TAFELRUNDE IN NAMIBIA

Intensive Naturerfahrung und pures Jagderlebnis

von Uwe Mark

Intensive Momente in der Natur erleben, körperliche Anstrengungen und Entbehrungen als Herausforderung anzunehmen, um die Jagd in einer Art und Weise erfahren zu können, wie sie in deutschen Revieren heute kaum noch möglich ist. Das war die Triebfeder für meinen Jagdkameraden Holger und mich, nach Namibia zu reisen.

Nicht die Trophäe an sich, sondern der Weg zu ihr sollte im Mittelpunkt unserer gemeinsamen Jagd in Afrika stehen. Es sollte ein anspruchsvoller Weg mit vielen Pirschkilometern werden, ohne technische Hilfsmittel und jeglichen Firlefanz. Weder Gatterjagd noch Schießen vom Auto oder Ansitzen an Wasserstellen kamen in Betracht und das erjagte Wildbret sollte anschließend voll verwertet werden… Und so führte unser Weg zu Berufsjäger Hagen Denker. Denn der von ihm dargestellte Jagdablauf und die Aussicht auf eine nachhaltige und puristische Wildnisjagd überzeugten uns.

Wir trafen Hagen direkt am Hosea Kutako International Airport in Windhoek und begaben uns für die kommenden elf Tage in eine hervorragende, wirklich allumfassende Rundum-Betreuung.

Die Fahrt mit einem im Straßenbild allgegenwärtigen weißen Toyota 4×4 gab Gelegenheit zum ersten Kennenlernen und brachte uns in zweieinhalb Stunden nach Ameib, den Grünen Ort. Ameib ist die 14.000 Hektar große Gästefarm der Familie Denker mit dem dazugehörigen Jagdgebiet Reficiens. Bei Einbruch der Dunkelheit stiegen wir in einen 1973er Land Rover der Serie 3 mit Einfachkabine und offener Ladefläche um und fuhren bei schwachem Scheinwerferlicht über kaum sichtbare Pfade, durch Trockenflussbetten und zwischen Felsen hindurch eine gute halbe Stunde durch den Busch zum Jagdcamp, dem langersehnten Ziel unserer Reise.

Das Lagerfeuer aus dem sehr harten und lange glimmenden Holz des Kameldornbaumes war von unserem, auch in den kommenden Tagen stets sehr fürsorglichen Camphelfer Butti, bereits angehütet und brannte schon. Über uns leuchtete das markante Sternbild Kreuz des Südens vor dem Hintergrund der Milchstraße – wir fühlten uns sowohl fremd als auch irgendwie angekommen.

Am ersten Pirschtag war Wecken um 05 Uhr 40, und wir begannen den Tag mit starkem Kaffee und einem dicken Zwieback am Lagerfeuer. Eine freudige Erregung für das Unbekannte erfasste uns – zum ersten Mal pirschen im afrikanischen Busch. Was würden wir sehen? Alles echt, kein Zoo, kein Safari-Park.

Bei Sonnenaufgang rumpelten wir mit dem Landy zu einem ausgetrockneten Bachbett, wo wir auf 100 Meter Distanz im Schuss unsere Mauserbüchsen im Kaliber .300 Winchester Magnum überprüften. Danach streiften wir durch eine unendlich weit wirkende Stechgras-Ebene, eingerahmt von zerklüfteten roten Bergen und surrealen Felsformationen. In diesem atemberaubenden und unberührten Habitat hatten wir viel Anblick. Gemsböcke (Oryx gazella), Zebras, Giraffen und Springböcke kreuzten unseren Weg. Am zweiten Pirschtag fanden sich frische Trittsiegel von Hyänen, die wie Leoparden reichlich im Jagdgebiet vorhanden sind. Unsere Pirsch wurde lautstark von Grau Lärmvögeln (Kakadu) begleitet. Dabei störte es uns nicht im Geringsten, die Büchsen in diesen ersten Tagen nicht in Anschlag genommen zu haben. Zurück im Lager entwickelte sich jeden Abend ein kleines, wiederkehrendes Ritual. Mit einem Tafel Lager ließen wir die Ereignisse des Jagdtages am Lagerfeuer Revue passieren. Schnell prägte sich bei uns allen der Begriff: die Tafelrunde von Ameib.

Am dritten Jagdtag stiegen wir nach einem schnellen Marsch auf einen Bergrücken und glasten die weite Steppenlandschaft von etwa 2 km Tiefe im Tal zwischen Rücken und Bergen im Hintergrund ab. Nach längerem Glasen identifizierte Hagen einen alten GemsbockBullen mit zurückgesetzter Trophäe, der den Zenit schon deutlich überschritten hatte. Sofort stieg die Anspannung bei uns. Zunächst zog der Bulle noch ein Stück, legte sich dann aber hinter einem Baum in den Schatten nieder.

Unsere Strategie war ein zügiger Marsch – über mehrere Anhöhen und durch ein trockenes Flussbett – gegen den Wind in die Nähe des Bullen, um die Distanz auf Schussentfernung zu verkürzen. Wir kamen unbemerkt auf etwa 300 Meter an den alten Recken heran, schlichen dann auf Knien bis auf etwa 120 Meter weiter und – nach Freigabe durch Hagen – ließ Holger die Kugel fliegen. Der Bulle lag sofort im Schuss und schlegelte noch mit den Hinterläufen. Zunächst verharrten wir noch 10 Minuten schussbereit, denn laut Hagen ist das sofortige Niedergehen eines grundsätzlich sehr schussharten Gemsbocks eher ein Warnzeichen. Als wir uns annähern wollten, sprang der Bulle dann auch nochmal auf und links von uns ab. Erst weitere Schüsse in die Kammer streckten das Stück final.

Da lag der alte Bulle nun vor uns im Gras. Der erste Jagderfolg in Afrika nach den Kriterien des Erongo-Verzeichnisses. Ein besonderer Moment, der sich tief in unser Jägerleben eingebrannt hat. Von einem HakkieBusch erhielt Holger von Hagen einen Erlegerbruch und den letzten Bissen für den Gemsbock. Wir schlugen den Bullen aus der Decke und nach der Grobzerwirkung trugen wir Trophäe, Keulen, Rücken und Hochrippen in drei langen Touren zum nachgeholten Landy. Wieder im Camp angekommen, ließen wir den Tag über ein frühes Abendessen ausklingen und nach anregenden Gesprächen fielen wir alle redlich müde aufs Feldbett.

Am nächsten Morgen war ich nun in unserer 2:1 Führung der Jäger Nr.1 hinter Hagen. In den folgenden Pirschtagen wurde unser Anblick dann immer spektakulärer. Einmal verweilten in 100 Meter Entfernung zwei Schakale vor uns und äugten intensiv in unsere Richtung. Aber ihr Blick galt nicht den Jägern, sondern einem Leoparden, der vorsichtig durch das hohe Stechgras schlich. Ein kaum in Worte zu fassender Moment: dieses imposante Raubwild am helllichten Tage auf kurze Distanz zu beobachten.

Bei einer weiteren Pirsch tauchte beim Glasen plötzlich wie aus dem Nichts der „graue Geist der Berge“ auf. Ein kapitaler Kudubulle mit sieben weiblichen Stücken. Hagen entschied aber, dass dieser Bulle im Zenit seiner Jahre noch weiterziehen sollte, und so durften wir noch eine ganze Weile beobachten, wie der Bulle majestätisch langsam ziehend auf freien Flächen auftauchte, um dann wieder hinter Büschen und Bäumen zu verschwinden. Kurz darauf näherte sich noch ein junger Zebrahengst bis auf 90 Meter – er schien zu spüren, dass er sich das bei uns erlauben konnte, denn die Zebrajagd hatten wir für uns ausgeschlossen. Über unseren Köpfen kreiste ein Bussard und die Balzrufe eines Gackeltrappenhahns erfüllten die Landschaft.

Am darauffolgenden Tag starteten wir noch früher als gewohnt und fuhren über die Farm in das dahinterliegende felsige Gelände. Hier ging es vorbei an den Wegen zur bekannten Philippshöhle (einer wohl schon vor über 2.500 Jahren von den Ureinwohnern, den San, bewohnten, zu einer Seite offenen Felshöhle mit entsprechend alten Felszeichnungen von Tieren und Menschen), dem Elephants Head Fels und der Bulls Party – rote, glatte und gut 130 Millionen Jahre alte Felsformationen und Felseier, die wie von Göttern hingekegelt schienen. Hagen erzählte, dass man sie im Filmklassiker Die Götter müssen verrückt sein als Kulisse bewundern konnte. Über kleine Pfade mit leichter Kletterei über verblocktes Granitgelände ging es zu einem ausladenden Granitsattel. Geduckt und vorsichtig stiegen wir über diesen Sattel und richteten uns am Hang im Fels zum Glasen ein. Voraus zeigten sich in etwa 500 Meter Entfernung drei Schwarznasenimpalaböcke, die wir angehen wollten. Nach längerer Pirsch tauchten aber nicht die Impalas vor uns auf, sondern eine Herde mit 12 bis 15 Springböcken. Die Stücke standen dicht bei- und hintereinander und waren teils von Buschwerk verdeckt. Mehrere reife und alte Böcke waren klar zu erkennen. Nach einer genauen Zielabsprache liess ich auf 170 Meter den Schuss aus der Mauser brechen. Der anvisierte Bock zeichnete im Schuss, und er und alle anderen Stücke sprangen ab. Wir warteten fünf Minuten und fanden den Bock bei der Nachsuche 50 Meter vom Anschuss entfernt auf einem Geröllfeld liegen. Er bekam den letzten Bissen und ich meinen Erlegerbruch. Danach wurde das Stück aufgebrochen und Hagen marschierte los, um den Landy zu holen. Ich lud derweil den Bock auf meine Schultern und so ging es zum Trockenflussbett und darin noch etliche hundert Meter weiter bis zur Zusammenkunft mit Hagen und dann nach Ameib, wo der Bock zum Abhängen und Zerwirken abgeliefert wurde.

Am darauffolgenden Tag fuhren wir zurück zur Farm und marschierten zu den bereits genannten Sehenswürdigkeiten Philippshöhle und Bulls Party. Diese etwa 10 km lange Wanderung war landschaftlich sehr reizvoll, und die alten Felszeichnungen der San- Ureinwohner in der Höhle waren wirklich beeindruckend. Wir waren ganz allein in grandioser Landschaft. Am letzten Tag pirschten wir morgens und abends ein letztes Mal und genossen den wieder atemberaubenden goldenen Sonnenuntergang. Am Reisetag wurden wir ein letztes Mal mit einem sehr reichhaltigen und leckeren Frühstücksbuffet auf Ameib verwöhnt und von Familie Denker herzlich verabschiedet.

An unseren neun Jagdtagen durften wir im Reficiens-Jagdrevier am Fuße der Erongoberge eine fantastische und fordernde Wildnisjagd erleben. Dass wir jeder „nur“ ein Stück geschossen haben, hat uns keineswegs gestört. Das Gesamterlebnis und die so auch selbst auferlegte Beschränkung in der Jagd waren mehr und erfüllender als wir es uns vorgestellt hatten. Mit den von Hagen vertretenen und vorgelebten ethischen Ansprüchen an die Jagd und dem Ansatz, nicht primär auf die Trophäe, sondern auf das Gesamterlebnis der Jagd zu setzen, können wir uns vollends identifizieren.

Daher gilt die Devise: einmal Namibia, immer Namibia. Eine neue Tafelrunde ist bereits in Planung.

Dieser Artikel wurde erstmals in der 2026 Deutsch-Ausgabe von HUNTiNAMIBIA veröffentlicht.

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