Die Erkenntnisse eines Jägers über Natur, Tradition und Naturschutz

Hagen Denker

Am letzten Tag einer Safari in der vergangenen Saison saßen wir auf einem kleinen Granitrücken mit Blick auf ein sanftes Tal. Oftmals stelle ich es mir als die fossilen Schwemmländer des uralten Khan Trockenflusslaufes vor.

Ich befinde mich in einem Zustand tiefer Zufriedenheit. Ich bin vollkommen entspannt und genieße jeden Aspekt der Szenerie vor uns. Es ist ein kühler früher Abend spät im Juli. Die Sonne steht nahe der Spitzkoppe knapp über dem Horizont und taucht alles in das sanfteste Licht.

Nicht weit unter uns im Tal suchen zwei oder drei Mahali Weber am Boden nach einem späten Abendessen. Ab und zu fliegen sie zu dem Baum mit ihren Nestern und kehren kurz darauf wieder zurück. Der Trauerdrongo, der ihnen folgt, hat es vermutlich auf die Insekten abgesehen, die von den großen Webern beim Herumhüpfen auf dem Boden aufgescheucht werden. Zwischen seinen Beutezügen nach Insekten hockt der Drongo auf einem Busch und gibt – wie üblich – seinen sehr vielseitigen Gesang zum Besten. Ich staune immer wieder, wie der Trauerdrongo andere Vögel und sogar eine miauende Katze nachahmt.

Plötzlich gesellt sich ein Gelbschnabel-Toko-Paar zu der Futterrunde. Es ist eine Szene von solch natürlicher Harmonie, dass mich ein Gefühl tiefer Dankbarkeit überkommt: Dankbarkeit dafür, einen Ort wie diesen mein Zuhause nennen zu dürfen und die Natur so unverfälscht erleben zu können. Und dass ich an einer Tradition teilhaben kann, die so alt ist wie die Menschheit: der Jagd.

Wir sind auf dem Granitkamm, um einen letzten Versuch zu unternehmen, eine Braune Hyäne zu erlegen. Bisher hatten wir sehr erfolgreich gejagt und alte Trophäenträger in ihrem natürlichen Lebensraum auf einer fairen Pirsch zu Fuß erlegt. Mein Jäger, Georg, wollte auch eine Hyäne erbeuten – jedoch nicht auf die traditionelle Art und Weise an einem Luder. Er wollte es eher dem Zufall überlassen.

„Es ist eine Szene von solch natürlicher Harmonie, dass mich ein Gefühl tiefer Dankbarkeit überkommt: Dankbarkeit dafür, einen Ort wie diesen mein Zuhause nennen zu dürfen und die Natur so unverfälscht erleben zu können.”

Bei einer früheren Jagd in dieser Saison hatten wir aus einiger Entfernung beobachtet, wie ein Leopard (wir hatten auf dieser Safari vier Leoparden-Sichtungen am helllichten Tag) versucht hatte, einen jungen Pavian auf dem Granitrücken zu fangen, auf dem wir jetzt saßen. Als die anderen Paviane merkten, was geschah, drehten sie den Spieß um und jagten den Leoparden zwischen den Felsblöcken und Spalten umher. Es war ein gewaltiger Tumult mit viel Pavian-Gezeter und Leoparden-Geknurre. Plötzlich ergriffen alle kleineren Paviane die Flucht, während die größeren um eine große Felsspalte herumstanden. Eine große Staubwolke kam aus der Spalte, und im nächsten Moment schoss der Leopard daraus hervor und sprang davon, die drei größten Paviane dicht auf seinen Fersen. Nach etwa 400 Metern verschwand der Leopard im Gebüsch und die Paviane ließen von ihm ab.

Wir konzentrierten uns wieder auf unser eigentliches Wild, einen Kudu. Erst später, nachdem wir keinen Bullen gesichtet hatten, beschlossen wir, uns den morgendlichen Schauplatz näher anzusehen. Als wir uns der Felsspalte näherten, aus der der Leopard gesprungen war, hörten wir Geräusche, als ob sich etwas am Granit entlang bewegte. Ich nahm an, dass es sich um den verletzten Pavian handelte, den sich der Leopard geschnappt hatte, und spähte vorsichtig in die Felsspalte. Ich sah gerade noch ein dunkles Wesen tiefer in der Spalte verschwinden. Ein stechender Geruch drang aus dem recht engen Loch. Es gab jedoch keinen Schweiß. Aber am Eingang der Spalte fanden wir die Spuren einer Braunen Hyäne auf einem pulverigen kleinen Sandfleck.

Innerlich musste ich schmunzeln, als ich mir vorstellte, wie sich die Braune Hyäne gefühlt haben muss, als plötzlich ein Leopard in ihrem Wohnzimmer landete, und wie sie beschloss, dass ihre Ruhe zur Genüge gestört worden war. Die Staubwolke muss in dem Moment aufgestiegen sein, als Leopard und Hyäne ein kurzes Handgemenge hatten und der Leopard sich trollen musste.

Aufgrund dieser Begebenheit beschloss ich, dass wir hier auflauern würden – in der Hoffnung, dass sich die Hyäne in der Höhle aufhielt und vor Einbruch der Dunkelheit zum Vorschein kommen würde. Zwar ließ sie sich nicht blicken, aber dieser Abend war der perfekte Abschluss einer erfolgreichen Safari. Einmal mehr musste ich daran denken, wie glücklich ich mich schätzen kann, dass es mir möglich ist, Jagdsafaris in meinem eigenen Jagdgebiet anzubieten, wo man langfristige Ziele verfolgen und wirklich nach den Grundsätzen der Nachhaltigkeit und der fairen Jagd handeln kann.

Dennoch zieht es mich auch immer wieder in die großen Jagdgebiete der kommunalen Hegegebiete oder Konzessionen. Im unserem modernen Zeitalter der Jagd, in dem alles von geschäftlichen und gewinnoptimierenden Zielen unterwandert wird, ist kein Platz mehr für echtes Abenteuer – jedenfalls nicht in den Augen von jemandem, der in diesen Gebieten aufgewachsen ist, als sie noch weitgehend wild und unberührt waren. Ich kann nicht anders, als in Erinnerungen zu schwelgen, die ich als Junge und junger Mann im damaligen Buschmannland gesammelt habe, gerade bei Begebenheiten wie dem Erlebnis mit der Hyäne oder dem Leoparden.

Als ich 11 oder 12 Jahre alt war, verbrachten wir die Schulferien im Hegegebiet Nyae Nyae, wo mein Vater die Jagdrechte besaß. Der Jäger im Camp hatte eine Tüpfelhyäne verwundet, und mein Vater erlaubte mir, an der Nachsuche teilzunehmen, wenngleich natürlich nicht in vorderster Reihe. Zwei der San (Buschmann) Fährtenleser waren angewiesen worden, mich ständig an ihrer Seite zu behalten, während wir den anderen folgten, die der Hyäne auf der Spur waren. Für mich jungen Burschen war das ein überaus spannendes Erlebnis.

Anfangs ging die Verfolgung nur langsam voran, aber ich erinnere mich, als die Spur heiß wurde, wie ich mich den Fährtenlesern an die Fersen heftete und den Schweiß der Hyäne an meinen Schienbeinen spürte, während wir durch das Gestrüpp eilten. Dann wiederum kamen wir erneut nur langsam voran, weil die Hyäne in Erdferkelbauten verschwand und wir zu graben anfingen, um die Gänge zu öffnen – nur um Stunden später festzustellen, dass die Hyäne bereits durch einen zweiten Ausgang verschwunden war. Und weiter ging die Verfolgung. Am Ende war die Hyäne fast dorthin zurückgekehrt, wo wir am Morgen aufgebrochen waren, und mein Vater konnte sie von ihrem Elend erlösen. Das alles war in meinem jungen Alter eine prägende Erfahrung und eine Lektion in Sachen Ausdauer und nicht locker lassen.

Sieben oder acht Jahre später begleite ich meinen Vater auf einer Elefanten-Safari. Es war ein langer Tag, den wir zu Fuß auf der Suche nach Elefanten verbracht haben. Auf dem Rückweg stoßen wir auf ein kapitales Warzenschwein, das am späten Nachmittag auf einer kleinen Lichtung bricht. Der Jäger zielt auf den Keiler und trifft. Doch das Warzenschwein geht nicht zu Boden, sondern flüchtet in den Busch. Da die Sonne bereits untergeht, können wir die Spur im schwindenden Licht nicht lange halten und beschließen, am nächsten Morgen zurückzukommen.

Früh an jenem Morgen erhalte ich den Auftrag, zusammen mit zwei Fährtenlesern dem verwundeten Warzenschwein zu folgen, derweil mein Vater mit dem Jäger und anderen Fährtenlesern die Elefantenjagd fortsetzt.

Die erste Stunde lang können wir der Fährte relativ leicht folgen. Der Sand ist weich und es ist etwas Schweiß da, wenn auch nicht viel. Dann jedoch wird der Boden härter und es ist fast kein Schweiß mehr zu sehen, nur alle paar Meter ein Tropfen. Wir kommen nicht wirklich voran. Obendrein treffen die Spuren des Keilers auf die einer Bache, und beide verschwinden in einem Erdferkelbau.

Ich erinnere mich, dass ich ein Wiedererleben der oben geschilderten Hyänengeschichte hatte und bereits davon ausging, dass wir zu graben beginnen müssen. Die Fährtenleser – die an jenem Tag hervorragende Arbeit leisten – sind jedoch der Meinung, dass das Warzenschwein nicht so schwer verwundet wurde und nur für die Nacht in den Bau gegangen ist. Deshalb umkreisen wir das Gebiet und finden bald den Abgang und winzige Tropfen trockenen Schweißes. Das Warzenschwein scheint nicht in allzu schlechter Verfassung zu sein, und als es auf Mittag zugeht, beschließen wir, nicht viel mehr Zeit mit der Nachsuche zu verbringen.

Nach einer weiteren halben Stunde wird der Sand wieder weicher und die Vegetation verändert sich.

Wir bewegen uns auf eine Wasserstelle zu und beschließen, dort mit der Nachsuche aufzuhören, es sei denn, wir finden zuvor das Warzenschwein wider jeglicher Erwartung. Während wir das Vorgehen unterwegs auf der Fährte besprechen, kommen wir an eine Stelle, an der auf einer großen Fläche der gesamte Boden aufgewühlt ist. Kleine Büsche sind entwurzelt: Hier hat vor nicht allzu langer Zeit ein mächtiger Kampf stattgefunden. Bei näherer Betrachtung stellen wir fest, dass das Warzenschwein mit einem großen männlichen Leoparden zusammengestoßen ist, der es natürlich zu fangen versucht hat. Nach den eindeutigen Beweisen zu urteilen, muss es ein ziemlich heftiger Kampf gewesen sein, und wir wissen noch nicht, ob der Leopard gewonnen hat oder ob der Keiler entkommen ist.

Wir versuchen herauszufinden, wohin sich der Kampf verlagert hat. Kurz darauf gelangen wir zu dem toten Warzenschwein, das halb verborgen unter den niedrigen Ästen eines großen Busches liegt. Wir nähern uns mit äußerster Vorsicht, da wir nicht sicher sein können, ob sich das Raubtier nicht noch unter dem Busch befindet – tut es nicht. Wir ziehen „unsere“ Beute unter dem Busch hervor. Der Leopard hat kaum etwas gefressen. Er muss so erschöpft gewesen sein, dass er erst einmal ruhen wollte, wahrscheinlich sogar in der Nähe. Es tut mir leid, dass wir ihm seine Beute wegnehmen. Zumal die Kugel nur die Brust durchschlagen hatte, ohne lebensbedrohlichen Schaden anzurichten.

Nachdem wir unsere belegten Brote gegessen haben, überlegen wir, wie wir am besten vorgehen sollen, um das Fleisch und die Trophäe den langen Weg zurück zum Jagdwagen zu bringen. Wir beschließen, das Warzenschwein an den Beinen an eine lange Stange zu binden. Zwei von uns würden abwechselnd das schwere Tier tragen, während der dritte unseren Rucksack und die Eingeweide schulterte. Jeder von uns hatte noch einen weiteren Gegenstand zu tragen, sei es eine Wasserflasche oder ein Gewehr.

Und so beginnt der lange Rückweg. Das Warzenschwein schlenkert von links nach rechts und, da ich beim Tragen vorne laufe, tropft Blut auf meine Waden und in meine vellies (Wildlederschuhe). Der beste und der schwierigste Teil einer erfolgreichen Jagd.

Die Fährtenleser haben mehr zu schleppen, weil sie kleinwüchsig sind und das Gewicht mehr auf ihnen lastet. Aber wie üblich kommt keine einzige Beschwerde über ihre Lippen, und ich nehme mir ein Beispiel an ihnen. Lehren wenn man mit ursprünglichen Jäger-Sammlern jagt.

Glücklicherweise können wir jetzt auf den breiteren Elefantenpfaden gehen, sofern sie in unsere Richtung führen. Ich kann nicht umhin, mir vorzustellen, was passieren würde, wenn wir auf dem Weg zur Wasserstelle einem Elefanten begegnen würden – zumal der Busch links und rechts stellenweise ziemlich dicht ist, fast undurchdringlich. Und wie es natürlich kommen muss, hören wir am späten Nachmittag plötzlich, wie sich kurz vor uns auf dem Wildwechsel etwas im Gebüsch bewegt… hinter der nächsten Biegung finden wir die frischen Spuren eines Elefantenbullen. Nur gut, dass er uns bemerkt hat und seitwärts aus dem Weg gegangen ist und mein Blutdruck sich wieder beruhigt.

Ansonsten, und abgesehen von unseren kurzen Pausen, ist unser Fußmarsch zurück ereignislos, wenngleich anstrengend. Als die Sonne gerade noch über dem Horizont steht, erreichen wir das Fahrzeug.

Momente der Erleichterung und Kameradschaft nach einem langen Tag, während wir auf die Rückkehr der Elefantenjäger warten. Wir bewundern die schöne Trophäe: ein Hauer abgebrochen, der andere lang und geschwungen.

Zurück im Jetzt und Hier – und ohne Jagdrecht in einem Konzessionsgebiet – wird mir immer wieder aufs Neue bewusst, was für eine ganz besondere Gegend die Erongo-Berge und die umliegenden Ausläufer sind. Dieses Jagdgebiet mein Eigen zu nennen, auch wenn wir „nur“ Hüter und Treuhänder für frühere und künftige Generationen sind, ist etwas, das man sich häufiger klarmachen muss.

Nicht zuletzt, dass ich hier im Erongo Teil eines größeren Schutzgebietes und Projekts bin: ein Projekt, das 160,000 Hektar über Eigentumsgrenzen hinweg erfasst und es dem heimischen Wild erlaubt, sich frei zu bewegen und auf die Jahreszeiten zu reagieren. Das ist außerhalb der kommunalen Hegegebiete eine Seltenheit auf privatem Land und verdient geschützt zu werden.

Diese Erkenntnis stellt sich leichter ein, wenn ich genau hier auf Safari bin. Wenn ich rund um die Uhr draußen im Busch bin. Wenn wir auf fast jeder Safari am helllichten Tag Leoparden sichten – zuweilen sogar viermal auf derselben Safari. Dabei ist jede Sichtung für sich bemerkenswert. Und wo wir auf jeder Safari das vom Aussterben bedrohte Spitzmaulnashorn in seinem natürlichen Lebensraum beobachten können. Und natürlich all die „kleinen“ Momente dazwischen, mit den Drongos und Tokos, der neugierigen schwarzen Manguste und dem gelegentlichen Ruf der Afrikanischen Zwergohreule nachts im Zeltcamp unter massiven, uralten Ahnenbäumen. Und noch so vieles mehr. Ja, es ist lohnenswert und es macht die Jagd (hier) lohnenswert.

Dieser Artikel wurde erstmals in der 2025 Deutsch-Ausgabe von HUNTiNAMIBIA veröffentlicht.

ZUSAMMENHÄNGENDE POSTS

Perspektiven der afrikanischen Jagd

Jedes Loblied, das auf Afrika gesungen wird, ist wohlverdient. Eine frei wiedergegebene Äußerung des britischen Naturwissenschaftlers William Burchell fasst es vielleicht am treffendsten zusammen: „Um die unbeschreiblichen Empfindungen begreifen zu können, muss man Afrikas Luft selbst geatmet haben.“ Worte sind ein dürftiger Versuch, Bilder von Büffeln, die aus dem Schilf brechen, oder von unübertrefflich leuchtenden Sonnenuntergängen, vor dem geistigen Auge derer zu erwecken, denen es noch nicht vergönnt war, den Kontinent zu betreten.

Read More »

50 Jahre NAPHA

Seit fünfzig Jahren steht die Berufsjägervereinigung von Namibia (NAPHA) wie ein Leuchtfeuer für ethische Jagd, Naturschutz und Gemeinschaft. Dieses goldene Jubiläum ist ein bedeutender Meilenstein auf einem Weg, der von Hingabe an das Land, Respekt für die Tierwelt und der Bewahrung von Namibias einzigartigem Jagderbe geprägt ist. Seit ihrer Gründung hat die NAPHA eine Aufgabe verfolgt, die weit über die Jagd hinausreicht: Es geht ihr um die Verantwortung für das Land, den kulturellen Respekt und die tiefe Beziehung zwischen Mensch und Natur.

Read More »

Löwenjagd im rauen Nordwesten

Es bot sich die Gelegenheit, im Torra-Hegegebiet im Nordwesten Namibias einen Trophäenlöwen zu jagen. Seit einigen Jahren nahm der Löwenbestand in dieser Gegend zu, und damit verschärfte sich der Konflikt zwischen Mensch und Tier. Das Ministerium für Umwelt und Tourismus bot Berufsjägern an, die Problemtiere zu jagen, anstatt zu riskieren, dass kommunale Farmer ganze Rudel vergiften, weil sie ihr Vieh verlieren.

Read More »

LESEN SIE DIE VOLLSTÄNDIGE AUSGABE 2025