Eine charakteristische Voraussetzung für die Anwesenheit von Springböcken ist flaches, offenes Gelände – der bevorzugte Lebensraum dieser Antilopenart. Meine Farm am Gamsberg im Khomas Hochland in Namibia ist kein ideales Habitat für Springböcke, denn sie ist viel zu felsig und hügelig. Aber auf benachbarten Farmen mit flacheren Gebieten gibt es ansehnliche Springbockherden. Hin und wieder gelangt ein einzelner Bock oder eine Gruppe junger Böcke auf mein Land. Sie schlüpfen unter den Zäunen hindurch und bleiben ein oder zwei Tage, bevor sie wieder geeigneteres Gelände aufsuchen. Da sie immer nur kurz blieben, habe ich nie versucht, eines dieser Tiere zu erlegen – obwohl ich das Verlangen nach einem schönen frischen Springbockfilet kaum unterdrücken konnte.
Überraschend tauchte im August dieses Jahres ein einzelner Bock an meiner nördlichen Grenze auf und schlüpfte unter dem Zaun hindurch. Er gewöhnte sich schnell an seine neue Umgebung und mischte sich unter die Rinderherde im dortigen Kamp. Ich beschloss, ihn zu jagen – doch das war leichter gesagt als getan. Wahrscheinlich war er von weit her gekommen und hatte die Wanderung nicht aus Dummheit überlebt. Jedes Mal, wenn ich mit meinem alten Jeep den Hügel hinauffuhr, um ihn zu suchen, entdeckte mich der Bock lange bevor ich mich anpirschen konnte. Ich versuchte, ihn aus verschiedenen Richtungen zu umkreisen… aber bevor ich in Schussweite kam, sah mich immer eines der Rinder und alarmierte den Bock. Ihm standen mehrere Fluchtwege zur Verfügung, denn zwischen den Granitfelsen ziehen sich zwei ausgetrocknete Flussläufe und mehrere sich kreuzende Erosionsrinnen durch das Kamp. Sehr bald verirrte ich mich in dem Labyrinth aus Hindernissen im Gelände und kam dem Bock nie näher als die paar hundert Meter vom Gipfel des Grenzhügels, von dem aus ich ihn gesichtet hatte.
Bis eines Tages mein guter Freund Hilmar von Lieres zu Besuch kam. Er hatte seine 8 mm Mauser dabei – nicht gerade das ideale Kaliber für eine Springbockjagd auf große Entfernung, aber wir wollten es versuchen. Mir wurde klar, dass wir einen strategischen Plan entwickeln und auf koordinierte Teamarbeit setzen mussten. Zum Glück hatten wir auf der gesamten Farm guten Mobiltelefonempfang und konnten somit während der gesamten Aktion in Kontakt bleiben. Wir setzten Hilmar in der Deckung einiger Granithügel ab, und mein bewährter Farmarbeiter Mannetjie /Uirab und ich fuhren den Hügel hinauf zu der Stelle, von wo wir den Bock regelmäßig gesichtet hatten. Wie üblich war er auch diesmal dort, weit unten in der Savanne, und äste zwischen den Rindern.
Nun begann ein raffiniertes Katz-und-MausSpiel. Der Bock musste Hilmars Nahen bemerkt haben, denn er begann in Richtung seines gewohnten Fluchtwegs zu ziehen. Jetzt konnten wir seine Bewegungen deutlich erkennen: nicht geradlinig, sondern im Zickzack. Der Bock war ganz offensichtlich auf seine beste Fluchtmöglichkeit konzentriert. Ich begriff, dass seine cleveren und unregelmäßigen Bewegungen der Grund waren, weshalb ich ihn immer aus den Augen verloren hatte, wenn ich versuchte, ihm allein zu folgen. Mit dem Fernglas behielt Mannetjie den Bock die ganze Zeit im Blick. Ich konnte mit Hilmar Kontakt halten und ihm sagen, wie er sein Heranpirschen anpassen sollte. Wir beobachteten, wie er sich langsam seiner Beute näherte. Für einen Moment dachte ich, er sei in Schussweite und könnte schießen, aber er meldete, dass er den Bock überhaupt nicht mehr sehen konnte.
Plötzlich verschwand der Springbock auch aus unserer Sichtweite und machte sich über einen hohen Bergrücken in westlicher Richtung davon. Ich wusste, dass das Gebiet, in das er sich begeben hatte, dicht mit Schwarzdorn bewachsen war und dass er sich vermutlich dort verstecken würde. Wir riefen Hilmar zurück zum Fahrzeug und fuhren langsam den Grenzhügel hinauf. Kurz vor dem Gipfel hielten wir an und näherten uns behutsam dem dicht bewachsenen Tal auf der anderen Seite. Mannetjie blickte immer noch unaufhörlich durch das Fernglas und hatte das Glück, den Springbock in seinem Versteck im Gebüsch zu erspähen. Er musste die Position sehr genau beschreiben, bevor wir beiden anderen den weißen Fleck im Unterholz ausmachen konnten. Es war ein Fall von jetzt oder nie. Hilmar vertraute auf die Durchschlagskraft seiner 8 mm Mauser und gab den Schuss ab. Doch einige Äste müssen das Geschoss abgelenkt haben – es ging daneben.
Allerdings erhob sich der Bock nun aus dem Dickicht und trottete, von uns weg, den Feldweg entlang. Hilmars zweiter Schuss traf ihn diagonal von direkt hinter dem rechten Vorderlauf. Die schwere Kugel streckte den Bock nieder. Später erkannte ich, dass ich diesen cleveren Gegner niemals allein zur Strecke hätte bringen können, ganz gleich, wie lange ich es versucht und welche Pläne ich geschmiedet hätte.
Wir teilten das Fleisch unter uns dreien auf. Der Bock lieferte volle 30 Kilogramm. Er war einer der schwersten Böcke, die mir je begegnet sind. Ein großartiges Ergebnis – so wird Fleisch durch Teamwork beschafft!