Mein erstes Afrikanisches Wild
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Ein Leben in der Wildnis birgt gefahren
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Ein unvergesslicher Morgen in Afrika

Auf der Fährte unseres Wildes mit den gedrehten Hörnern blieb mein Jagdhelfer plötzlich und abrupt stehen – genau wie ich selbst. Es gehört zu den schönen Erfahrungen zu erleben, wie man nach Tagen, Wochen und Jahren, die man mit einem Jagdhelfer im Feld verbringt, sich quasi synchronisiert und ein Gespür für die Bewegungen und Körpersprache des anderen entwickelt.  von Jofie Lamprecht

eland-trophy

Die Minuten vergingen in lähmender Langsamkeit. Kam der Bulle etwa näher oder hörte sich das Knie-Klicken jetzt nur lauter an, weil unser Herzschlag jetzt zur Ruhe kam und unsere Ohren das Klicken gerne lauter hören wollten?

S eit ungefähr zwanzig Minuten waren wir jetzt auf der Fährte eines großen Eland Bullen. Ganz offensichtlich strich er um eine große Herde herum und wir hofften sehr, ihn, bevor er in der Menge der Herde verschwand, genauer in Augenschein nehmen zu können. Der Spurenleser und ich selbst gingen voraus, der Jäger und der Wildwart folgten. Sekunden später flitzte der Wildwart vorbei und stellte auf dem Weg zum nächsten Baum einen neuen Weltrekord im 50 Meter Sprint auf. Ich konnte nur seinen entsetzten Ausruf „Nashorn!“ aufschnappen.

Ich drehte mich Albert, meinem Jagdgast zu: „Hinterher“, kommandierte ich und versuchte gleichzeitig zu erkennen, woher die Gefahr denn kam. Der Jäger läuft
in Richtung des Baums, an dem mein Spurenleser und der Wildwart schon wie Weihnachtsschmuck hingen. „Rauf“, sagte ich schnell. Albert fing an auf den Baum zu klettern, stieß aber bald an das Hinterteil des Spurenlesers. „Rauf“, wiederholte ich. Albert nahm seine entladene Büchse und stieß den Spurenleser damit in den Hintern. Die Aktion zeigte den gewünschten Effekt und der Spurenleser stieg höher über die dünnen Äste in die Spitze des nicht so besonders großen Baumes. Schließlich warteten wir alle vier, jeder an einem zerbrechlich wirkenden Ast hängend, auf das Nashorn. Wir hörten ein Schnauben und das Brechen von Zweigen und einen abschließenden Furz, und schon rauschte unser Haken-lippiger Angreifer an uns vorbei und verschwand im Busch.
Es brauchte eine Weile bis wir unsere Fassung wieder gefunden hatten und vom Baum herunter kamen um unser eigentliches Vorhaben fortzusetzen.

Langsam pirschten wir vorwärts, als ich es plötzlich hörte. Ich signalisierte dem Jagdgast und dem Spurenleser still zu stehen, schloss meine Augen und peilte, wie ein Radar, diesen eigentümlichen Ton an, der ein bisschen klingt wie Holz- und Metall-Klötze, die fest zusammengeschlagen werden. Man kann versuchen, diesen Ton nachzumachen, es wird einem aber nicht gelingen. „Ping, ping, ping“ ging es die ganze Zeit. Albert verstand nicht, was wir anderen hörten. Sein Gesichtsausdruck änderte sich von angespannt zu verwirrt. Natürlich hörte er das Geräusch auch, konnte aber seine Bedeutung nicht einordnen. Wir stellten die Richtung aus der das Klicken kam fest. Anscheinend bewegte es sich nach rechts, fast in unsere Richtung. Wir bewegten uns in der gleichen Richtung und bezogen Position in einer offenen, ungefähr 40 Meter langen Gasse, die freies Schussfeld bieten würde. Der „blaue“ Eland Bulle war auf dem Weg zu dem schütteren Schatten einer Weidenblatt Akazie zu unserer Rechten und würde uns in 20 bis 30 Meter Abstand passieren.

Die Spannung in der Luft ist fast mit Händen greifbar und unsere Adrenalindrüsen arbeiten im Akkord, wenn auch nicht ganz so stark wie vor zwanzig Minuten, als uns das Nashorn Beine gemacht hat.

Die Waffe entsichert, warten wir in Bereitschaft. Warten auf das „Ja“ oder „Nein“ Kommando, da wir ja die Trophäe noch nicht richtig ansprechen konnten. „Ping“, „Ping“ – nichts. Fast war er da. „Ping“. Ein alter Herr trat heraus, ein rotes, acht Zentimeter dickes Haarbüschel auf der Stirn, fast wie ein Punk. Sein langer, fast haarloser, blau-grauer Träger war ausgestreckt, die Wamme schwang vor und zurück und eine schwere Last drückte auf seine runden Hufe. Die Streifen auf den Flanken waren verblichen, kahl und ledern.
„Nicht schießen“! Wies ich den Jäger leise an. Mit einem Ausdruck des Bedauerns hob er seinen Kopf vom Schaft „Es wird mir sicher noch leid tun, diesen Schuss nicht gemacht zu haben“.

Der Bulle war großartig. Er hatte alles, was man in einem Eland sucht. Aber leider waren seine Hörner – in einer geraden Linie gemessen – abgenutzt bis auf weniger als 40 cm. Kurze Stumpen von dem Gebrauch über all die Jahre. Der Bulle erstarrte als er der Eindringlinge in seine Welt gewahr wurde. Dann drehte er in seinem kilometerfressenden Trott – reife Eland Bullen können wegen ihres Gewichts kaum in Galopp fallen – unbeirrbar ab, als ob er unsere Gedanken lesen könnte.

Eland-head
Foto ©Jofie Lamprecht Photography

DER BESONDERE KLICK DER ELAND

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Der eindrucksvolle Eland Bulle warnt Rivalen auf ganz einzigartige Weise, nämlich durch lautes Klicken mit den Kniegelenken. Mit diesem Klicken signalisieren männliche Eland Gegnern deutliche Überlegenheit. Die dänischen Forscher Jakob Bro-Jorgensen von der zoologischen Gesellschaft London und Torben Dabelsteen von der Universität Kopenhagen machten diese Beobachtung in Kenia in Ostafrika. Erzeugt wird das Klicken beim laufen durch das gleiten / rutschen / schnappen einer Sehne über die Beinknochen.

Dr. Bro-Jorgensen erläutert:
„Die Sehne verhält sich in diesem Fall wie eine Saite, die gezupft wird, und die Frequenz des Tons einer Saite verhält sich umgekehrt zu ihrem Durchmesser und ihrer Länge. Daher nimmt, und das ist ganz wichtig, die Tiefe des Tons mit zunehmender Größe des Skeletts zu, so dass aus diesem Zusammenhang direkt auf die Körpergröße geschlossen werden kann.“

Je größer das Tier, desto lauter der Ton…er kann bis zu 100 Meter weit zu hören sein. Die Forscher fragen sich, wie sich das Klicken im Laufe der Evolution entwickelt hat. Vielleicht werden auf diese Weise Kämpfe, die immer Verletzungsgefahr bedeuten, vermieden.

Wir waren von dieser nahen Begegnung aufgekratzt. Es war wieder ein denkwürdiger Morgen in Afrika. Da waren wir also: schweißgebadet in der sengenden Hitze an diesem vorletzten Tag der namibischen Jagdsaison Ende November. Nach Plan war es unser letzter Jagdtag auf Eland. „Mittagessen, ein Schläfchen, dann machen wir weiter“ sagte ich der Jagdgesellschaft.

Nach einem leichten Imbiss an einem Platz, von dem aus man das mit roten, versteinerten Sanddünen Felsen übersäte Tal unter dem blau weißen Himmel überblicken konnte, machten wir uns einmal mehr auf um die Jagd fortzusetzen. Ende der Jagdsaison, das bedeutet, dass die Eland Bullen mit den Herden ziehen und im Wettstreit um ihre Größe und ihr Gewicht und ihr Imponiertalent stehen. Es ist die Zeit, in der sich sehr große Herden sammeln. In Gegenden mit starker Eland Population umfassen diese Herden mitunter hunderte von Tieren. Und hunderte mal zwei ergibt die Anzahl der Augen, die nach Raubwild Ausschau halten. In diesem Fall sollten sie unsere Beute sein, also hielten sie nach uns Ausschau.

Wir erspähten eine große Herde im Busch und passierten sie ganz ruhig um aus sicherem  Abstand unseren Anlauf zu starten. Von unserem Ausgangspunkt aus liefen wir in einem Halbkreis um vor dir Herde zu kommen und den Wind im Gesicht zu haben. An unserer Position kletterte ich auf eine Weiden Akazie um mir einen besseren Überblick zu verschaffen. Von nun an warteten wir. Ein paar junge – und dumme – waren schon ins offene ausgetreten, aber die alten, lebenserfahrenen blieben noch im Schatten bis sich die Mittagshitze auf ein angenehmeres Niveau abgekühlt hatte. Über eine Stunde saßen wir einfach da und beobachteten. Dies war unsere letzte Gelegenheit und die wollten wir sinnvoll nutzen.

Als ob ein stiller Alarm ausgelöst worden sei, kam plötzlich Leben und Bewegung in den dichten Busch vor uns als die Tiere sich ins Offene bewegten. Hastig wanderten unsere Ferngläser hin und her, überwältigt von der riesigen Zahl der Körper, Hörner und Farben, alle gleichzeitig in einem Rahmen. Konzentration war jetzt entscheidend. Die Richtung des Angehens würde über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Auf dieser grundlegenden Stufe  ist die Jagd auf Eland nicht anders als die auf Kaffernbüffel – bis zu dem Punkt an dem der Schuss fällt. Wie beim Eland packt einen diese unbeschreibliche Sensation auf dem Höhepunkt des Erlebnisses – sofern man gut trifft, sollte ich wohl ergänzen – und wenn der Fangschuss angetragen ist und die Gefahr vorüber ist.

Ein stark konturierter Körper stach plötzlich deutlich und groß aus der Menge heller und rotbrauner Tiere hervor. Ein großes, dunkles, graues Tier mit einem fast schwarzen Träger, einem roten Haarschopf auf der Stirn und dicken Hörner trottete ungefähr in unserer Richtung. Viele Eland befanden sich zwischen uns und dem Bullen und wir wussten, wir mussten schnell und leise vorgehen um in Position zu kommen, und falls wir sie rechtzeitig erreichten würde uns nicht viel Zeit bleiben. Nachdem wir die Richtung unserer Pirsch festgelegt hatten, liefen und joggten wir tief gebückt, so gut es ging, durch den tiefen Sand der Kalahari. Rechts und links von uns ästen Eland, und das Geräusch unseres Herzschlags in den Ohren kannten wir inzwischen ja auch gut. Abrupt stoppen wir und lassen uns auf die Knie fallen und warten. Das Knie-Klicken kam aus der erwarteten Richtung.

Vorsichtig, und ohne Aufmerksamkeit zu erregen, richtete ich mich auf um zu versuchen den Bullen ins Fernglas zu bekommen. Er war noch nicht zu sehen, die Sicht war versperrt von Eland-Körpern. Ich konzentrierte mich jetzt auf mögliche Schuss-Schneisen, die sich von unserer Position aus nutzen ließen. Die schulterhohen Rosendornbüsche würden uns ausreichend Deckung geben, leider ist ihre Höhe auch ziemlich störend für einen waidgerechten Schuss. Eine Schuss-Schneise zu finden ist eine Sache, allerdings muss das Wild dabei auch mitspielen und in diese Schneisen ziehen. Die Minuten vergingen in lähmender Langsamkeit. Kam der Bulle etwa näher oder hörte sich das Knie-Klicken jetzt nur lauter an, weil unser Herzschlag jetzt zur Ruhe kam und unsere Ohren das Klicken gerne lauter hören wollten? Gedankenspiele. Die jungen und dummen waren links und rechts von uns, vollkommen ahnungslos von unserer Gegenwart.

Wie ein Schiff, das aus dem Nebel auftaucht, war er plötzlich da. Das Haupt tief, eine Kuh auf ihre Brünftigkeit prüfend. Langsam zog er von links nach rechts, und hoffentlich würde er durch eine unserer Schneisen ziehen.

Und das an unserem letzten Tag, der letzten Stunde, der letzten Chance! Es war ein kapitaler alter Bulle. Seine Hörner waren abgewetzt, sie würden eine prächtige Trophäe abgeben und diese Jagd eine geschätzte Erinnerung werden.

Schnell den Schiessstock aufgestellt, der Jäger schob die .300 Win. Mag. entsichert in die Gabel. Das war es. Der Bulle machte einen Schritt in die Schneise, gerade 40 Meter vor uns. Ein leises „Hey“ ließ ihn kurz in seiner Kreisbahn verhoffen. Im gleichen Augenblick brach der Schuss. Er sprang fast senkrecht in die Luft, fast drei Meter hoch. Mit dem bloßen Auge war erkennbar, das er einen guten Treffer hatte. Das Krachen der Büsche an der Stelle, an der er aufschlug übertönte das Getöse der Herde, die von der Bühne floh. Die Störung währte nur kurz, denn die Eland beruhigten sich schon nach 100 Metern wieder und setzten in aller Ruhe das Äsen fort.

„ER IST EIN BISSCHEN SCHWERHÖRIG…UND DU BIST EIN BISSCHEN LAUT“.
Ernest Hemingway

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Wenn ich in einen Raum voller Jäger komme, amüsiert mich oft, dass ihre Stimmen eindeutig die von „sonnenverbrannten-alte-Büffel PH“ sind, was bedeutet, dass der Geräuschpegel einige Dezibel höher ist als bei einer vergleichbar großen Gruppe von Nicht-Jägern.

Schon zu Beginn meiner Laufbahn als Berufsjäger habe ich auf mein Gehör geachtet. Das hat mir schon ein paar Mal meinen Balg gerettet – vor einer Leoparden Attacke, einer Tüpfel Hyäne, die ihre Nase neugierig in den Leoparden Schirm steckte, dem nahekommenden Elefanten im dichten Busch oder einem angreifenden Spitzmaul Nashorn, um nur ein paar haarige Situationen zu nennen. Wie die Tiere die wir jagen, sind die Sinne eines Jägers auf der Jagd auf einer höheren Empfindlichkeitsstufe. Das Sehen, Riechen, die Wahrnehmung von Wind auf der unbedeckten Haut (und ja, kurze Hosen helfen da beträchtlich) und das Hören der leisesten Geräusche wenn man in der Nähe der Beute ist.

Nichts ist dem letzten Angehen auf einer Pirsch vergleichbar: geräuschlos anpirschen, wilde Tiere in ihrem Element hören und riechen können, ohne das man entdeckt wird, hören, wie sie atmen und sich durch Gras bewegen.

Zunächst benutzte ich angepasste Ohrstöpsel, vor kurzem habe ich mir aber professionellen Gehörschutz geleistet. Ich habe mir so mein Gehör und meine Haut gerettet und obendrein meinen Jagderfolg gesteigert. In 50 Meter Umkreis entgeht mir auf der Jagd nichts und kann alle offenen Fragen klären bevor der Jagdgast schießt. Außerdem habe ich die Hände frei und kann dem Jäger helfen oder das Wild im Schuss im Fernglas beobachten und dabei meine Büchse bereithalten, sollte etwas schief gehen.

Ganz am Anfang meiner Berufsjäger Karriere habe ich auf Ohrstöpsel verzichtet, weil ich fürchtete, einen meiner Sinne in einer eventuell lebensgefährlichen Situation blockiert zu haben. Statt dessen klingelten meine Ohren noch Tage nach einer erfolgreichen Jagd und den Schüssen großkalibriger Büchsen. Der Gedanke, das Schädigungen an meinem Gehör nicht mehr zu reparieren seien, hat mich niemals losgelassen. Nachdem ich zum ersten Mal die „elektronischen Ohren“ auf der Jagd verwendet habe, trage ich sie mehr als 220 Tage im Jahr. Heute, nach 3 1/2 Jahren bei jedem Wetter, Schmutz und Staub, Blut Schweiß und Tränen, haben sie fast tausend Tage Jagd in Afrika hinter sich. Ihre Leistung, den Knall der schwersten Büchsen auf praktisch null zu bringen und dabei immer noch in der Lage zu sein den Kugelschlag zu hören, beeindruckt mich jedes Mal aufs Neue. Sie haben das alles ohne Beeinträchtigung ausgehalten.

Wenn Sie also wissen möchten, ob ihre Ausrüstung etwas aushält, geben sie sie für eine Saison einem Berufsjäger in Afrika…

Dieser Artikel wurde erstmals in der 2014 Deutsch-Ausgabe von HUNTiNAMIBIA veröffentlicht.