Ein Mesiterwerk der Natur
Juni 9, 2016
Der Elefant von Tsumkwe
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Mit siebzig hat mancher noch Träume

Irgendwie hatte Tom die Göttin Diana bezirzt – so viel guten Anlauf habe ich selten bei anderen Jägern erlebt. Von Jürgen Schlettwein

D er Leopardenjäger im letzten Jahr hatte storniert und kurzfristig anberaumte Versuche, den Leoparden zu erlegen, der für ihn freigegeben worden war, schlugen fehl. Das sollte dieses Jahr anders laufen – nur, guter Rat war teuer. Die Luderplätze meiner Vorgänger sagten mir weniger zu. Auf zwei Fahrten in das Torra Konzessionsgebiet sahen wir Leoparden nicht weit von der Arigana Quelle. Leopardenfährten auf der Fahrspur bestätigten die Anwesenheit von Großkatzen in diesem Gebiet. Hier musste eine geeignete Stelle für ein Leopardenluder gefunden werden.

Zehn Tage vor Ankunft des Jägers fuhr ich in das Jagdcamp, um Löhne zu zahlen sowie Personal und Camp auf den bevorstehenden Besuch des Leojägers vorzubereiten. Ein Pavian, noch auf meiner Farm Otjitambi erlegt, sollte den Leo schon mal auf den Geschmack bringen. In der Nähe der spärlich fließenden Quelle, die von Springböcken, Oryx und Bergzebras stark frequentiert wird, fand ich ein etwa zwei Meter hohes Mopanebäumchen. Die Elefanten hatten von der Krone nicht viel übrig gelassen außer ein paar armdicken Ästen. Einer dieser Äste diente als letzte Ruhestätte für den Pavian.

Als ich nach einer Woche zurückkehrte, hing nur noch der Unterschenkelknochen mit ein paar zerfransten Sehnen an dem Ast. Sofort wurde für Nachschub gesorgt. Am nächsten Tag hing Pavian Nr. 2 in dem Bäumchen. Ein kleiner Trockenfluss direkt am Fuße des Hanges, wo wir den Leoparden zuletzt gesehen hatten, lud zu einem weiteren Luderplatz ein. Pavian Nr. 3 fand dort seinen letzten Einstand. Ein Springbock und ein weiterer Pavian lagen im Camp auf Vorrat um das angenommene Luder weiter zu bestücken. Der Jäger Tom traf am Morgen per Charterflug ein. Nach ausgedehnter Mittagsruhe, um 36 Stunden Reisemüdigkeit aus den Gliedern zu schütteln, gingen wir am Nachmittag auf Pirschfahrt. Unser Ziel war eine der ausgedehnten Flächen, in der eine Menge Springböcke und Zebras umherzogen. Mein Neffe Pitzi brachte mit seinem “da sind Geparden” gehörige Unruhe in die Gesellschaft. Etwa fünfhundert Meter entfernt streunten zwei Geparden über die Fläche. Wie nun da herankommen?

Eine holprige Fahrspur schlängelte sich über die mit Steinen übersäte Fläche und führte uns in Richtung der Geparden. Doch die waren plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Eine kleine Erhöhung neben uns versprach besseren Überblick. Vielleicht lagen die Geparden genau dahinter.

Merill, mein Späher und Fährtenleser, und ich suchten von der Anhöhe aus angestrengt nach den Geparden. Sie mussten irgendwo vor uns stecken. Nach einer Viertelstunde sah ich durch das Fernglas einen sich bewegenden “Stein”. Der Schädel eines Geparden wurde sichtbar. Sofort alamierte ich Pitzi, der den schon etwas älteren Tom über die unwegsamen Steine – damn stones – zu uns führte. Unterdessen hatten wir Steine zu einer Art Sitz aufgehäuft. Mit Hilfe des Zielstocks sollte ein gezielter Schuß aus dem Sitzen möglich sein. Nur konnte Tom den Geparden nicht entdecken! Nach einigem Hin und Her sah er schließlich den länglichen “Stein”.

“Aim for the centre!”, sagte ich noch schnell, da rummste es auch schon. Im Schuss schoss der „Stein“ in die Höhe und stand auf vier langen gefleckten Läufen. Tom schaute verdattert aus der Wäsche, jetzt musste er schnell nachladen und schießen! Der Gepard trollte sich bereits langsam davon. Der nächste Schuss ließ den Geparden etwas schneller werden. Ich dachte schon, eine gute Gelegenheit sei verpasst, als der Gepard haltmachte und zur Seite schaute. Aus dieser Entfernung sah die Großkatze erschreckend klein aus. Da krachte es und der Gepard fiel um. Ich traute meinen Augen nicht. Ein grinsender Tom meinte nur:

“It’s a damn flat shooting rifle.”

Der Kontrollschuss am nächsten Tag war des Rätsels Lösung: dreißig Zentimeter Hochschuß auf einhundert Meter. Zum Glück.

Das Luder an der Quelle war gut angenommen worden – allerdings vom falschen Räuber. Zwei Löwen und Hyänen hatten den Leo verscheucht. Die Fotofalle und das Fährtenbild gaben Aufschluss über die Geschehnisse während der Nacht. Sofort wurde das Bäumchen neu bestückt. Die Köder hingen nun etwas höher, damit zumindest die Hyänen nicht drankamen. Von der Springbockhälfte fehlte am nächsten Morgen jede Spur. Nur die Paviane wurden von Löwen und Hyänen verschmäht. Wir brachten Pavian Nr. 3 nun auch noch zur Quelle und ein weiterer mußte sein Leben opfern, damit genug Fleisch im Baum hing und der Leo nicht alles während einer Sitzung verputzen konnte.

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„Mit Gebrüll schoss uns eine gelbe Furie entgegen. Ein schwarzer Pfeil flog an mir vorbei in Sicherheit, während ich dem angreifenden Leo die Büchse entgegenhielt und abdrückte.“

n den nächsten beiden Nächten streunte nur eine Hyäne um den Luderbaum herum. Paviane gehörten einfach nicht auf die Speisekarte der Löwen und Hyänen. Der Leo kam zurück und verspeiste den größten Teil der Paviane. Die Fotofalle zeigte, dass der Leopard zu verschiedenen Zeiten im Speisesaal war, das letzte Mal morgens um halb acht. Ein weiterer Springbock musste her. Als eine Springbockhälfte die obersten Äste des Bäumchens zierte, bauten wir den Schirm etwa fünfzig Meter weiter zwischen zwei dicht nebeneinander stehenden Mopanebüschen auf. Der Leo sollte sich in Ruhe an dem Luder laben, um am nächsten Abend sorglos zurückzukehren.

Am nächsten Nachmittag saßen Tom und ich um halb vier im Schirm. Bis zum Einbruch der Dunkelheit tat sich nichts. Nur zwei Schakale streunten etwa fünf Meter entfernt an unserem Sitz vorbei, jedoch ohne uns zu bemerken. Es folgte eine lange Nacht. Kurz bevor es hell wurde, hörte ich den Leoparden Knochen knacken. Endlich graute der Morgen am östlichen Horizont. Hoffentlich verschwand die Großkatze nicht bevor wir etwas sehen konnten. Allmählich tauchten die Konturen der Büsche aus der Dunkelheit auf und der Leopard wurde sichtbar. Langsam ging Tom ins Ziel. Im Schuss brüllte der Leopard auf, sprang vom Baum, drehte eine Pirouette und verschwand mit ein paar Grunzern. Das sah für mich nicht gut aus – eine Nachsuche auf einen wahrscheinlich übel gelaunten Leoparden.

Als die Sonne aufging und die ersten Strahlen für Schatten in den Fährten sorgten, untersuchten wir gemeinsam mit Fährtensucher Merill, Bethuel und Schweißhund Joga den Anschuss. Ein paar Spritzer Schweiß lagen neben den tiefen Eingriffen des flüchtig gewordenen Leoparden – also nichts wie hinterher mit geladener Doppelbüchse im Kaliber 375 H+H.

„Der Leo sollte sich in Ruhe an dem Luder laben, um am nächsten Abend sorglos zurückzukehren.“

Trotz der angespannten Situation amüsierte mich unsere Prozession: leicht versetzt vor mir und Tom bewegte sich ein gebeugter Merill, in gebührendem Abstand hinter uns folgte Bethuel und etwa zehn Meter hinter uns hielt sich Joga auf, die nichts mit der Sache zu tun haben wollte. Die Fährte führte uns in das Trockenflussbett, das dicht mit Binsen bewachsen war. Vor uns brüllte kurz der Leo, war aber nicht zu sehen. Man hörte nur das Rascheln der Binsen als er sich tiefer in das Dickicht flüchtete. Mir gefiel diese Situation überhaupt nicht. Mit einer leichten Brise im Rücken lagen alle Vorteile beim angeschweißten Leoparden.

Wir warfen ein paar Steine in die Binsen, aber ohne Erfolg. Mit Joga umschlugen wir die Binsen, um gegen den Wind an den Leo heranzukommen. Joga würde uns Bescheid geben sobald wir uns dem wütenden Leoparden näherten. Nur mit gutem Zureden konnte ich Joga nach vorne locken. Plötzlich sträubten sich ihre Haare und sie fing an zu knurren. “Such, such, such” munterte ich sie auf. Nun fing sie an zu bellen und schaute direkt vor uns in die Binsen. Langsam schob sich Merill an den Rand eines Binsendickichts. Mit entsicherter Büchse stand ich neben ihm. Merills Hals streckte sich giraffenähnlich, um in das Dickicht zu schauen. Mit Gebrüll schoss uns eine gelbe Furie entgegen. Ein schwarzer Pfeil flog an mir vorbei in Sicherheit, während ich dem angreifenden Leo die Büchse entgegenhielt und abdrückte. Zum Zielen war keine Zeit. Wie vom Blitz getroffen warf es den starken Kater direkt vor meine Füße. Das hätte auch ins Auge gehen können! Als Bethuel auf Merills zitternde Knie deutete und fragte was los sei, antwortete Merill: “Ich tanze nur vor Freude.”

Ich holte den im Auto zurückgelassenen Tom, der nun voller Freude seinen starken Leoparden betrachtete. Wir mussten ihm bis ins kleinste Detail schildern, wie die Nachsuche ablief. Aus nur zwei Stunden sitzen waren vierzehn geworden.

Zum Abschied erklärte ein glücklicher Tom: “Lass den nächsten Leoparden nicht so nah an dich heran, ich komme wieder!”

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Foto ©Dirk de Bod
Dieser Artikel wurde erstmals in der 2015 Deutsch-Ausgabe von HUNTiNAMIBIA veröffentlicht.