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Der Elefant von Tsumkwe

Haupt Foto ©Felix Marnewecke

Im Hegegebiet Nyae Nyae in Nordost-Namibia war die Regenzeit 2014 ganz außergewöhnlich. Keiner der Einheimischen konnte sich erinnern, jemals derartige Nässe erlebt zu haben. Alle Pfannen waren zum Überlaufen voll, und die südlichen und südwestlichen Teile des Konzessionsgebietes waren total unzugänglich. Das bedeutete, dass nur zwei Drittel des üblichen Jagdreviers genutzt werden konnten. Und weil mehr als genug Wasser vorhanden war, verteilte sich das Wild über das gesamte riesige Gebiet. Das erschwerte die Jagd erheblich, insbesondere die Jagd auf Elefanten. Von Felix Marnewecke

M ein Kunde machte bereits zum dritten Mal eine Elefantensafari mit mir. Zum Ende der Regensaison (April/Mai) hatten wir eine 30-tägige Safari abgeschlossen. Unter äußerst schwierigen Bedingungen war es uns gelungen, einen alten 60 Pfünder zu erlegen, und jetzt war mein Freund wieder da und wollte etwas Größeres.

Als wir die Hälfte dieser Safari hinter uns hatten, waren uns zwar etliche alte Bullen begegnet, aber einen wirklich Bemerkenswerten hatten wir noch nicht gefunden. Zuvor waren wir auf die Spuren von vier Bullen gestoßen, die ganz in der Nähe der kleinen Ortschaft Tsumkwe die Straße nach Sigaretti überquert hatten. Zwei von ihnen waren kapitale alte Bullen. Wir konnten die Fährte ein Stück verfolgen, doch dann verlor sie sich auf einem harten, flachen Lehmboden, wo sie von anderen Elefanten verwischt worden war.

Als wir am 14. Tag auf dem Weg zur Grenze von Khaudum waren, kreuzten wir erneut die Spuren derselben vier Bullen. Allerdings war die Fährte etwa zwei Tage alt, so dass wir frustriert die Suche nach frischen Spuren fortsetzten. Nach einem erfolglosen Tag war es schließlich Zeit für die Heimfahrt. Ich beschloss, auf dem gleichen Weg zurückzukehren. Die Sonne war bereits rasch am Sinken als wir die Spuren der vier Bullen wiederfanden. Diesmal überlagerten sie die Reifenspur, die wir am Morgen hinterlassen hatten. Wir drängten uns alle um die Spuren und versuchten zu bestimmen, wann die Elefanten wohl hier gewesen sein mochten. Angesichts der einsetzenden Dämmerung wollte ich die Dinge auf sich beruhen lassen, doch in diesem Moment winkte mich Kxao, einer meiner Fährtenleser, zu sich hinüber und deutete auf winzige Wassertropfen auf dem tiefen Sand. Als ich sie berührte, fühlte ich noch die Feuchtigkeit. Das bedeutete, dass die Elefanten ganz in der Nähe ihren Durst gelöscht hatten und noch in der Umgebung waren. Wir schnappten sofort unsere Gewehre und folgten den Spuren. Im dicken Sand waren sie leicht zu erkennen. Wir prasselten eilig durch die dichte Vegetation. Das ging alles andere als leise vor sich, und ich hatte schon meine Zweifel. Doch plötzlich öffnete sich der Busch und wir traten in eine offene Fläche mit einigen Teichen und kleinen Gruppen von Blutfruchtbäumen (Terminalia prunioides). Wir passierten den ersten Teich und bewegten uns durch eine Baumgruppe. Und dann erspähten wir sie! Die vier Elefanten ästen auf der anderen Seite des nächsten Teiches. Zuerst sah ich nur einen, und er war beeindruckend. Während er sich von mir fortbewegte, war ein großer Stoßzahn zu sehen. Ich blickte zu Kaqece, einem anderen Fährtenleser, hinüber. Er lächelte und hielt beide Daumen hoch. Dann gestikulierte er, dass ich zu ihm kommen sollte. Als ich um den Busch, der zwischen uns stand, herumging, sah ich den Elefanten, auf den Kaqeces Augen gerichtet waren. Es war ein kapitaler Bulle, der sich da in den dichten Busch davonmachte. Ich bekam nur flüchtig einen Stoßzahn zu sehen, aber ich wusste sofort, dass dies ein Elefant von der Sorte war, die wir gesucht hatten.

Das Tageslicht war rapide am Schwinden, während wir versuchten noch etwas weiter voran zu kommen. Und diesmal wurden wir gehört. Die Elefanten wurden unruhig und bewegten sich ein Stückchen fort. Da standen sie als Gruppe zusammengedrängt, auf der Hut, jeder witterte in eine andere Richtung. Ich flüsterte den Fährtenlesern zu, dass sie stehenbleiben sollten. Nach einer kurzen Besprechung entschieden wir uns, die Bullen für heute sein zu lassen und am Morgen zurückzukehren. Wir wollten sie lieber nicht zu sehr beunruhigen. Einem solchen Elefanten den Rücken zuzukehren ist nicht leicht – das dürfen Sie mir glauben!

Am nächsten Morgen waren wir bei Sonnenaufgang wieder an der Stelle, wo wir die Elefanten am Abend zuvor entdeckt hatten.

„Keiner sprach ein Wort als wir uns dem niedergesunkenen Elefanten näherten. Es fällt mir schwer, die Gefühle zu beschreiben, die mich erfüllten, während ich neben diesem mächtigen Tier stand.“

Eine Dreiviertelstunde lang mühten wir uns ab, ihre Spur zu finden. Die ganze Zeit überlegte ich hin und her, ob die Umkehr am vorigen Abend richtig gewesen war. Eine halbe Ewigkeit schien verstrichen zu sein, als einer der Fährtenleser mir zupfiff. Robert hatte die Spuren gefunden, es konnte weitergehen.

Nachdem wir abends umgekehrt waren, hatten sich die Bullen eilig in westliche Richtung davongemacht. Als wir die Fährte etwa eine Stunde lang verfolgt hatten, fanden wir nach und nach Stellen, an denen die Elefanten gefressen hatten, und noch ein Stück weiter ihren Schlafplatz. Jetzt war uns allen klar, dass wir ihnen dicht auf den Fersen waren. Dennoch dauerte es eine weitere Stunde, bis wir den ersten Bullen sichteten. Es war der mit nur einem Stoßzahn, den ich am Abend zuvor gesehen hatte. Er hob sich deutlich auf der kleinen Anhöhe ab, etwa 300 Meter von uns entfernt. Während er sich Sand über den Rücken warf, schaute er in unsere Richtung. Der mächtige Stoßzahn glänzte im frühen Morgenlicht. Ein fantastischer Anblick.

Die anderen Bullen ästen etwas weiter hinter ihm. Wir manövrierten uns mit dem Wind langsam an der Gruppe vorbei, in der Hoffnung, uns so in Position zu bringen, dass sie sich auf uns zubewegen würden. Etwa eine Stunde lang bewegten wir uns ständig vor den Elefanten her. Dann endlich hatten wir eine Stelle erreicht, von der ich annahm, dass der Kapitale uns dort entgegenkommen würde. Alles verlief nach Plan, bis sich der Bulle auf 30 Meter genähert hatte. Doch dann überholte ihn der mit dem einen Stoßzahn und steuerte direkt auf uns zu. Da wir keine Möglichkeit hatten, woandershin auszuweichen ohne bemerkt zu werden, sagte ich dem Kunden, er solle auf die Schulter zielen.  Als der Schuss losging machten beide Bullen kehrt und stürmten davon. Bevor sie verschwunden waren konnte der Kunde noch zwei Schüsse platzieren. Wir alle setzten uns erstmal in den Sand und rauchten eine, bevor wir die Verfolgung wieder aufnahmen. Nach etwa 500 Metern sahen wir ihn unter einem Baum stehen. Der Kunde gab ihm den letzten Schuss, und es war vorbei.

Keiner sprach ein Wort als wir uns dem niedergesunkenen Elefanten näherten. Es fällt mir schwer, die Gefühle zu beschreiben, die mich erfüllten, während ich neben diesem mächtigen Tier stand. Ich denke, es war eine Mischung aus Hochstimmung und Reue. Letzten Endes war es eine gute Jagd auf ein Tier gewesen, das älter als fast jeder von uns war, der jetzt bei ihm stand.

Zwölf Tage später wogen wir im Lager die Stoßzähne. Sie brachten 87 und 89 Pfund auf die Waage.

„Er stand auf einer kleinen Anhöhe, etwa 300 Meter entfernt. Während er sich Sand über den Rücken warf, schaute er in unsere Richtung. Der mächtige Stoßzahn glänzte in der frühen Morgensonne. Ein fantastischer Anblick.“

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Foto ©Felix Marnewecke
Dieser Artikel wurde erstmals in der 2015 Deutsch-Ausgabe von HUNTiNAMIBIA veröffentlicht.