| Haupt Foto ©Helge Denker
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I m Jahre 1908 unternahm Dr. Arthur Berger gemeinsam mit seinen langjährigen Freunden, Hauptmann Roth und Freiherr von Donner, eine ausgedehnte Jagd- und Forschungsreise nach Ostafrika.
Auf einer zehnmonatigen Fußsafari mit 100 schwarzen Trägern durchquerten die drei Deutschen das damals Englisch-Ostafrika genannte Kenia. Berger gelang etwas, was den meisten Safaris der damaligen Zeit versagt blieb: er konnte auf dem Leikipia-Plateau einen Großen Kudu erlegen – noch dazu einen hochkapitalen Bullen von 151 cm Stangenlänge (59,5 Zoll).
In dem Buch “In Afrikas Wildkammern” berichtet Berger von dieser Jagd: “der Kudu liebt bergiges Terrain (…) in einem guten Tagesmarsch erreichten wir das Rivier (…) unser Lager befand sich am Fuße von Reihen verschieden hoher Hügelketten, die eine ganz abscheuliche Bodenbeschaffenheit hatten. Aller Schutt Afrikas schien hier zusammengetragen und zu Bergen geformt zu sein (…) außer auf der Insel Kwalö im nördlichen Norwegen, wo ich Rentiere jagte, habe ich nie so unangenehm zu klettern gehabt (…) hier gehörte wirklich Passion dazu längere Zeit zu jagen. Immer ging es bergauf, bergab, halb gleitend, halb fallend. Totenstille lag über der Natur, den kleinsten Laut gaben die gegenüberliegenden Wände wieder. Erst hatte ich den kühnen Gedanken, Kudus lebend zu fotografieren, nach dreitägiger erfolgloser Kletterei gab ich ihn auf, ich wollte mit dem erlegten edlen Wild zufrieden sein (…) Dies sollte mir endlich am 15. Oktober gelingen (…) Vorsichtig wurde jeder Hang, jedes Tal mit dem Glas abgesucht. Die Kudus haben eine so wunderbar zur Umgebung passende Farbe, dass es unglaublich schwer ist, sie auszumachen (…) ich habe genug von der Kraxelei. Nur noch dies eine Tal wollen wir einsehen. Vorsichtig kriechen wir an den Rand, um hinabzuspähen. Da packt mich auch schon mein Jäger am Arm: ‘Malo [Kudu]’ flüstert er, ein Wort das meine Pulse schneller schlagen macht. Jetzt sehe ich ihn auch, deutlich hebt sich die Silhouette des im Schatten stehenden mächtigen Tieres gegen das von der Sonne grell beleuchtete trockene Gras ab. Hat der Kerl ein paar Korkenzieher auf dem Haupt!
Ein eigentümliches Tier, von der Seite gesehen: in der Gestalt ganz Hirsch und dazu dieses eigentümliche Gehörn (…) Nun wandte er das Haupt. Welch ganz anderer Anblick. Jetzt stand ein wahres Hochwild vor uns (…)
Donnernd, vielfach wiederhallend rollte der Schuss in das stille Tal. Da zeichnet der Hirsch (denn so möchte ich den männlichen Kudu nennen), dumpfer Schlag, die Kugel sitzt gut (…) schwerkrank, sich langsam fortschleppend verschwindet der Kapitale im Gebüsch (…) ich habe eine der schönsten afrikanischen Trophäen erbeutet, die mir so viel Wert ist wie ein Löwe oder Elefant.”
Seither haben Jäger aus dem deutschem Sprachraum, denen die Hirschjagd als die Krone edlen Waidwerks gilt, den Kudu, seine bedächtige majestätische Art, immer wieder mit dem Rothirsch verglichen.
Das mag eine gewisse Berechtigung haben, doch liegt darin auch eine gewisse Anmaßung. Denn Afrika ist so völlig anders als Europa, der Kudu in seinem ganzen Wesen so unvergleichlich, dass nur derjenige, der Afrika wirklich versteht – seine große Ruhe, seine bizarre Großartigkeit, den Staub und die Trockenheit mit ihren Luftspiegelungen – den Kudu völlig versteht.
Ein Kudu würde in einem gepflegten Hochwald oder in einem Stangenholz ganz krank werden.
Der Kudu liebt das wilde Chaos einer urwüchsigen Landschaft, das Durcheinander verschlungener Dornendickichte und knorriger Bäume, die spröde Schönheit einer trockenen Felsenwildnis. Hier wird er zum schemenhaften grauen Gespenst, das sich in wunderbarer Anpassung von Farbe und unauffälliger, langsamgleitender Bewegungsart unsichtbar machen kann: die gestaltgewordene Verschmelzung von stattlicher Wucht und vollendeter Eleganz und Würde, die Verkörperung sanfter Schönheit und Anmut.
Hier – und dem, der wie der Kudu in dieser Lanschaft heimisch ist – wirkt sein herrlich geschraubtes Gehörn nicht mehr eigentümlich, es ist die Vollendung eines wunderbaren Geschöpfes und der Anpassung an die geschwungenen Linien unverfälschter Natur.
Über weite Bereiche Afrikas erstrecken sich Landschaftsformen trockenen, unübersichtlichen Buschlandes. Diese Busch- oder Dornensteppe ist in einigen Bereichen die rauheste, von der Hitze am meisten betroffenen Gegend des Kontinents. Nichts ist hier mehr zu spüren von der freundlichen Atmosphäre der offenen Landschaft mit ihren grasbewachsenen Ebenen, den Schirmakazien und den großen Wildherden der Serengeti, des Massai Mara oder des Amboseli Gebietes am Fuße des Kilimandscharo.
Wo diese Landschaften flach sind, mögen sie auf den ersten Blick eintönig und völlig reizlos, ja wegen der vielen Dornen sogar abschreckend erscheinen. In anderen Bereichen, wo die Landschaft leicht gewellt oder von isolierten Hügeln und einzelnen Bergzügen durchzogen ist, wirkt sie reizvoller und dort wo sich das Buschland über felsige Gebirge und schroffe Randstufen erstreckt, bisweilen sogar überaus spektakulär. Dennoch wirken die dornenstarrenden Sträucher, Büsche und Bäume, besonders zur Trockenzeit, staubig, grau und abweisend. Der steinige Boden und die felsigen Hänge vieler Bereiche machen das Gehen zur Qual.
Fast immer aber geht mit dieser Landschaft ein geheimnisvoller Zauber einher. Und dieses unwirtliche Reich der Dornen ist die ureigene Heimat einiger der schönsten und anmutigsten Wildtiere unseres Planeten; des Großen und des Kleinen Kudus, der Giraffengazelle und der Dik Diks und darüberhinaus auch das Reich der Vögel.
Einige Akazienarten wie zum Beispiel die Hakendornakazie oder die Rotrindenakazie bilden nahezu undurchdringliche, ineinander verflochtene niedrige Dickichte, die wie ein ausgedehnter Dornenverhau wirken und in denen die vielfätigen, wunderschönen Astrildenarten Schutz finden, darunter der zauberhafte, winzige Elfenastrild. Webervögel bringen während der kurzen, intensiven Regenzeit ihre charakteristischen Nester an den ausladenen Ästen der Schirmakazien an und beleben das sich plötzlich begrünende Buschland, das für viele Monate des Jahres wie ausgestorben dalag, mit ihrem zeternden Gesang.
Überhaupt ist der Kontrast zwischen der langen Trockenzeit, während der die Dornensteppe in stoischem Schweigen gelassen ausharrt und der kurzen, intensiven Regenzeit, wenn die bislang hitzeflimmernde, von Staubfahnen durchwanderte Landschaft sich plötzlich in ein nach Akazienblüten duftendes, von lärmenden Vögeln belebtes Paradies verwandelt, ein besonderes Merkmal dieser Landschaft, in der rote Termitenhügel und den Dornbusch majästetisch überragende Affenbrotbäume einer Welt, die dem europäischen Reisenden zunächst fremdartig anmutet, einen besonderen Akzent setzen.
Die Buschsteppe erstreckt sich vor allem am Horn von Afrika über Teile der Länder Äthiopien, Somalia, Kenia, Tansania und Nordost Uganda. Sie wird von den Einheimischen Ostafrikas Njika genannt, was soviel wie wildes, einsames Land bedeutet. Außerdem setzt sich die Dornensteppe im Süden des Kontinents, von Südwest Angola über Namibia, Botswana und Teile von Zambia, Zimbabwe und Südafrika fort. Hier wird die Dornensteppe Buschveld genannt.
Die beiden Regionen, die heute durch die ausgedehnte Miombo-Waldlandzone getrennt werden, waren vor etwa Zwanzigtausend Jahren, als das Klima in ganz Afrika trockener war als heute, miteinander verbunden.
Das Buschland geht in vielen Bereichen in Miombo-Waldland über oder ist von offenen Savannen durchzogen. In ihrer unvergleichlich typischen Ausstrahlung wird die Dornensteppe vor allem in zwei weit voneinander getrennten Gegenden augenscheinlich: einmal in den legendären Northern Frontier Districts von Kenia. Hier wird die halbwüstenartige, öde Landschaft immer wieder von plötzlich aus der Steppe aufragenden, isolierten schroffen Bergrücken unterbrochen, die von den Massai Ol’Donyo genannt werden. Noch heute, mehr als dreißig Jahre nach der Schließung der Trophäenjagd in Kenia, haben Gegenden wie Samburu oder Marsabit einen nahezu mystischen Klang unter Afrikakennern. Gebiete von ähnlicher Anziehungskraft befinden sich in der Karamoja Provinz Ugandas oder im Massailand Tansanias.
Außerdem – und owohl diese Gebiete nie die legendäre Popularität genossen haben wie die schroffen Buschsteppen im Osten des Kontinents – in jenem Land, das als das Kuduland schlechthin bezeichnet werden muss: in Namibia. Schon in den Bereichen des zentralen Hochlandes von Namibia findet man eine Landschaft vor, die, wenn auch lägst nicht mehr unberührt, so doch eine sehr änliche Ausstrahlung besitzt wie die berühmten Northern Frontier Districts. Einsam aus dem Dornenmeer aufragende Bergzüge wie etwa der Etjo, könnten ebenso in der Samburu-Steppe stehen.
Und kommt man schließlich an die Randstufe, wo das zentrale Hochland zur Namibwüste hin abbricht, so findet man hier eine Landschaft, die in ihrer Erhabenheit nicht ihresgleichen hat.
Auch wenn man bedenkt, dass weite Teile der namibischen Randstufe lange als native homelands oder als Diamanten Sperrgebiete nicht zugänglich waren, so ist es dennoch erstaunlich, dass eine derart spektakuläre Landschaft, die sich in einigen Bereichen durchaus mit den Semien Cliffs Äthiopiens messen kann und die in Ausdehnung und Einsamkeit sogar die Northern Frontier Districts übertrifft, so wenig Beachtung gefunden hat.
Ein Jäger, der hier in einem mühsamen Aufstieg jene Hänge überwunden hat, von denen Arthur Berger einst berichtete, sie wirken als sei aller Gesteinsschutt Afrikas hier zu Bergen aufgeschüttet worden, mag die abscheuliche Bodenbeschaffenheit innerlich verflucht haben. Doch dem sinnlichen Betrachter, der sich nun befreit ausatmend auf einen Felsblock niederlässt, um die Gegend sorgfätig abzuglasen, weitet sich die Brust, denn er überblickt eine grandiose Kulisse.
Er weiß, dass die Bewältigung rauher Wegstrecken nicht nur jagdlich, sondern überhaupt die Essenz eines lohnenden Weges sind. Die große Ruhe der Landschaft breitet sich langsam auch in seinem Innersten aus, während von unten, aus dem Talboden, das Murmeln der Senegaltauben zu ihm hinaufdringt und von den gegenüberliegenden Hängen der auf- und abschwellende, kehlige Ruf der Monteiros Tokos und der schrille Schrei der Hartlaubfrankoline herüberhallt.
Und nach langem, sorgfältigem Abglasen wird irgendwann plötzlich ein über alle Maßen herrliches Tier an einer Stelle, über die das Glas schon hundert Mal gewandert war, reglos verhoffend in das Tal hinabsichern, während sich das Sonnenlicht in den Windungen des wunderbaren Gehörns reflektiert. Die großen Lauscher sind angespannt nach vorne gerichtet und nur der lange Kehlbart wird von einer leichten Brise bewegt. Dann zieht das stattliche Tier in langsam gleitender Harmonie wieder los und verschwindet- inmitten des Spiels von Licht und Schatten zwischen dem Wirr-warr aus Fels und Dornen. Und die wilde, schroffe Landschaft, die für einen Moment von wunderbarster Harmonie belebt wurde, liegt wieder in stoischem Gleichmut da.
Der südafrikanische Dichter F.I.J. van Rensburg hat diesen Moment so in Worte gefasst:
Kudu
Er verhofft
und das Licht einen vollen Tages
kommt auf seiner glänzend-braunen Decke spiegelnd zum Gleichgewicht,
er geht
und das delikate Verhalten eines ganzen Buschveldtages
fließt wie Wasser von ihm ab.
Der Große Kudu ist nach dem Eland die zweitgrößte Antilope. Sein Verbreitungsgebiet erstreckt sich über weite Teile des südlichen und östlichen Afrika und entlang der Sahelzone sogar westwärts bis in den nördlichen Tschad. Wichtigste Vorraussetzung für sein Vorkommen ist ausreichende Deckung und der Zugang zu Trinkwasser. Der Kudu kann jedoch zur Not mehrere Tage ohne Trinkwasser auskommen und vor Allem die Bullen verlassen in der Trockenzeit in einem mehrtägigem Rythmus immer wieder ihre Eintstände, um weit entfernte Wasserstellen aufzusuchen. Auf diese Weise kann der Kudu, wie auch der Spießbock, in öden Trockenzonen existieren, solange ausreichende Deckung in der Form von schroffen Hängen oder dichtem Busch besteht.
Der Kudu ist fast ausschließlich Laubäser. Er lebt in kleinen Familienverbänden, die aus weiblichen Tieren und deren Nachwuchs bestehen. Spätestens ab dem Alter von drei Jahren verlassen die jungen Bullen die Familienverbände und fristen ihr Leben nun als Einzelgänger oder schließen sich zu lockeren Junggesellenverbänden zusammen.
Nur in der Brunft stoßen die erwachsenen Bullen wieder zum Rudel. Kudus sind nicht territorial, sie haben jedoch ein festes Streifgebiet, in dem sich ein Familienverband regelmäßig aufhält. Nach der Brunft ziehen sich die Bullen in meist auch jahreszeitlich variierende eigenene Streifgebiete zurück, die sich oft in abgelegenen bergigen Regionen befinden.
Obwohl sie nicht territorial sind, handhaben die Bullen innerhalb ihrer Streifgebiete eine ausgeprägte Hierarchie. Die in der Fachliteratur oft zu findende Ansicht, dass es bei den Kudus kaum zu ernsthaften kämpferischen Auseinandersetzungen kommt, ist nicht zutreffend. Schon in den Monaten vor Einsetzen der Brunft (diese liegt in Namibia in den Monaten Mai bis Juli) kommt es unter den Bullen zu heftigen und bisweilen lang anhaltenden Hierarchiekämpfen. Auf diese Weise sichern sich die dominanten Bullen ihre Brunftstreifgebiete und zwingen andere ausgereifte Bullen zur Abwanderung in andere Bereiche. Bei diesen Kämpfen kommt es bisweilen zu tödlichem Ausgang, weil sich die Gehörne der Kontrahenten unlösbar ineinander verkeilen, sodass beide Bullen schließlich verenden, und seltener auch zu tödlichen Verletzungen durch Forkelstiche.
So kommt es während der Brunft zu einer Situation, bei der sich in einem Streifgebiet von bis zu tausend Hektar oft nur ein dominanter Bulle, jedoch mehrere Familienverbände aufhalten. Der dominante Bulle zieht nun bei auf- und abflammenden Brunftbetrieb von einem Familienverband zum anderen, in deren Umgebung sich meist mehrere jüngere Bullen aufhalten, die der Platzbulle bei seinem Auftauchen durch reines Dominiergehabe sofort auf Distanz hält. Aus diesem Umstand resultiert vermutlich die nicht zutreffende Beobachtung, dass es unter den Kudus kaum zu ernsthaften Kämpfen käme. Zum Höhepunkt der Brunft kann der dominante Bulle nicht alle weiblichen Rudel bedienen und so kommen zu dieser Zeit auch jüngere, nicht ausgereifte Bullen zum Zuge oder es wandern bei entsprechend hoher Bullendichte alte Bullen aus benachbarten Streifgebieten ein. Zum Ende der Brunft und in der Nachbrunft sammeln sich dann jedoch bisweilen mehrere dominante Bullen bei einem Rudel, sodass es zu dieser Zeit mitunter wieder heftige Kämpfe um die letzten brunftigen Stücke gibt.
Ebenso muss die in einigen Fachbüchern geäußerte Ansicht, dass es bei der Kudubrunft und den Kämpfen zu umfang-reichen Lautäußerungen kommt, mit Vorsicht betracht werden. Ob wiederum die Anlehnung an den Rothirsch bei einigen Authoren zu dieser Meinung geführt hat, mag dahin-gestellt bleiben. Im Allgemeinen ist die Kudubrunft mit Sicherheit – abgesehen vom Ineinanderknallen der Gehörne beim Kampf – leise.
Dennoch sind die Kudus zu unterschiedlichen Lautäußerungen wie muhenden und schnalzenden Geräuschen und vor allem einem sehr lauten, explosiven Schrecklaut fähig.
Kudus scheinen für diverse Krankheiten anfälliger zu sein als andere Antilopen. So haben sie offenbar unter der Rinderpest-epidemie gegen Ende des 19. Jahrhunderts schwerer gelitten als andere Antilopen und in den ostafrikanischen Verbreitungsgebieten nie wieder richtig erholt. In Namibia kommt es in einem Rythmus von etwa 20 Jahren zu schweren Seuchenzügen, bei den die Kudupopulation drastisch reduziert wird. Auch sonst treten räudeähnliche Krankheiten oder krankhafter Hufwuchs (nicht biotopbedingt) auf, an denen die befallenen Tiere schließlich eingehen. Diese Krankheiten haben mit Sicherheit ihren Ursprung in einer durch Überhege verursachten Überpopulation, denn im Allgemeinen ist der Kudu äußerst anpassungsfähig. Er ist in seinem ganzen Wesen völlig auf Tarnung eingestellt und die Bestandszahlen werden grundsätzlich (vor allem von oberflächlichen Beobachtern) unterschätzt.
Die Bejagung eines Wildes, das dicht bewachsenes schroffes Terrain bevorzugt und in seinem ganzen Wesen auf Tarnung eingestellt ist, verspricht von vornherein spannend zu sein. Wenn dieses Wild darüberhinaus noch von besonderer Schönheit und majestätischer Würde ist und sich hieraus ein eindrucksvoller Kontrast zu seiner rauhen Umwelt ergibt, so sind die Zeichen gesetzt, für großes Jagen.
Grundsätzlich lässt sich der Kudu auf zwei Arten waidgerecht bejagen: wo immer der Biotop es erlaubt, begibt man sich auf eine erhöhte Position, die gute Übersicht über das Gelände erlaubt. Hier richtet man sich bequem ein und beginnt nun das unübersichtliche Gelände mit aller Sorgfalt abzuglasen. Geduld ist von allergrößter Wichtigkeit, denn die Kudus sind ausgezeichnet getarnt, bewegen sich in unauffällig langsamer Weise und sind wegen des dichten Bewuchses oft völlig unsichtbar.
Wiederholt habe ich es erlebt, dass ein irgendwo im Gegenhang stehender Kudubulle seine Anwesenheit durch einen rauhen Schreckruf verriet, wenn bei dem Aufstieg in eine aussichtsreiche Position eine leichte Unruhe entstand. Erst nach mehrstündigem intensiven Abglasen, gelang es mir schließlich den alten Bullen zu finden.
Hat man einen reifen alten Bullen ausgemacht, so gilt es diesen anzupirschen. Dabei ist folgendes wichtig: zügiges raumgreifendes Vorgehen, solange man sich über die Position des Bullen im Klaren ist und äußerste Vorsicht, wenn das Wild irgendwo untergetaucht ist – und dies passiert ständig. Der Kudu zieht ein wenig, verhofft und sichert, zieht weiter und verhält lange äsend an einer Stelle, dabei immer wieder aus der Deckung heraus sichernd.
Dieser Umstand bewirkt nervenaufreibendes Pirschen mit angehaltenem Atem und wildem Herzklopfen. Sobald man das Wild aus den Augen verloren hat, beginnt stets von Neuem ein Zitterspiel: ist man unvorsichtig läuft man auf das sichernde Wild auf – ein heiserer Schrecklaut und vielleicht noch der Anblick eines kurz über den Dornbusch davonwippenden herrlichen Gehörns, beenden die Pirsch. Wartet man zu lange, verliert man den Anschluss und der Bulle taucht unauffindbar irgendwo unter.
In völlig flachem Buschland, wo die Möglichkeit des intensiven Abglasens nicht gegeben ist, pirscht man am Besten am frühen Morgen und am späten Nachmittag mit äußerster Vorsicht und immer wieder anhaltend und lauschend, durch das Buschland in der Hoffnung auf einen guten Bullen zu stossen.
Vertraut äsende Kudubullen verursachen beim Äsen häufig Geräusche, wenn sie mit dem Gehörn Laub und Schoten von den Bäumen herunterschlagen, das sie anders nicht erreichen können.
Keine andere Jagd – kein Hundertpfünder, kein Marco Polo Widder, kein Leopard und kein Büffel – hat mich je in diesen Zustand der vollständig entfesselten Leidenschaft bei angehaltenem Atem und alle Sinne betörenden Herzklopfen versetzt, wie das Anpirschen eines zuvor ausgemachten und im dichtem Buschland untergetauchten, wirklich kapitalen Kudubullen.
Wenn man sich unter allerhöchster Aufmerksamkeit, auf vor Aufregung zitternden Zehenspitzen, durch den Dickbusch tastet und plötzlich die durch eine kleine weiße Rückenmähne umrahmte Kontur des Bullen im Wirrwarr von Dornen und Sträuchern und bizarren Ästen und Licht und Schatten ausmacht. Dem wilden Adrenalinstoß folgt ein abrupter Halt und die jubelnde Erkenntnis, dass der Bulle einen noch nicht bemerkt hat. Und dann zieht der Bulle mit bedächtigen, leicht schwankenden Schritten, das Haupt und den mächtigen Träger tief haltend und das wunderbar gewundene Gehörn weit über den Rücken zurück- und hinausschwingend, schräg auf einen zu.
Und verhofft plötzlich gleichfalls reglos erstarrend zu jenem Moment, den van Rensburg in ein paar Worten trefflicher Prosa festgehalten hat.
Begeisterte Hirschjäger mögen es mir nachsehen, wenn ich an dieser Stelle den Spieß einmal umdrehe und aus der Perspektive Afrikas heraus – jenes Kontinentes, der alle herkömmlichen Vorstellungen grandioser Natureindrücke sprengt – behaupte, dass der Rothirsch in einigen Aspekten seines stattlichen, majestätischen Gebarens durchaus an den einzigartigen Großen Kudu erinnert.
Dieser Artikel wurde erstmals in der 2014 Deutsch-Ausgabe von HUNTiNAMIBIA veröffentlicht.