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uf einer früheren Jagd hatten wir beschlossen, an einer natürlichen Wasserstelle einen Hochsitz in einem Baum zu bauen. Seinerzeit waren wir auf der Jagd auf Steppen Zebra und die Fährten bestätigten uns, dass sie regelmäßig hier zur Tränke kamen. Da es in der unmittelbaren Umgebung der Wasserstelle fast keine Deckung gab, bot der große Kameldorn Baum direkt am Wasser die einzige Möglichkeit für einen Ansitz. Wir benutzten ein altes Türblatt, das stabil und groß genug war um zwei Personen sitzend oder stehend zu tragen. Der Baum selbst bot auch nicht allzu viel Deckung, so dass wir uns sehr leise und ruhig verhalten mussten um vom Wild nicht bemerkt zu werden.
Tatsächlich konnten wir hier einen großartigen alten Zebra Hengst erlegen, aber das ist eine ganz andere Geschichte. Aber, es war während des Ansitzes auf das Zebra, als ich zum ersten Mal den riesigen Warzenschwein Keiler in Anblick bekam. Wir warteten schon einige Stunden auf dem Hochsitz und es war ziemlich ruhig, bis auf die gelegentlichen Bachen mit ihren Frischlingen, die zur Tränke und zum Suhlen kamen. Wenn ich nach Süden blickte irritierte mich etwas zu meiner Rechten. Langsam drehte ich meinen Kopf. Wir hatten nordöstlichen Wind und die von Südwest her kommenden Bachen bekamen schon den ganzen Nachmittag unseren Wind. Ich erwartete aus dieser Richtung also eigentlich nichts. Schon gar nichts Spektakuläres. Außerdem waren wir ja nicht auf Warzenschwein aus. Aber, was nun kam, ließ Brad schnell seine Meinung ändern. In dem Moment, als er fertig war, bekamen der Keiler und die Bache aber leider unseren Wind und beschlossen, dass sie überhaupt nicht mehr durstig waren und verschwanden.
Heute, ungefähr drei Wochen später, waren wir an der gleichen Stelle und saßen still auf dem alten Türblatt. Auch heute stand Warzenschwein nicht auf der Liste. Brian Maher, mein Jagdgast aus Australien hatte schon an einem der ersten Jagdtage ein starkes Schwein geschossen. Ich erinnere mich, dass ich Brian von dem Monster Keiler, den ich auf der vorherigen Jagd gesehen habe, erzählte, als wir auf den Baum kletterten. Ich fügte auch hinzu, dass es ziemlich unwahrscheinlich war, dass uns dieser ausgeschlafene alte Bursche eine Chance auf einen Schuss geben würde. Er kam immer gegen den Wind um sicher zu sein, dass am Wasser die Luft auch wirklich rein war. Er ist nicht so alt geworden, weil er dumm ist, schloss ich.
Diesmal waren wir direkt nach dem Mittagessen auf dem Baum. Um vier Uhr rief ich meinen Spurenleser über Funk, dass er uns abholen könne – wir hatten die ganze Zeit nicht ein einziges Stück Wild in Anblick bekommen, das zum Wasser ziehen wollte. Gerade hatte ich das Funkgerät wieder abgesetzt, als ich das typische Warzenschwein grunzen hörte. Und da kam er, wieder aus Südwest, genau wie beim letzten Mal, als wir ihn von unserem behelfsmäßigen Hochsitz aus gesehen haben. Diesmal aber folgte er zwei Bachen, die seine Aufmerksamkeit offensichtlich so in Anspruch nahmen, dass er auf den Wind nicht achtete. Glücklicherweise hatten wir heute einen leichten, mehr östlichen Wind, so dass er unsere Witterung vielleicht ohnehin nicht bekam. Ich versicherte Brian, dass dies sein Lebenskeiler war, eine Gelegenheit, die man einfach nicht verstreichen lassen kann.
Seine Entscheidung war in Sekunden gefallen. Einen Augenblick später hatte er die Sehne bereits voll ausgezogen. Ein paar bange Momente vergingen, bis er schließlich schießen konnte, denn die beiden Bachen deckten den Keiler jeweils von der Seite ab. Endlich machte der Keiler ein paar Schritte vorwärts in Richtung Wasser und Brian bekam seine Chance. Das Adrenalin schüttelte ihn wie Espenlaub, aber es gelang ihm mit seinem Mathews Monster Bogen mit 15 Kilo Zug einen sauberen Kammerschuss zu platzieren. Auf den Treffer zeichnete der Keiler mit einem Satz vorwärts, drehte nach rechts und ging flüchtig ab. Nach nur knapp zwanzig Metern war die Flucht zu Ende.
Brian freute sich ekstatisch – und ich mich noch mehr. Dabei erkannten wir erst als wir den alten Kämpen erreichten, was für gewaltige Waffen er trug. Der Keiler war sehr alt und von der rechten Waffe waren ungefähr fünf Zentimeter abgebrochen, vielleicht in Folge eines Kampfes, oder durch zu heftiges Graben nach Wurzeln. Wie auch immer, es tat der Pracht dieser Trophäe keinen Abbruch. Mit 11 cm Umfang und 36 cm Länge, woraus sich 47 Punkte nach der SCI Mess-Methode ergeben, war dies ganz gewiss ein Lebenskeiler. Erlegt mit einem Bogen! Noch wussten wir nicht, dass diese Trophäe nicht nur zu den Top-Ten der jemals in Namibia mit dem Bogen erlegten Warzenkeiler gehörte, sondern es sogar auf Platz 5 dieser Liste schaffte! Aufgrund des Alters qualifizierte diese Trophäe Brian sogar für die prestigeträchtige Hege-Medaille der NAPHA!
Dieser Artikel wurde erstmals in der 2014 Deutsch-Ausgabe von HUNTiNAMIBIA veröffentlicht.