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Die Omaheke – ein Inbegriff von Entdeckung und Abenteuer

| Haupt Foto ©Paul van Schalkwyk

Savanne, Buschveld. Nennen Sie es, wie Sie wollen. Benutzen Sie denselben Namen  wie der, der Ihnen davon erzählt. Erfinden Sie einen Namen, den Ihre Träume Ihnen eingeben. Kalahari. Kgalagadi. Omaheke. Der Große Sand. Sie alle meinen dasselbe. Dieselbe Landschaft. Seit Jahrtausenden ist sie da und wird für alle Zeit da sein, solange unsere Erde existiert. Von Piet van Rooyen

D ie Sandwüste des namibischen Ostens erstreckt sich vom Kavango und dem Kaudum-Veld im Norden bis zum Oranje, der im Süden die Grenze zur Republik Südafrika bildet. Sie breitet sich als ein hunderte von Kilometern breites Band von der Großen Randstufe ins Landesinnere aus. Dieser Teil von Afrika wird mit Entdeckung und Abenteuer gleichgesetzt. Er erzählt Geschichten von Ochsenwagen und erschöpften Pferden und Reitern. Von Elefantenjägern. Von Männern auf Abenteuersuche – oder auf der Flucht vor dem Gesetz. Diese Gegend ist flach. Sie ist sandig. Und scheint endlos zu sein. Die Bäume sind ausladend und erhaben. Eine Landschaft, die das Gemüt beschwingt. Die Zukunft liegt vor dir. Jeder spürt das.
Abgesehen von vereinzelten Hügelreihen, die sich von Windhoek nach Dordabis, Nina, Gobabis und Buitepos ziehen, und dann weiter bis tief in das Gebiet von Ghanzi in Botswana hinein, gibt es in den östlichen Landesteilen von Namibia keine der dramatisch zerklüfteten, gewaltigen Landschaften, die für die Regionen Karas und Hardap, den Erongo, das Khomashochland, das Damaraland und das Kaokoland kennzeichnend sind. Die Flussläufe sind trocken und führen nur nach starken Regenfällen Wasser. Das Herero-Wort für Trockenfluss heißt omuramba (Plural: omiramba). Nach einem Regenguss versickert das Wasser rasch im Sand und füllt unterirdisch die grundwasserführenden Schichten auf. Fast nirgends tritt natürliches Oberflächenwasser dauerhaft auf. Deshalb waren die ein oder zwei Quellen, die im äußersten Osten dieser trockenen Gegend – dem sogenannten Buschmannland und Hereroland – aus dem Boden sprudeln, in früheren Zeiten kostbare Lebensspender. Jäger- und Sammlergruppen der  Ju’/huansi und Nharo, sowie Vieh züchtende Herero streiften durch diese Weiten. Die knappen Wasservorkommen und das scheue Wild ermöglichten ihnen eine prekäre Existenz. Nur hier, im östlichen Teil der Omaheke, gab es die Wasserstellen, zu denen Elefanten kamen und wo sich kleine Büffelherden und Pferdeantilopen einfanden.

Die Omaheke ist seit jeher wie eine Zufluchtsstätte für Wild. Auch heute noch weist diese Gegend die höchste Wilddichte im ganzen Land auf. Wenn man sie kennenlernt kommt sie einem vor wie eine Art Wildreservat der Natur, wie ein Paradies. Die Tierarten, die früher die meisten Teile der Omaheke bevölkerten, waren nicht auf offenes Wasser angewiesen: vor allem Kudu, Steinbock, Duiker, Springbock und Oryx. Erst als Rinderfarmer nach Wasser bohrten und Brunnen anlegten, stellten sich mit der Zeit auch andere Antilopenarten ein, die von offenem Wasser abhängig sind – wie das Streifengnu oder die Kuhantilope.

Aufgrund ihrer offenen Weite erfordert die Omaheke eine ganz spezielle Art des Jagens. Wenn die dort ansässigen Farmer auf Wildbret für die Küche oder zum Biltongmachen aus sind, fahren sie üblicherweise einfach ins Gelände und erlegen aus beträchtlicher Entfernung was immer ihnen vor den Fernstecher und vor das Zielfernrohr kommt. In der Vergangenheit, noch in den Sechziger- und Siebzigerjahren, galten Antilopen als Konkurrenz, die dem Vieh die Weide wegfraß, und wurden bei jeder Gelegenheit abgeknallt. Löwen, Leoparden, Geparden und Wildhunde wurden schonungslos getötet, weil sie “Schädlinge” waren. Das Wild lieferte Fleisch für den Farmer und ebenso für seine Arbeiter. Die gängige Überlegung lautete: “Was ich nicht heute abschieße, erlegt morgen mein Nachbar.” Mittlerweile wird auch in dieser Gegend der Wert des Wildes als nachhaltige Ressource erkannt und die Tatsache, dass Wild besser an seine Umwelt angepasst ist und weniger Schaden anrichtet als Vieh. Viele Farmer sehen Wild inzwischen als die lukrativere Alternative zur Viehzucht.

Ethische Jagd ist in diesen Gefilden ein schwieriges Unterfangen. Dem Uneingeweihten mag es so vorkommen, als ob in dieser sandigen Einöde meilenweit kein Lebewesen anzutreffen sei. In der gesamten Omaheke fluktuiert die Wilddichte ganz enorm. Die einzige Ausnahme bildet die Umgebung von Viehtränken und künstlich angelegten Wasserstellen für das Wild, wo es ohnehin ethisch nicht vertretbar ist, Tiere zu töten. Der Grund für die Schwankungen sind geringfügige Abweichungen im Ökosystem, deren Merkmale noch nicht hinlänglich erforscht worden sind. Es kann passieren, dass ein Jäger stundenlang zu Fuß oder im Fahrzeug unterwegs ist, ohne ein einziges Stück Wild zu sichten. Doch dann wimmelt es hinter einer Gruppe von Büschen plötzlich von Tieren aller Art, obwohl in der Umgebung keine Veränderung wahrnehmbar ist.

Dieses Phänomen mag mit der Süße und Qualität der Gräser zu tun haben, oder damit, wie kurz die Weide von vorigen Herden abgegrast wurde (die meisten Wildarten ziehen kürzeres, grünes Gras vor). Es kann an der Regenmenge und deren zeitlicher Abfolge liegen, an der jeweils vorherrschenden Windrichtung, an früheren Buschbränden, der Dichte des Unterwuchses, am Salz- und Phosphatgehalt des Bodens, an der Anwesenheit anderer Tiere an einer bestimmten Stelle – oder es handelt sich um eine Kombination von allen diesen und weiteren Faktoren. Jedenfalls muss ein Jäger bereit sein, lange Fußmärsche auf sich zu nehmen. Und wenn er das Terrain nicht wie seine Westentasche kennt, muss er sich von jemandem führen lassen, der dort aufgewachsen ist. In solchen Fällen ist gute ortskundige Begleitung von unschätzbarem Wert. Die uransässigen Jäger, die mit Pfeil und Bogen aufgewachsen sind und wissen, wie sich das Veld “benimmt”, scheinen instinktiv zu wissen, wo sie in dieser monotonen Landschaft nach Wild Ausschau halten müssen. Sie können die Logik, der sie folgen, nicht erklären, aber ein Jagdgast kann seine Stiefel verwetten, dass sein Begleiter ihn auf die eine oder andere Weise zu einer dieser Stellen bringen wird, an der es von Wild wimmelt. Ich habe es immer wieder erlebt und begreife die Logik trotzdem nicht.

Die Suche nach den wildreichen Plätzen muss zu Fuß stattfinden, damit es ein wirklich lohnendes Jagderlebnis wird. Aufs Geratewohl herumzufahren und sich nur noch die letzten paar hundert Meter zu Fuß anzupirschen wenn man Wild gesichtet hat, verschafft einfach nicht das gleiche Gefühl der Befriedigung und das Erfolgserlebnis. Ich finde diese Art der Jagd ebenso unethisch wie wenn man direkt aus dem Fahrzeug schießt.

„Das Schönste an dieser Landschaft ist für mich jedoch das Gras: je nach Jahreszeit und Lichteinwirkung ist es mal grün, mal golden, gelb oder weiß.“

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Foto ©Felix Marneweche
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Foto ©Felix Marneweche

„Die Bäume sind ausladend und erhaben. Eine Landschaft, die das Gemüt beschwingt. Die Zukunft liegt vor dir. Jeder spürt das.“

Abgesehen von den Hängen der nach Ghanzi verlaufenden Hügelkette (die selbst reich an Wild ist) wird eine Jagd in der Omaheke-Region von besonderen Merkmalen gekennzeichnet, die bei anderer Geländebeschaffenheit nicht auftreten. Einige davon machen das Weidwerk einfacher, andere machen es sehr viel schwieriger.

Fährtenlesen ist in einem Gelände mit Sandboden und Grasbüscheln einfacher. Anpirschen ist leichter, weil das hohe Gras genügend Deckung bietet – falls der Jäger bereit und in der Lage ist, sich hineinzuducken. Zudem geht das Anpirschen lautloser vonstatten, insbesondere wenn man weiches Schuhwerk oder auch nur Socken trägt, denn man muss nicht auf knirschenden Geröllkies und die kniescheibenverachtenden Steine achten, mit denen man es in anderen Landesteilen zu tun hat. Man kommt leichter voran, weil das Gelände flach ist. Nur wo der Sand richtig dick ist, wird es anstrengender. Die landschaftliche Monotonie wirkt zuweilen etwas entnervend. Die Zikaden zirpen eindringlicher. Die Sonne brennt intensiver.

Im Khomashochland und anderen bergigen Gegenden kann man von höher gelegenen Stellen nach Wild Ausschau halten, in der Omaheke ist das so gut wie unmöglich. Man muss die Tiere zu Fuß aufspüren, und das geht in Zeitlupe vor sich. Die Bäume und Sträucher der Savanne machen es schwierig, Tiere zu erspähen, bevor die Tiere aus ihrem Versteck im Gebüsch und im Schatten bereits den Jäger entdeckt haben. Es ist schwieriger, die Qualität der Trophäe im Augenblick der Begegnung abzuschätzen. Der Jäger hat weniger Zeit, sich auf den Schuss vorzubereiten. Und sobald ein Tier in seinem Versteck aufgescheucht worden ist, flüchtet es normalerweise windabwärts, so dass es sehr schwierig wird, es zu überrumpeln.

Zudem kann man sich in Gelände dieser Art leicht verirren. Jeder Moment gleicht dem anderen, Bäume und Sträucher wiederholen sich alle paar hundert Meter. Ich habe mich selbst mehrfach verlaufen und fand den Weg zurück nur dank meines fähigen Begleiters. Doch auch er musste zur Orientierung erst den einen oder anderen Anhaltspunkt suchen: einen Wildwechsel, der uns vorher aufgefallen war, eine markante Baumgruppe oder ein parallel verlaufender Farmweg. Es empfiehlt sich, ständig darauf zu achten, wo man entlang geht, auch wenn die Jagdspannung wächst. Das gilt insbesondere bei der Verfolgung von angeschossenem Wild, denn es wird allerlei unerwartete Richtungen einschlagen um den Jäger abzuschütteln und ihn in die Irre zu führen.
Mangels dramatischer Landschaften wie in den anderen Landesteilen muss sich der Jäger in der Omaheke an Bäumen orientieren und sich an ihrer Schönheit erfreuen. An Bäumen fehlt es keineswegs: mächtige Kameldornbäume, Schirmakazien, Büffeldorn, Kampferbusch und Nonibäume mit enormen Stämmen stehen auf weiten Flächen zwischen Hakendorn und Farbkätzchensträuchern (man kommt nur mühsam durch ihr Dickicht, aber häufig verbergen sich dort die besten Kudubullen). Das Schönste an dieser Landschaft ist für mich jedoch das Gras: je nach Jahreszeit und Lichteinwirkung ist es mal grün, mal golden, gelb oder weiß. Je nach der Windstärke steht es ganz still da, oder es wogt oder tanzt wie verrückt.

Und all das ist Nahrung, durch die man sich hinwegbewegt. Nahrung für die Tiere, die man jagt. Gedanken-Nahrung. Nahrung für einsame Abende zurück in der Stadt, irgendwo fern von wo man eigentlich sein möchte. So, wie ein echter Russe nie seine Steppe vergessen wird, werde ich nie das Gras der Omaheke vergessen. Das Gras und die Stille und wie der Sand in vielen Farben glitzert. Und jeden Überraschungsmoment.

Dieser Artikel wurde erstmals in der 2015 Deutsch-Ausgabe von HUNTiNAMIBIA veröffentlicht.