Würdig genug?

Es gibt ein Hochgefühl, das vom Gipfel eines Berges ausgeht, ein Empfinden von Privatsphäre und Isolation, ja sogar von Besitz. In dieser Weite kann man stundenlang gleiten, über Bäume, Gestrüpp und Felsen. Es ist eine Ruhe, die aus der schieren Unermesslichkeit geboren wird: Sie beruhigt durch ihre Erhabenheit, die das rein Menschliche bedeutungslos werden lässt. Ich liebe die beißende Kälte des Morgens, den spröden Raureif unter meinen Stiefeln, die atemlose Klarheit des Himmels. Wenn alles dies in perfekter Harmonie zusammenkommt, könnte es einen Moment ergeben, in dem eine Kudujagd beginnt. Ich fühle mich geformt durch diese massive Hypnose, dieses Verstummen des menschlichen Dramas. Danene van der Westhuyzen

Ich liebe die Kudujagd. Ich schätze das Ritual der Jagd. Es verbindet Jäger und Gejagte mit dem Land, das die Mutter von Mensch und Tier ist.

Und so kommt es nicht oft vor, dass ich mich in einer Situation befinde, in der ich schon den ersten Schritt in Richtung einer solchen Vorahnung hasse. Wir befinden uns oft in einer ungewissen Lage, und nun war ich an der Reihe. Ich wusste und glaubte von Anfang an, dass dies eine Jagd war, die nicht nach meiner Vorstellung war.

Wir hatten ein Filmteam aus Schweden bei uns – mit einer Liste von Tieren, die sie für eine Serie in Europa filmen wollten. Natürlich war eines dieser Tiere der Große Kudu, und ich ahnte und äußerte mehr als einmal, dass wir gut und gerne zehn Tage für eine wahre Darstellung einer Kudujagd brauchen würden. Alle nickten in großer Übereinstimmung und waren sich einig, dass wir angesichts der Tatsache, dass sie nur vier Tage zur Verfügung hatten, jede sich bietende Gelegenheit nutzen und hoffen und beten wollten, dass wir auf eines dieser prächtigen Tiere stoßen würden – und dass nicht vergessen werden würde, die Aufnahmetaste zu drücken.

Also machten wir uns auf den Weg, mein Gemüt entspannte sich und war bereitwillig und begierig danach, sich in das schöne Unbekannte zu begeben. Bereit, Namibia in seiner reichsten Form darzubieten, ohne Druck und ohne Voreingenommenheit. Ich war glücklich.

Zwei Tage lang jagten wir hart, dann mussten wir einen Revierwechsel vornehmen. Wir waren erfolgreich und erbeuteten mehr, als wir erwartet hatten. Doch als die Zeit zum Aufbruch näher rückte, entging mir das Raunen nicht: ein Gefühl von Unruhe und Ungeduld, das über meine Schultern gekrochen kam und einfach nicht nachließ – wie eine Hakendornakazie, die mich festhielt, mich zurückhielt und mich zum Bluten brachte.

Mit diesem Gefühl der Enttäuschung, das mir in den Ohren brannte, stiegen wir in die bereitstehenden Fahrzeuge und machten uns auf den Weg zu unserem nächsten Ziel: einem anderen Lebensraum, einem anderen Teil von Namibia, einer anderen Jagd. Ich vertraute darauf, dass der Wind in unseren Haaren, die Musik im Radio und die vorbeiziehenden Kilometer einige Wunden heilen würden, aber stattdessen bekräftigte alles nur den Wunsch zurückzukehren. Wir stiegen in der herrlichen Kalahari aus, wo es Savannengrasland und Hirtenbäume im Überfluss gibt. Aber das war nicht genug für sie. Der Geist verfolgte sie und der Geist hungerte nach ihnen.

Nach dem Abendessen wurde das Argument schließlich vorgebracht: „Wir wollen einen Kudu, wir brauchen einen Kudu für diese Jagd“. Und genau hier, in diesem Moment der zwecklosen Grundverschiedenheit, entwickelte ich einen Hass, den ich hoffentlich nie wieder in mir entdecken werde. Mein Gesicht verriet wie immer jede Emotion in ihrer höchsten Ausprägung, und ich entfernte mich einfach, wohl wissend, dass weder mein Gesichtsausdruck noch der Anblick meines Rückens jemals die Haltung dieser selbstgerechten, anspruchsvollen, fordernden und unwürdigen Meute ändern würde.

Am nächsten Morgen machten wir uns also auf den Weg zurück ins Kudu-Gelände. Die Crew war heiter, die Berufsjägerin verdrossen.

In der langsam aufkommenden schüchternen Morgendämmerung fingen die Bergkämme an, sanft und weich zu glänzen. Es war eine willkommene Abwechslung in den zwei Stunden schweigsamer, unterkühlter Fahrt. Meine Fährtenleser auf der Ladefläche verhielten sich nicht anders, sei es wegen der morgendlichen Kälte oder weil das Lachen aus meinem Herzen fehlte. Mehr als jeder andere wussten sie, dass die frostige Stimmung anhalten würde, egal wie der Tag ausging.

Wir hielten am Fuße eines kleinen Berges, und während sich der Jäger langsam mit Fernglas, Gewehrkontrolle und Munition sammelte, prüfte ich immer wieder den Wind und wünschte, ich könnte ihn dazu bewegen, wild und spielerisch zu tanzen und sich ständig zu drehen wie bei einem schweren Gewitter. Doch vergeblich… der Frost unter meinen Stiefeln war spröde, der Berg sprach von Schutz und Einsamkeit, und ich konnte die Vorfreude auf den Geist fast riechen.

Schritt für schicksalhaften Schritt stiegen wir höher und höher, Stunde um Stunde, geduckt an Farbkätzchenstrauch und Hakendorn vorbei. Als die Sonne auf uns niederzubrennen begann, waren die Schritte hinter mir hart, und als ich hin und wieder ein Schimpfwort hörte, weil Hemden und Hosen von den Dornen zerrissen wurden, spürte ich, dass die Rache nahe war. Ich wollte sie bis ans Ende dieser Welt führen. Ich wollte, dass sie zehn lange, harte Tage erleben und den Atem und Schweiß spüren sollten. So, wie es eigentlich sein musste. Irgendwann bot mein Fährtenleser Wasser an, aber in dem Moment, als der Jäger die Atempause erkannte, drehte ich mich um, pfiff und deutete unmissverständlich an, dass wir keine Zeit für eine Pause hatten. Vorwärts, vorwärts, kein Halten! Ich ging bis ans Ende der Welt, wollte, dass die Sonne unterging, dass der Kudu weiterzog, überlebte, fitter und unerschütterlicher wäre…und frei.

„Mach einen Plan.“ Das ging mir plötzlich immer wieder durch den Kopf, so wie ich es oft von meinen Eltern gehört hatte. „Und wenn er nicht funktioniert, mach einen anderen, und wenn der nicht funktioniert, bist du vermutlich selbst das Problem.“

„War ich das Problem?“, überlegte ich. Ob es nun Dehydrierung, Schuldgefühle oder Beklommenheit war, in meinem Kopf begannen Gedanken und Konflikte zu kreisen, und als ob sich die Antwort vor mir auftat, erschien keine 80 Meter links von uns der stattlichste Kudubulle. Ich blieb wie vor einer Mauer stehen. Wie vor den Kopf geschlagen. Entsetzt. Überwältigt. Erstaunt. Fassungslos. Mein Fährtenleser reichte mir den Schießstock. „Miss! Missssss!“, wisperte Abraham. „Siehst du ihn?“

Ich sah ihn. Und ich konnte nichts dagegen tun. Der Jäger legte sein Gewehr vorsichtig auf den Stock, und wie in Zeitlupe knallte der Schuss an meinem Ohr vorbei. Ich hatte das Gefühl, ich könnte ihn auffangen, ja sogar aufhalten, auf seinem Weg zum Unausweichlichen.

Der Moment verweilte, aber nur für einen Augenblick. Als ich wieder zu mir kam, waren die Messer bereit, und das Ausweiden und Zerlegen begann. „Haben wir überhaupt Fotos gemacht?“ fragte ich Abraham vorsichtig. „Ja, Miss, das hast du. Aber der Jäger – er ist nicht froh.“ Mein Gesicht, ich, mein ganzes inneres Selbst widersprach und gab dieser unglaublichen Jagd einen nicht mehr auslöschbaren Sinn. Der Jäger wusste und spürte bereits, was ich gleich sagen würde. Was ich bis heute bedauere. „Sie, mein Herr, haben kein Anrecht auf dieses Tier, diesen grauen Geist, diese majestätische Kreatur. Sie benötigen Tage und Tage und Tage, um sie zu verdienen. Um ihrer würdig zu sein.“

Und so fuhren wir zurück in die Kalahari. Der Mond hing dunkel und düster und starr im Rückspiegel. Wir fuhren ohne ein Wort zu sprechen, ohne Konsens und mit zweifelhafter Freude.

Aber ein Lagerfeuer in einer dunklen Nacht, ein Feuer, an dem man gemeinsam sitzt, hat etwas an sich, das die düstere Stimmung aus einem herauszieht. Gerade in der Kalahari.

„Die Dinge, die uns am meisten abverlangen, sind das Wertvollste, was man haben kann“, sagte der Jäger bedächtig, während die letzte Glut verglomm und nur noch er und ich in der Finsternis saßen.

„Konflikte sind gut. Nur schwache Menschen glauben an Harmonie, und zur Belohnung dürfen sie mit einem Gefühl moralischer Überlegenheit durchs Leben schweben, während der Rest von uns mit anderen Dingen weitermacht. Ich verstehe Ihre Frustration. Denn heute habe ich zum ersten Mal verstanden. Es war Ihr Gesicht, das es verriet.“

„Was meinen Sie? Ich bin es, die sich entschuldigen sollte“, antwortete ich. „Ich sollte ein Profi sein, mein Äußerstes tun und mein Bestes geben, um Sie glücklich zu machen.“

„Aber das haben Sie doch“, erwiderte er. „Sehen Sie, ich bin ein alter Mann. Ich liebe Afrika. Ich habe mehr als dreihundertvierzig Tage damit verbracht, diesen Geist auf unterschiedlichem Terrain und in den Bergen dieses großen Kontinents zu verfolgen. Als Ihre zehn Tage mag das nicht gelten, aber es gilt definitiv für meine. Alle diese Tage, die ich scheinbar vergeblich verbracht habe, gipfelten nun im heutigen Tag. Endlich, nach all diesen Jahren, empfinde ich Zufriedenheit.“

Man sagt, dass die Persönlichkeit eines Menschen die Summe seiner Erfahrungen ist. Aber das stimmt nicht, jedenfalls nicht ganz, denn wenn unsere Vergangenheit alles wäre, was uns ausmacht, könnten wir uns selbst nicht ertragen. So wie ich an diesem Abend. Wieder einmal wurde mir die sehr wichtige Lektion der Erfahrung erteilt, der zwei Seiten einer unglaublichen Geschichte, des Einfühlungsvermögens und des im Augenblick leben.

Wir wissen nie, was als Nächstes geschieht, was wir sehen werden und was für ein wichtiger Mensch in unser Leben treten wird. Wenn wir das Glück haben, am Leben zu sein, müssen wir an jedem Tag für das Wunder eines jeden Augenblicks danken, ganz gleich welche Makel ihm anhaften.

Wir sind mehr als die Fehler, die wir gestern gemacht haben. Wir sind alle unsere nächsten Entscheidungen, alle unsere morgigen Tage. Alle unsere Kudus.

Dieser Artikel wurde erstmals in der 2025 Deutsch-Ausgabe von HUNTiNAMIBIA veröffentlicht.

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