Was genau macht ein Tier zu einem „Problemtier“? Freyer betont, dass nicht die Tierart an sich das Problem ist, sondern das einzelne Tier, das wiederholt Schaden anrichtet. Ein Löwe, der gelegentlich Nutztiere jagt, gilt nicht automatisch als Problem. Doch einer, der wiederholt zu Farmen oder Siedlungen zurückkehrt, könnte sehr wohl als Problemtier bezeichnet werden. Dasselbe Prinzip gilt für Elefanten, Leoparden, Flusspferde und Krokodile: Das Programm zielt auf die konfliktverursachenden einzelnen Tiere ab, nicht auf die Art als Ganzes.
Sobald eine Meldung eingeht, beginnt sofort das Reaktionsverfahren. Wildhüter untersuchen und verifizieren den Vorfall und setzen dann je nach Situation entsprechende Maßnahmen um. Nicht-tödliche Interventionen wie Abschreckungsmittel oder Umsiedlung werden bevorzugt, entfernen oder Tötung wird nur als letztes Mittel in Betracht gezogen. Die Namibia Berufsjägervereinigung (NAPHA) wird über eine private WhatsApp-Gruppe, der auch Reiseveranstalter angehören, informiert. Das gewährleistet die rasche Verbreitung wichtiger Informationen, ohne die Öffentlichkeit zu beunruhigen. „Wir wollen nicht, dass das Tier noch mehr Chaos verursacht“, betont Freyer und unterstreicht damit die Notwendigkeit, durch rasches Handeln einen Berufsjäger zu engagieren. Umsiedlung ist ein zentraler Bestandteil dieses Programms. Beispielsweise wurde kürzlich im Nordwesten ein Löwe eingefangen und in den Bwabwata Nationalpark umgesiedelt. Damit wurde gezeigt, dass Problemtiere nicht nur gejagt, sondern auch sicher umgesiedelt werden, um Konflikte zu reduzieren. Jede Intervention wird sorgfältig dokumentiert und überwacht, um Wiederholung zu verhindern und die ökologischen Auswirkungen zu minimieren.
Ein aktuelles Beispiel aus der Praxis, wo dieses System effektiv funktionierte, betraf einen Farmer im Hegegebiet ≠Khoadi-//Hôas, der in einer einzigen Nacht 35 Schafe verlor. Das Problem verursachende Tier, ein Löwe, wurde entfernt und gejagt, wodurch die unmittelbare Bedrohung für die Existenzgrundlage der Hegegemeinschaft beseitigt wurde. Das Programm ist nicht unumstritten. Freyer betont jedoch, dass man – einfach ausgedrückt – nur zuhören muss. „Wir müssen die Perspektive der betroffenen Menschen berücksichtigen, insbesondere von jemandem, der gerade auf einen Schlag sein gesamtes Vermögen verloren hat. Wie soll er seine Familie ernähren? Wie soll er die Kinder durch die Schule bringen? Das sind die realen, greifbaren Nöte, und wir müssen beide Seiten der Medaille betrachten.“
Für Freyer hat die Arbeit vor Ort eine Perspektive geprägt, die man nicht vom Schreibtisch aus gewinnen kann. „Es ist leicht, Annahmen zu machen, wenn man nicht selbst draußen im Veld ist. Ich habe an Treffen in kommunalen Hegegebieten teilgenommen. Man muss zuhören. Es wird immer eine schwierige Entscheidung sein“, sagt er und betont: „Die Realität des Naturschutzes ist, dass jede Entscheidung Gewicht hat. Nicht nur für die Tierwelt, sondern auch für die Menschen, die das Land mit den Tieren teilen.“
Das Mandat des Ministeriums für Umwelt, Forstwirtschaft und Tourismus ist seit jeher klar: die Tierwelt schützen und gleichzeitig den ländlichen Gemeinschaften Priorität einräumen. „Wir brauchen unsere Hegegebiete. Das eine kann nicht ohne das andere existieren“, erklärt Freyer und unterstreicht damit die wechselseitige Abhängigkeit gesunder Ökosysteme und florierender örtlicher Gemeinschaften in Namibia.