Die Bootstour ussabwärts war das i-Tüpfelchen und machte den Start meiner Safari gleich zu einem richtigen Abenteuer.

Die Sonne war bereits am Untergehen und ich muss zugeben, dass es durchaus etwas Ehrfurcht ein ößend war, Krokodile und Nilpferde in nächster Nähe zu wissen.

Am ersten Morgen brachen wir zu einem langen Fußmarsch auf. Ich bewunderte meine Umgebung und konnte kaum fassen, wie schön dieses Fleckchen Erde ist – von den mit Schilf bestandenen Wasserläufen und Auen bis zu dominieren. Alles war ganz anders als die Teile von Namibia, die mir so vertraut sind.

Abends erwischte uns unversehens der Einbruch der Dunkelheit und auf dem Rückweg mussten wir ein Gebiet durchqueren, in dem eine Wildkamera früher am Tag eine Löwin aufgenommen hatte. Es braucht sicher nicht betont werden, dass wir im Eilschritt gingen und dicht beieinander blieben. Ich hatte die einzige Taschenlampe und versuchte, den Weg zu beleuchten während ich mit dem Blick das hohe Gras neben uns nach den gelben Augen absuchte, die wir alle fürchteten. Gleichzeitig war ich in Sorge, dass ich mit meiner Lampe nur die Sicht meines Fährtenlesers störte; die Tracker verwenden nie eine Taschenlampe.

An diesem ersten Safari-Tag war ich sehr unglücklich in eine Elefantenfährte getreten, die gut einen halben Meter tief war. Erst dachte mir nichts dabei, denn es schien nicht weiter schlimm, doch jetzt, im Eilschritt, merkte ich wie sich mein Wadenmuskel verkrampfte. Später am Abend hatte ich heftige Schmerzen im rechten Fußgelenk und in der Wade. Die Elefantenfährte hatte eine sehr spürbare Verletzung hinterlassen. Das verhieß nichts Gutes, denn auf der Jagd nach Bü eln würden wir täglich 10 bis 12 Meilen zu Fuß zurücklegen. Verdrossen sagte ich mir, dass ich mich mit den Schmerzen arrangieren musste, da es seine Zeit brauchen würde, bis sich der Knöchel erholte. Auch solche unerwarteten Drehungen und Wendungen samt Schmerzen gehören zu einer Safari.

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„ Er führte uns gegen den Wind im Bogen heran. Während wir vorsichtig eine bessere Position ansteuerten und sich unsere Augen mit dem Bild vertraut machten, wurde die Herde immer größer. Bestimmt waren es mehrere hundert Tiere. „

In den Gegenden, in denen wir jagen wollten, gab es nur wenige Wege. Manchmal konnten wir mit dem Boot etwas näher herankommen, aber größtenteils waren wir zu Fuß unterwegs. Nach vielen Meilen und mehreren Tagen sichteten wir endlich mehrere Bü el-Bullen. Ein hübscher Trupp „Dagga- Boy“, kein Zweifel, aber es wurde bereits spät. Dank der vielen Flüsse im Caprivi sind die Bü el meistens mit Schlamm bedeckt, und der Schlamm heißt bei den Einheimischen „dagga“. Auf dieser Safari erfuhr ich aus erster Hand, wie die Bezeichnung „Dagga-Buben“ zustande kam. Mit unseren Ferngläsern beobachteten wir alle eine Zeitlang schweigend die Bü el durch den dichten Busch. Auf jeden Fall gab es einige guter Bullen in dieser Gruppe. Meinem in Sachen Bü el ungeübten Auge kamen sie besonders schön vor. Doch die Sonne war bereits am Untergehen und uns wurde klar, dass einfach nicht genügend Zeit blieb, ein Anpirschen auf die Junggesellenherde auch nur ansatzweise zu versuchen. Etwas enttäuscht machten wir uns auf den langen Weg zurück zum Camp. Ich wusste bereits vor dieser Jagd, dass die Bü el ständig zwischen den Parks umherziehen und die vielen Flussläufe überqueren. Dennoch fällt es nicht so leicht, zu akzeptieren dass man womöglich mehrere Tage lang überhaupt keinen Bü el zu Gesicht bekommt. Aber ich war entschlossen, jede Minute der zehn Tage, die mir an diesem herrlichen Ort zur Verfügung standen, voll auszukosten – ob ich nun mit einem verstauchten Fuß daher humpelte oder keinen passenden Bullen fand.

Am nächsten Tag erwies sich endgültig, dass die Bü el-Bullen erstaunlich weit umherziehen. Wie an fast jedem Morgen brachen wir sehr früh zu Fuß auf, um den ganzen Tag im Busch zu verbringen. Gysbert, sein Tracker Cassius, Kundschafter Joseph und mein Kamera- „Mann“ Janine. Der Pfad sorgte für einige Aufregung, da wir ungewollt einer Leopardin mit einem Jungen folgten. Die Spur war sehr frisch und ich fragte mich, ob Vorsicht angezeigt sei. Aber keiner der anderen machte sich Sorgen und wir blieben bei unserem üblichen Eiltempo. Gysbert erspähte sie als erstes: es schienen etliche Bü el zu sein. Er führte uns im Bogen heran, damit wir uns gegen den Wind näherten. Während wir vorsichtig eine bessere Position ansteuerten und sich unsere Augen mit dem Bild vertraut machten, wurde die Herde immer größer. Bestimmt waren es mehrere hundert Tiere. Es herrschte Trockenheit, und die Pfannen und Auen, in denen sonst Wasser steht, waren ausgetrocknet. Wir konnten unbemerkt eine Insel im Trockenen erreichen, von der wir einen besseren Blick auf die Herde hatten. Ohne lange zu fackeln stellte mein Berufsjäger die Schießstöcke auf und zeigte mir den besten Bullen.

Die Herde bewegte sich beim Äsen stetig auf unsere rechte Seite zu. Ich stellte rasch meinen Sucher ein, sehr zum schweigenden Missfallen meines Berufsjägers, und machte mich mit meiner .416 Ruger schussbereit. Während der kapitale Bulle sich langsam voran bewegte, platzierte ich meinen Schuss direkt hinter seine rechte Schulter. Der Bulle machte einen Satz nach vorn, was von einem guten Tre er spricht, und rannte los um Deckung zu suchen. Da er sich dem Unterholz näherte, schossen wir beide und warteten dann ein Weilchen. Die beiden Folgeschüsse hatten ebenfalls ihr entschwindendes Ziel getro en. Die ganze Herde war auf der Flucht und jetzt erst wurde deutlich, wie unglaublich viele Bü el es waren. Wie ein lärmender Frachtzug donnerten sie über die Ebene und durch kleine Bäche davon. Als sich der Staub gelegt hatte, kamen wir zu dem Schluss, dass es 400 Bü el gewesen sein mussten. Ich hatte Gänsehaut von der wilden Flucht und kam gerade erst wieder zu mir, als wir das bezeichnende Todesbrüllen hörten. Ich hörte es zum ersten Mal und kann nur sagen, dass es ein unvergesslicher Moment war. Ein Moment, der meiner Ansicht nach einen Meilenstein in der Karriere eines Jägers darstellt.

Unsere hervorragenden Tracker wurden nicht gebraucht. Der Bulle lag weniger als 100 Meter entfernt und war schnell gefunden.

Die Bergung eines kapitalen Bü els an einer abgelegenen Stelle ist alles andere als einfach. Wir mussten möglichst nahe mit einem Fahrzeug herankommen, und das dauerte Stunden. Erst ging es zum Camp zurück und von dort in einem der Boote ussabwärts zum Fahrzeug. Damit fuhren wir durch ein anderes Hegegebiet zu unserem Bü el. Der Tracker, den wir dort zurückgelassen hatten, wartete klugerweise ein ganzes Stück vom Ort des Geschehens entfernt, denn wir hatten frische Löwenspuren in der Nähe gesehen.

Zurück beim Camp begann das Zerlegen der Beute, damit das Fleisch an die Dorfbewohner verteilt werden konnte. Dabei passierte das Witzigste, das ich in meinem Leben als Jäger je gesehen habe. Der Bulle hatte mehrere Stunden in der Sonne gelegen. Einer der Abdecker schnitt beim Abhäuten etwas zu tief, nämlich in den geblähten Pansen. Das Gas, das sich darin angestaut hatte, explodierte mit solcher Wucht, dass es dem Abdecker die Kappe vom Kopf riss! Wir alle lachten herzlich über sein Missgeschick. Gegen Abend machten wir uns mit dem Fleisch auf den Weg zu einem der Gebäude der Hegegemeinschaft, wo alle Dorfbewohner ihren Teil bekamen. Viele von ihnen dankten uns, und ich machte Bilder von ihnen und den Kindern. Was für ein wunderbarer Abschluss für eine unvergessliche Bü eljagd.

Etwas später, als ich über diese Jagd nachdachte, stellte ich fest, dass sie meine Träume weit übertro en hat. Auf Furcht und Verletzung am Anfang folgte Staunen und tiefe Ehrfurcht vor der Natur und Gottes Schöpfung. Ich kann ehrlich sagen, dass es genau das ist, worum es bei einer Safari geht. Jeder, der das Glück hatte, in Afrika gewesen zu sein, wird bestätigen, dass die Planung des nächsten Abenteuers beginnt, kaum dass die Jagd vorbei ist. Was mich betri t: ich werde von Namibia träumen solange ich lebe.

Dieser Artikel wurde erstmals in der 2017 Deutsch-Ausgabe von HUNTiNAMIBIA veröffentlicht.