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Das Ballett der Natur

Ich erinnere mich noch an den Tag, an dem ich meinen ersten Klippspringer erlegte. Ich war damals 9 oder 10 Jahre alt. Frühmorgens waren mein Vater und ich in die Granitfelsen hinter unserem Haus gestiegen. Als wir oben auf dem Berg angekommen waren und nach einem geeigneten Aussichtspunkt suchend um einige Felsen herumkamen, standen wir plötzlich keine 50 Meter von einigen Klippspringern entfernt. Mein Vater hatte schnell den Bock ausgemacht und ohne lange zu fackeln legte ich mit der .22 Hornet an. Der Bock lag im Feuer. Als wir an ihn herantraten, standen wir vor einem guten alten Bock. Hagen Denker

Diese Geschichte wurde erstmals im Erongo Verzeichnis 2015 veröffentlicht.
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K lippspringer leben paarweise oder in So hatte ich Klippspringer zuvor noch waren in einem unübersichtlichen Gebiet kleinen Familienverbänden, die meist aus einem Bock mit Ricke und ein oder zwei Jungen aus den Vorjahren bestehen. Selten sieht man ganz frischen Nachwuchs, da er bis zu drei Monate versteckt gehalten wird – wohl hauptsächlich um ihn vor allem vor Raubvögeln zu schützen.

Da Klippspringer sehr territorial sind, und die Böcke ihre Territorien und Gefährten gegen Eindringlinge der eigenen Art verteidigen, müssen die jungen Böcke bald nach der Geschlechtsreife ihre eigenen Wege gehen. Nachdem sie die Mutter verlassen haben, streifen sie eine Weile umher, bis sie ihr eigenes Territorium etablieren können. Territorien, die bei hoher Populationsdichte recht klein sind, werden oft durch „Gemeinschaftstoiletten“ begrenzt, auf denen Klippspringer sich ausschließlich lösen.

Eines Nachmittags war ich mit meinem Onkel und meiner Tante auf „unser“ Hochplateau gestiegen. Wir saßen am Rand des zerklüfteten Plateaus und konnten in der warmen Nachmittagssonne einen kleinen Kessel unter uns einsehen, durch den sich ein Trocken uss zieht. Neben dem Rivier ist im Kessel eine kleine Frei äche, auf der spärliches Gras steht.

Schon als wir uns hinsetzten, sahen wir zwei junge Kudu-Bullen auf dieser Frei äche. Bald kamen zwei Klippspringer dazu. Ich hatte einmal gehört, dass Klippspringer, wenn sie nicht auf hartem Untergrund sind, wie auf Eiern laufen würden. Das war hier aber nicht der Fall: die Klippspringer zogen gemächlich auf die sandige Fläche.

So hatte ich Klippspringer zuvor noch nicht gesehen, in vollkommener Ruhe und Gelassenheit, neben den übergroß wirkenden Kudus. Selbst als die Kudus zu kämpfen an ngen, schienen die Klippspringer sich nicht daran zu stören und ästen weiter an irgendwelchen Pflanzen am Boden. Nach einer Weile verschwanden sie dann auf der anderen Seite des Kessels im Granit.

Solche Begebenheiten sind auf der Klippspringerjagd aber die Ausnahme. Klippspringer sind ein scharfäugiges, ungemein aufmerksames Wild, das man meistens erst dann bemerkt, wenn man die typischen Warnp e hört, die nebenbei auch die gesamte Umgebung alarmieren. Und selbst dann ist es noch lange nicht gesagt, dass man die Klippspringer auch sieht. Klippspringer sind durch ihre eigenartige, granit-ähnliche Färbung nur sehr schwierig auszumachen. Obendrein können Klippspringer ewig lange wie eine steinerne Statue auf irgendwelchen erhöhten Posten verharren und äugen. Man muss oft sehr lange glasen um diese feine Antilopenart zu erblicken, und meistens sieht man sie dann nur in weiter Ferne.

Vielleicht am eindrucksvollsten ist jedoch die Art, wie sich diese Kleinantilopenart in solch schro em, schwierigem Gelände bewegt.

Mit welch atemberaubender Geschwindigkeit und untrüglichem Vertrauen in die eigenen Künste sich Klippspringer in ihrer Welt, der Granit- und Gebirgswelt, bewegen!

Ich erinnere mich an ein Erlebnis eines Nachmittags im Erongo-Gebirge. Wir mit Millionen Jahre altem Granitgestein unterwegs, durchsetzt mit dichter und dorniger Vegetation.

Als wir über eine kleine Kuppe hinwegpirschten, hörten wir die Warnpfiffe von Klippspringern, und kurz darauf
ogen am gegenüberliegenden Hang drei Klippspringer über eine Felsplatte. Es ging so schnell, dass man eigentlich nur ein paar Schatten gewahrte. Gleich darauf sahen wir auch schon den Verursacher des Spektakels: ein Leopard! Der Leopard jedoch war an der Kante der Felsplatte stehengeblieben, da es ihm vielleicht doch zu halsbrecherisch erschien, von dort seiner Beute zu folgen. Einige Augenblicke schaute er den warnenden Klippspringern noch hinterher und machte sich dann – dieses Mal erfolglos – über die Felsplatte zurück davon. Die Klippspringer p en noch eine Weile, hatten sich aber bald wieder beruhigt.

Ich weiß bis heute nicht wie die Klippspringer in solcher Geschwindigkeit unverletzt über die Felsplatte hinabkamen – es war höchst beeindruckend.

Immer wenn ich Klippspringer sehe, habe ich das Gefühl, einem Ballett der Natur zuzuschauen: in ihrer Weise grazil, mit scheinbar steifen Läufen, bewegen sie sich auf Zehenspitzen durch schwierigstes Felsengelände, überspringen tiefe Spalten oder stehen an den steilsten Abgründen – und all das mit einem Vertrauen und einer Selbstverständlichkeit wie sie nur ein Tier haben kann.

Wo man auch hinkommt, auf kleinen Granitrücken oder im hohen Gebirge: überall sind Klippspringer anzutreffen.

Ihre hartgummi-ähnlichen Hufe sind einmalig. Über Jahrhunderte hinweg haben sich Klippspringer soweit angepasst, dass sie auf den Hufspitzen laufen und dadurch ein unglaubliches Gefühl und Griffigkeit besitzen. Deshalb nden Klippspringer mit Leichtigkeit an den unmöglichsten Stellen Halt. Man kann sie an den kühnsten Plätzen erblicken, wo selbst der König der Gebirgswelt, der Große Kudu, nicht zu nden ist. Sie leben in einer grenzenlosen Freiheit und haben wenige natürliche Feinde – etwa den heimlichen Leopard, dessen Hauptbeute sie sind, oder den Herrn der Lüfte, der Ka ernadler, und bei Unvorsichtigkeit auch tiefe Abgründe. Doch selbst hier hat die Natur vorgesorgt: die Haare in der Decke der Klippspringer sind sehr lose in der Haut verwurzelt, so dass ein Leopard oder Raubvogel „abrutschen“ kann und oft nur ein Bündel Haar zwischen den Krallen behält. Auch sind die Haare wie kleine Röhrchen innen hohl und dienen als gutes Polster bei Stürzen und als Isolation gegen Kälte in hohen Gebirgsregionen.

Alle diese Eigenschaften – scharfe Augen, unglaubliche Gewandtheit und Anpassung im Gelände – machen Klippspringer auch für einen weiteren natürlichen Feind, den Menschen, zu einem äußerst reizvollen Jagdwild.

Da es vielleicht nicht lohnt, „nur“ für einen Klippspringer nach Afrika zu reisen, kann man die Jagd auf den Klippspringer hervorragend mit einer Jagd auf den Großen Kudu oder den Leopard – die sich beide den Lebensraum mit dem Klippspringer teilen – verbinden.

Für die Jagd auf den Klippspringer sollte man viel Geduld mitbringen. Frühmorgens steigt man auf einen erhöhten Aussichtspunkt und beginnt die Umgebung abzuglasen. Das sollte mit äußerster Gründlichkeit getan werden. Klippspringer sonnen sich morgens meistens in den ersten Sonnenstrahlen, vor allem nach kalten Winternächten. Obwohl sie dann auch selbst sehr aufmerksam beobachten, sind sie einfacher zu sehen. Sobald man einen Klippspringer erblickt hat, sollte man ein erstes Ansprechen versuchen. Ein Fernglas mit hoher Vergrößerung oder gar ein Spektiv scheinen auf den ersten Blick hilfreich. Sobald sich der Granit erhitzt, hat man jedoch so starke Luftverzerrungen, dass man nicht mehr viel erkennen kann.

Als erster Schritt sollte ein Bock ausgemacht werden. Wenn er für weiteres Ansprechen zu weit entfernt ist, beginnt die Pirsch. Hier sollte unbedingt bedacht werden, dass Klippspringer sehr aufmerksam sind: daher immer in Deckung bleiben. Oft wird man Bereiche großräumig umschlagen müssen. Erschwert wird die Pirsch natürlich durch das oft kaum zugängliche Gelände, das andererseits aber gute Deckung bietet. Alles in allem eine anstrengende Angelegenheit!

Wenn man dem Wild etwas näher gekommen ist, sollte versucht werden den Bock aufs Alter anzusprechen. Robuster, wohlgeformter Körperbau ist ein erstes Zeichen eines ausgewachsenen, reifen Klippspringers. Das beste Altersmerkmal sind jedoch die Hörner. Klippspringer haben relativ glatte, gerade Hörner, die etwa Lauscherhöhe erreichen. Im unteren Bereich sind sie bei reifen Böcken fein geri elt, bei jungen Böcken glatt. Bei alten Böcken, die über den Zenit hinaus sind, erscheint noch ein zweiter Wachstumsschub, der bei kapitalen Exemplaren durchaus 2-3 cm betragen kann. Diesen Schub kann man gut daran erkennen, dass das geri elte Teil vom Horn nach oben geschoben wird und somit eine prominente Wulst im Horn bildet. Weiterhin weisen die Hörner bei zunehmendem Alter Abnutzung auf, die Spitzen sind nicht mehr scharf und die Ri elung ist durch Fegen verwaschen.

Hat man einen solchen Bock vor sich, hat sich die Pirsch gelohnt. Wenn der Bock zu jung ist, oder man ihn nicht wieder nden konnte, geht die Jagd weiter. Bei alten territorialen Böcken kann man sich auf das gleiche Gebiet konzentrieren, indem man morgens und nachmittags geduldig abglast. Mittags hat die Pirsch wenig Sinn, da die Klippspringer dann meist irgendwo im Schatten stehen und umso schwieriger auszumachen sind.

Natürlich kann man heutzutage mit modernster Technik auch auf unrealistische Entfernungen Klippspringer erbeuten, aber das hat meiner Meinung nach mit Jagd wenig zu tun.

Wie jedem Jagdwild sollte man auch dem Klippspringer gerecht werden und versuchen, ihn trotz all seiner Finesse zu überlisten.

Gute Technik sollte nur dazu verwendet werden, einen Klippspringer aus ndig zu machen und möglicherweise anzusprechen.

Das Wichtigste sollte jedoch sein, die Freiheit des Klippspringers zu spüren: von den höchsten Höhen in die tiefsten Schluchten schauen und den Blick in die endlose Ferne gleiten lassen, durch scheinbar unüberwindbares Gelände klettern, und dann und wann die haarsträubende Furcht des Stürzens erleben. All das beinhaltet die Pirsch auf den Klippspringer.

Wenn man das erlebt hat und vielleicht sogar das Glück hatte, am Ende des Tages einen alten Klippspringer in irgendwelchen einsamen Gebirgshöhen zu erlegen, dann weiß man, dass man zwar vielleicht kein „königliches“, aber doch ein ikonisches Wild der afrikanischen Bergwelt erbeuten konnte.

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