Den Jägern ging es nicht um einen „Trophäen“-Bullen. Im Rahmen der Quote, die das Umwelt- und Tourismusministerium dem Hegegebiet gewährt, sollte ein Elefant für den Eigenbedarf erlegt werden. Der Jäger bezahlt in diesem Fall erheblich weniger, hat aber keinerlei Anspruch auf das Tier. Das Fleisch wird im Dorf verteilt. Dafür kommen üblicherweise alte Bullen mit kurzen oder beschädigten Stoßzähnen in Frage, die nicht als „Tusker“ gelten können. Theoretisch macht das die ganze Sache einfacher. Doch nach einstündigem Fußmarsch hatten wir immer noch keinen Elefanten zu Gesicht bekommen. Überall Dung, Fährten und verwüstete Vegetation, aber die Dickhäuter hatten sich davongemacht. Die Jäger vermuteten, dass sie in den Bwabwata Nationalpark zurückgekehrt waren oder eine andere Insel aufgesucht hatten.
Wir stiegen wieder in unser Boot und tuckerten durch ein Labyrinth von schmalen Wasserarmen. Schilf und Röhricht neigten sich von beiden Seiten wie ein Bogen über unsere Köpfe. So gelangten wir zu einer anderen kleinen Insel. Ein verfallenes hölzernes Gebilde und die Tierknochen rundherum ließen darauf schließen, dass sich hier einmal ein Jagdlager befunden hatte. Leo, Jackie und JG inspizierten fasziniert einen Elefantenschädel. Die Größe der Mahlzähne deutete auf ein relativ junges Tier hin. Seine lebende Verwandtschaft wich uns weiterhin aus, so dass wir auch diese Insel unverrichteterdinge verließen. Am Abend wollten wir wiederkommen, wie die Elefanten – hofften wir.
Auf der Insel Lechwe begann sich die Nacht einzustellen und wir hatten immer noch keine Elefanten gesehen. Wir machten ungefähr dieselbe Runde wie früher am Tag, aber der Erfolg blieb auch diesmal aus. Die Jäger meinten, dass die Aussichten möglicherweise vom Wasser aus besser wären. Also zurück ins Boot. Und es dauerte gar nicht lange, bis Schalk eine Bewegung im Schilf weiter vor uns ausmachte. JG schaltete den Motor aus, und wir trieben auf dem Wasser weiter. Links neben uns weidete ein Elefant im Schilf. An dem Boot voller Menschen, das in seiner Nähe aufgetaucht war, störte er sich nicht. Und dann: ein Stückchen weiter am Wasserarm entlang schlugen sich noch mehr Elefanten den Bauch mit Schilf voll. Wir saßen und schauten gebannt, Kameras klickten. “Im Wasser fühlen sie sich sicher”, sagte JG. In der Tat, da waren sie sicher. An Land wären sie unruhiger gewesen und hätten uns nie so nah herankommen lassen. „Sie wechseln vom Park zurück“, stellte Schalk fest. „Morgen früh sind wir wieder da.”
„Was für ein majestätisches Tier“, sagte Jackie. Sie stand neben dem Elefanten, der auf der Seite lag, leblos in der glühenden Sonne. An jenem Morgen waren die Jäger wie an den vorigen Tagen flussabwärts gefahren und hatten die Inseln im Mayuni Hegegebiet aufgesucht. „Erst war ich nicht besonders zuversichtlich, aber Mann, sahen wir einen Haufen Elefanten unterwegs“, erzählte mir Leo. „Und es war vollkommen klar, dass sie den Fluss nicht so früh durchqueren würden wie sie gesollt hätten, oder gekonnt hätten. Deshalb bestand gute Aussicht, hier, auf dieser Insel, Elefanten aufzuspüren.” An Land war die Jagdgruppe auf eine Elefantenherde gestoßen, die noch nicht auf dem Rückweg in den Park war. Die Jäger identifizierten einen idealen Bullen mit einem gebrochenen Stoßzahn. “Eigentlich vermeidet man es lieber, aus einer gemischten Herde wie dieser einen Bullen auszusuchen“, erklärte Leo. „Die Kühe können richtig unglücklich werden. Und bei mir begann sich Gespanntheit breitzumachen. Wenn man dabei ist, die letzten Entscheidungen zu treffen, wird es ernst, fast geschäftsmäßig.“
Wir gingen zu der Ansammlung von Baumstümpfen hinüber, etwa fünfzig Schritt entfernt, wo Leo zum Schuss angelegt hatte. „Einer der Elefanten machte sogar einen Scheinangriff“, berichtete Schalk, „und Risco und Frank flüchteten ins Gebüsch!“ Alle lachten. „Es wurde richtig aufregend“, fuhr Leo fort, „deshalb bezeichnet man dieses gefährliche Spiel als Jagd. Es ist nicht ausgeschlossen, dass jemand dabei verletzt wird. Man muss genau wissen, was man tut.“ Nahe der Abschussstelle sammelte JG die Patronenhülsen vom Sand auf. Leo spielte den Schießvorgang nach und wies mit ausgetreckten Armen in die Richtung des erlegten Elefanten. Dann gestand er: „Ich bin nicht furchtbar stolz auf den Schuss, den ich heute abgegeben habe, aber die Folge war immerhin, dass ein Elefant innerhalb einer Minute tot war. Ehrlich gesagt, bisweilen ist Jagen eine hässliche Sache. Doch es ist jedesmal ein guter Tag, wenn man erfolgreich jagt – ohne lange Nachsuche nach einem verwundeten Tier und ohne Schaden für die Jäger. Jedesmal, wenn nichts wirklich Dramatisches passiert. Also ist heute ein guter Tag.”
Inzwischen hatten Männer aus dem Dorf den Elefantenkadaver abgehäutet, und Zuschauer hatten sich angesammelt, die meisten von ihnen Männer. Wir setzten uns unter einen Baum, um der brütenden Sonne zu entkommen. „Das Feuer ist schon in Gang“, bemerkte Jackie und deutete auf eine Gruppe Männer, die sich offensichtlich auf ein Festmahl freuten. Immer mehr Dorfbewohner fanden sich ein. Auf meine Frage, was er denjenigen antworten würde, die behaupten, dass sein Lieblingszeitvertreib kein „Sport“ ist, meinte Leo: „Ich nehme an, dass solche Leute erstens noch nie gejagt haben und zweitens vermutlich Fußballfans sind.“ „American Football“? wollte ich wissen. „Irgendein Fußball“, kam die Antwort. „Rugby, Fußball oder American Football. Wenn Schiedsrichter dabei sind, die ab und an ihre Pfeife blasen, ist das für mich kein Sport, es ist ein Spiel.“
Nach dem kurzen Abstecher in die Trivialität kam Leo wieder auf die Bedeutung seines – gleich, wie definierten – Tuns zu sprechen, mit Bezug auf den Naturschutz und die menschliche Existenz im ländlichen Raum. „Ich schätze, da liegen zwei- bis dreitausend Pfund Fleisch, das theoretisch alles an die einheimische Bevölkerung verteilt wird“, meinte er. „Davon abgesehen bezahlt sicher auch der Safari-Veranstalter einen schönen Batzen und beschäftigt außerdem eine ganze Reihe von Leuten. Mir scheint, dass ein guter Teil des Geldes, das wir für diese Jagd ausgegeben haben, genau hier im Hegegebiet bleibt.“
Es war Leo bei dieser Jagd nicht gestattet, das Elfenbein oder sonst einen Teil des Elefanten mitzunehmen, aber mit dem Schwanz wurde eine Ausnahme gemacht. „Ich wusste, dass ich nichts mitnehmen durfte, weil das gesamte Tier den Einheimischen gehört,” bestätigte Leo. Dann fügte er hinzu: “Heute wurde mir jedoch mitgeteilt, dass der Jäger den Schwanz bekommt. Keine Ahnung, ob es eine Bestimmung oder ein Gesetz ist, oder halt Tradition.“ Es ist in der Tat ein Brauch, der seit dem Ende des 19. Jahrhunderts gepflegt wird. Der Jäger erhob auf diese Weise Anspruch auf seine Beute. Dieser Tage werden die Schwanzhaare gerne zu Armbändern geflochten, zu Ehren des Elefanten und um den Täger des Armbands als denjenigen auszuweisen, der den Dickhäuter erlegte. „Anscheinend gibt es hier einen Mann, der die Kunst beherrscht, diese langen, wirklich tollen Elefantenschwanzhaare zu flechten“, hatte Leo zudem erfahren. „Wir werden ihn bitten, so viele Armbänder wie möglich zu machen.“ „Das werden schöne Mitbringsel!” freute sich Jackie.
Inzwischen wurden Anstalten getroffen, das Fleisch zum Naturschutzamt auf dem Festland zu transportieren. Frank dirigierte den Vorgang, und viele der Einheimischen machten sich mit ihrer Portion auf den Heimweg. Auch für Leo war es an der Zeit, den Ort des Geschehens zu verlassen. Sein Lebenstraum, einen Afrikanischen Elefanten zu jagen, war erfüllt und die Einnahmen, die seine Beute eingebracht hatte, kamen samt dem Fleisch vielen Einheimischen zugute. Ich erkundigte mich, wie er sich fühlte und ob er irgendwann wieder zur Jagd hierherkommen wolle. „Es tut mir leid, einen Elefanten zu töten,“ antwortete er. „Vor einigen Jahren habe ich einen Leoparden erlegt, das erste gefährliche Wild, das mir bis dahin vor die Flinte gekommen war. Für mich war es die beste Jagd meines Lebens, und es ist wirklich eine Versuchung, erneut auf Leopardenjagd zu gehen. Aber mein Leopard war eine echte Trophäe, ein wunderschönes Tier. Es fällt mir schwer, eine Rechtfertigung dafür zu finden, wieder loszuziehen und noch einen zu erlegen“. Nach einer Pause: „Es ist irgendwie so, dass ich finde, es gibt Dinge, die man einfach lassen sollte.“ „Vielleicht nochmal ein Elefant?“ fragte ich. “Eigentlich wollte ich nur einmal einen Elefanten jagen”, war Leos Antwort, “aber jetzt gerade kann ich mir eine Wiederholung vorstellen. Dann vielleicht eine Trophäenjagd.“
Dieser Artikel wurde erstmals in der 2016 Deutsch-Ausgabe von HUNTiNAMIBIA veröffentlicht.