Der Riese aus dem Laubwald

von Sebastian Fechter

Wir sitzen im heißen Sand. Es ist bereits Anfang April, dennoch brennt die Sonne erbarmungslos auf uns herab.

Hinter mir sitzt Poldi. Er ist zum zweiten Mal in Namibia zu Besuch und weiß mittlerweile, dass auch in Afrika die sengende Hitze und die stechenden Fliegen irgendwann ein Ende haben.

In solchen Situationen wünscht man sich manchmal, die Zeit doch lieber mit einem eiskalten Gin Tonic im Pool zu verbringen. Als ich mich kurz zu Poldi umdrehe, erfreut mich der Anblick seiner edlen Doppelbüchse im Kaliber .470 NE.

Ich muss an die spannende Büffeljagd der letzten Tage in der Zambezi Region (ehemals Caprivi) denken und bin schlagartig wieder bei der Sache!

Poldi wollte nach seiner Büffeljagd versuchen, auf einen sehr starken Eland zu waidwerken. Das Ziel war, bis auf kurze Distanz heranzupirschen, um mit der .470 einen tödlichen Schuss über Kimme und Korn anzubringen. Eine echte Herausforderung!

Doch ich war guter Dinge. Wir entschieden uns für ein 15.000 Hektar großes Jagdgebiet direkt angrenzend an das sogenannte Buschmannland im Nordosten Namibias.

Dort hatte ich zuvor schon mit anderen Jagdfreunden auf Eland gejagt und war mir ziemlich sicher, dass es im Laubwald dieses Jagdgebiets mit einem starken Bullen klappen könnte.

„Am ersten Vormittag fanden wir glücklicherweise vielversprechende Fährten einer kleinen Gruppe Elandbullen und nahmen sie sogleich auf. Im dicken Sand waren die Fährten problemlos zu verfolgen, und es stellte sich schnell heraus, dass mindestens ein starker Bulle dabei sein musste.“

FRISCHE FÄHRTEN

Am ersten Vormittag fanden wir glücklicherweise vielversprechende Fährten einer kleinen Gruppe Elandbullen und nahmen sie sogleich auf. Im dicken Sand waren die Fährten problemlos zu verfolgen, und es stellte sich schnell heraus, dass mindestens ein starker Bulle dabei sein musste. Insgesamt vermuteten wir vier Bullen.

Zuerst führten die Fährten in ein kleines, aber dichtes Stück Laubwald, typisch für diese Gegend. Anhand der Fährten war zu erkennen, dass die Elands sich hier eine ganze Weile aufgehalten und geäst haben mussten. Frische Losung bringt Hoffnung, und so folgten wir der Fährte weiterhin mit höchster Aufmerksamkeit. Plötzlich kann ich zwischen ein paar halbhohen Laubbüschen ein im Schatten stehendes Stück Wild ausmachen!

Wir gehen allesamt vorsichtig in die Hocke, und ich erkläre Poldi, wo ich etwas gesehen habe und dass ich zumindest einen der Bullen vermute.

DAS BERÜHMTE KLICKEN

„Das muss die Gruppe sein“, flüstere ich Poldi zu. Der Wind ist zum Glück passend von vorne, und somit verharren wir ein paar Minuten, um zu schauen, ob wir noch weitere Stücke ausmachen können.

Dann höre ich ein kurzes Klicken, ein Geräusch, bei dem ich immer aufs Neue Gänsehaut bekomme. „Da ist es wieder, hörst du, Poldi? Klick… Klick.“

Nun können wir erkennen, wie sich der Bulle langsam aus den Büschen nach rechts bewegt. Ein mächtiger Wildkörper schiebt sich gemächlich durch den dichten Bewuchs. Durch mein Glas kann ich die Stärke der Trophäe nur erahnen, doch ich bin überzeugt, dass es eine beeindruckende ist und flüstere zu Poldi: „Das muss ein starker Bulle sein!“

Die beiden Fährtenleser John und Gideon lassen wir zurück und versuchen nun, uns in geduckter Haltung parallel zu dem Bullen nach rechts zu bewegen. Er ist nur knapp fünfzig Meter vor uns in den Büschen am Äsen, doch er ist regelrecht unsichtbar. Mit einem Mal ist kein Klicken mehr zu hören und auch nichts von dem Bullen zu sehen. Er muss sich erneut in den nächstbesten Schatten eingestellt haben.

Äußerst vorsichtig und mit allen Sinnen nach vorne gerichtet, arbeiten wir uns kriechend im dicken Sand vorwärts. Ich versichere Ihnen, lieber Leser: Dornen und spitze Steine sind unangenehm genug, doch dieser heiße Sand in der Mittagshitze fühlt sich an wie eine Herdplatte auf der höchsten Stufe!

Als wir nach etwa dreißig Metern noch immer keinen Eland ausmachen können, wage ich es, mich langsam zu erheben, um etwas Ausschau halten zu können

AUGE IN AUGE

Ich habe mich noch nicht komplett aufgerichtet, als ich keine zwanzig Meter vor uns die Stangen und das massive Haupt eines Elandbullen erkenne! In Zeitlupe knie ich mich wieder zu Poldi hinunter und flüstere ihm ganz leise zu: „Direkt vor uns steht ein riesiger Bulle, spitz zu uns gerichtet, ich weiß jedoch nicht, ob er uns schon bemerkt hat. Wir warten ein paar Minuten, dann kannst du dich ganz langsam aufrichten. Er wird dich vermutlich sehen. Sobald du eine Chance hast, schießt du ihm direkt auf den Stich!“

Poldi sammelt sich kurz und lässt sich die Situation durch den Kopf gehen, dann ist er bereit.

Ich gebe ihm mit der Hand ein Zeichen, dass er jetzt langsam aufstehen kann. Halb im Anschlag und mit leicht zitternden Knien richtet sich Poldi in Zeitlupe auf. Ich versuche ebenfalls, mich schräg hinter ihm aufzurichten. Mein Herz schlägt mir bis in die Ohren. Es ist unvorstellbar, wie angespannt man ist, wenn man sich mit viel Mühe so nah an ein so scheues und wachsames Wild herangepirscht hat. Jetzt müssen wir die Nerven behalten! Eine falsche Bewegung, und die enorme Antilope wird unmittelbar das Weite suchen.

Als ich erkenne, dass der Eland in unsere Richtung sichert, geht plötzlich alles ganz schnell!

Poldi geht in Anschlag, richtet sich komplett auf und findet über Kimme und Korn sein Ziel. Ich sehe, wie der Bulle Haupt und Träger noch einmal höher streckt, um uns besser zu erkennen. Genau in diesem Moment bricht der laute Donner der .470 Nitro Express!

Der Bulle quittiert das schwere Geschoss der Doppelbüchse und zuckt vorne deutlich zusammen, dann dreht er sich direkt schräg nach links weg. Als Poldi den Bullen auf circa vierzig Metern in einer Lücke zwischen den Büschen frei hat, lässt er auch dem zweiten Schuss gewissenhaft freien Lauf. Er sitzt ebenfalls perfekt, dringt auf der letzten Rippe in den Wildkörper ein und findet seinen Weg nach vorne in die Kammer.

Der starke Bulle trabt noch wenige Meter, und schließlich können wir ein lautes Krachen und Knacken im Gebüsch vernehmen. Der Bulle liegt.

UNBESCHREIBLICHE MOMENTE

Wir können beide kaum glauben, was hier gerade passiert ist. So stehen wir erst einmal ein paar Minuten still da und lauschen gespannt in den Dickbusch. Gideon und Johnny kommen mit hohen Erwartungen vorsichtig zu uns herüber. Beide lächeln und klopfen Poldi auf die Schulter – ein gutes Zeichen!?

Alles ist totenstill, nur die lauten Zikaden setzen ihr schrilles Gezirpe weiter fort. Es scheint, als wäre der Bulle verendet. Wir gehen langsam in Richtung der letzten Geräusche und halten Ausschau nach Schweiß auf dem sandigen Untergrund. Schweiß finden wir nicht, jedoch sind die Trittsiegel der mächtigen Antilope deutlich auszumachen.

Nach etwa siebzig Metern stehen wir plötzlich neben einem gewaltigen Wildkörper. Poldi kniet sich voller Ehrfurcht neben das erlegte Stück und betrachtet mit Freudentränen die beeindruckende Trophäe. „Das ist echt ein Riese!“, sagt er. Ich stimme ihm zu und klopfe ihm ordentlich auf die Schulter. „Den hast du dir wirklich verdient, Poldi! So etwas erlebt man nicht alle Tage.“

Der Riese aus dem Laubwald wird uns garantiert noch ewig in Erinnerung bleiben. Trotz des brennend heißen Sandes, trotz der stechenden Fliegen und trotz des Aufwands, den man betreiben muss, um ein solches Stück Wild in Anblick zu bekommen, könnte ich vermutlich jeden Tag auf alte Elandbullen jagen.

Die Elandantilope ist einfach eine absolut faszinierende Wildart! Man kann versuchen, sie zu beschreiben, doch man muss sie auf alle Fälle einmal erleben!

Dieser Artikel wurde erstmals in der 2026 Deutsch-Ausgabe von HUNTiNAMIBIA veröffentlicht.

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