D ie Ehre, ein schwarzes Nashorn zu jagen, wird nur wenigen Jägern zuteil. Namibia wurde 2004 im Rahmen von CITES (Washingtoner Artenschutzabkommen) eine Quote zur Trophäenjagd auf nicht mehr fortpflanzungsfähige Nashornbullen gewährt. Nur sechs sind seither erlegt worden. Auf einer Auktion in Dallas, Texas, wurde eine Jagd auf ein namibisches Nashorn angeboten und von Corey Knowlen ersteigert. Berufsjäger Hentie van Heerden hatte das Glück, Knowlen bei seinem Jagdabenteuer in Namibia zu führen. Hier ist Henties Geschichte:
In der Nashornjagd war ich unbewandert und musste mich deshalb auf die gesammelte Erfahrung verlassen, die ich mir in all den Jahren auf der Pirsch und bei der Überlistung von Trophäenwild angeeignet habe. Außerdem hatte diese Jagd ihre Komplikationen. Das Umwelt- und Tourismusministerium (MET) hatte in zwei verschiedenen Gegenden drei Bullen identifiziert, die in Frage kamen. Um sicherzustellen, dass wir das richtige Tier verfolgten, mussten uns zwei Ranger des Ministeriums begleiten – den Jäger, mich und die beiden Tracker. Und dann schlossen sich der Jagdgesellschaft auch noch ein Fotograf und ein Journalist von CNN an, um das Abenteuer zu dokumentieren. Keine ideale Voraussetzung für eine Jagd, egal wo.
Der erste Jagdtag begann nach dem üblichen Muster: die Fährte musste gefunden werden. Als der Ranger sagte, ‘ja, das ist die richtige’, zogen wir los. Aber es war einfacher gesagt als getan. Bei 40 Grad Hitze marschierten wir bis zwei Uhr nachmittags durch weichen Sand und dichte Vegetation, ebenso am nächsten Tag. Ich beschloss, dass es mit einer so umfangreichen Jagdgesellschaft zu gefährlich war. Diese Jagd war nicht eindeutig zu überschauen und es gab keinen Spielraum für Fehler. In anderen Gegenden schlafen schwarze Nashörner während der Mittagshitze, aber hier nicht. Hier ruhen sie im Schatten eines Baumes, liegend oder stehend, und wenn sie etwas herannahen hören oder einen ungewohnten Geruch aufnehmen, stürmen sie gleich durch den Busch davon und sind nicht aufzuhalten.
Wir informierten MET, dass wir am Zusammenpacken waren und die andere identifizierte Gegend aufsuchen wollten, wo die Landschaft nicht so unerbittlich ist. Die Vegetation ist karger und somit ist die Sicht besser. Es war eine sechstündige Fahrt dorthin. Wir waren seit zwei Stunden unterwegs, als mich jemand vom Ministerium anrief und sagte, das freigegebene Nashorn in der Gegend, die wir ansteuerten, sei ausfindig gemacht worden, aber zwei Wochen zuvor sei es eines natürlichen Todes gestorben, aus Altersgründen, die Hörner seien intakt. Also kehrten wir um und waren
wieder genauso weit wie zuvor.
Am nächsten Tag stehen wir früh auf. Die richtige Fährte finden und los. Wir gehen und gehen, denn wir wissen, dass wir den Nashornbullen irgendwann zu Gesicht bekommen müssen. MET hat bestätigt, dass wir auf der richtigen Spur sind, und so folgen wir ihr immer weiter.
Es ist nicht wie bei einer Elefantenjagd, bei der man das Tier aus dem hohen Gras herausragen sieht. Ein Nashorn ist bei hohem Gras und dichter Vegetation einfach nicht auszumachen. Zudem flüchtet es, sobald es etwas hört. Und dann kehrt es in Windrichtung um und kommt in einem Bogen (wie ein Angelhaken) zurück. Da man konzentriert der Spur folgt, wird einem erst klar, dass der Bulle einen Bogen geschlagen hat, wenn man ihn mit seinen 1,5 Tonnen durch den Busch prasseln hört. Dann weiß man, dass man an ihm vorbeigegangen war und dass er dich entweder gehört oder deine Witterung aufgenommen hat. Nashörer sehen schlecht, aber ihr Gehör ist hervorragend und ihr Geruchssinn muss ebenfalls sehr gut ausgeprägt sein.
Man folgt also weiterhin der Fährte, schlägt den Bogen und findet den Ruheplatz, aus dem das Nashorn geflüchtet ist. Und man bleibt auf der Spur. Die Vegetation ist so dicht, dass man das liegende Tier auf keinen Fall sehen würde. Die Sicht ist auf 20 bis 30 Meter begrenzt. Das hohe Gras steht dir fast bis zur Schulter, denn es hat noch kein Buschfeuer gegeben. Du folgst ihm durch das dornige Gestrüpp von Akazien und Rosinenbuscharten. Obwohl der Wind günstig für uns steht, trickst uns der Nashornbulle zweimal aus. Wir bleiben stur auf der Fährte und hören nicht mal, dass er sich erhebt und davonmacht.
Kilometer um Kilometer stapfen wir durch den weichen Sand. Es ist heiß. Und ich weiß, dass heute der Tag aller Tage ist. Wir müssen dranbleiben. Denn morgen wird er uns erneut an der Nase herumführen. Er wird aufstehen und flüchten, aufstehen und flüchten bis zur Ermüdung. Wir müssen ihn dazu bringen, immer häufiger aufzustehen, und mit zunehmender Ermüdung wird er immer kürzere Strecken zurücklegen.
Auf einem Wildwechsel geht man nicht. Man folgt nur seiner Spur, und wenn sie durchs Gebüsch führt, muss man ebenfalls durch das Gebüsch. Manchmal sieht man, wo er verhofft hat, wo er langsamer geworden ist. Man sieht, dass er sich von einem Schattenplatz zum nächsten bewegt. Dir wird bewusst, dass er ruhelos ist.
“ Die Nachmittagshitze macht uns zu schaffen. Wir sind noch müder und durstiger und unsere Konzentration lässt zu wünschen übrig. Auf einer Großwildjagd ist das der Punkt, an dem man die Flagge streicht und am nächsten Tag wieder loszieht. „
Jetzt sind wird vorsichtig, denn manchmal verhofft er einfach und sichert zurück. Er weiß, dass er verfolgt wird und dass der Verfolger nicht aufgibt.
Vor zwei Stunden haben wir die übrige Jagdgesellschaft zurückgelassen. Es ist heiß und wir sind durstig. Doch jetzt ist nicht die Zeit zum Aufgeben. Da stellt der Kameramann fest, dass der Akku seiner Kamera leer ist, weil er sie nie ausgeschaltet hat, um jederzeit einsatzbereit zu sein. Ersatz-Akkus sind bei den anderen, also müssen wir umkehren.
Gerade als wir uns umdrehten, hörte uns der alte Nashornbulle und flüchtete mal wieder. Aber das bemerkten wir gar nicht.
Zurück bei den anderen musste eine Entscheidung getroffen werden. Genug für heute oder wieder los und weitersuchen? Alle sind ermüdet und durstig. Die Mittagshitze lastet auf uns und bis zum Fahrzeug ist es ein Fußmarsch von mehreren Stunden.
Doch mir ist klar: Wenn wir jetzt umkehren, müssen wir morgen wieder von vorne beginnen. Und der alte Bulle wird noch schlauer mit uns umspringen. Heute hingegen haben wir ihn schon den ganzen Tag gestört. Immer wenn er einnicken wollte, waren wir da und er musste sich wieder erheben und flüchten. Früher am Tag ist er bis zu fünf Kilometer am Stück getrottet, jetzt sind es nur noch 600 Meter. Er ist definitiv am Ermüden. Wir müssen dranbleiben.
Wir merken, dass er sich im Zickzack bewegt. Wir müssen uns mehr anstrengen. Er weiß, dass wir hinter ihm sind. Jetzt ist Vorsicht geboten. Die Gruppe bleibt zurück, nur der Jäger und ich pirschen uns vorsichtig weiter. Nach 20 Metern verlieren wir wegen seines Zickzack-Kurses die Spur und müssen ausschwärmen, um sie wiederzufinden.
Inzwischen ist es vier Uhr geworden, und die Nachmittagshitze macht uns zu schaffen. Wir sind noch müder und durstiger und unsere Konzentration lässt zu wünschen übrig. Auf einer Großwildjagd ist das der Punkt, an dem man die Flagge streicht und am nächsten Tag wieder loszieht.
Aber in diesem Moment höre ich Äste brechen, und ich höre ihn schnauben. Er kommt 40 Meter nach rechts durch den Busch geprasselt. Ich drehe mich um und rufe “hole ihn dir”, aber da ist ein Busch zwischen dem Jäger und dem Nashorn. Der Bulle stürmt auf den Tracker zu, der erfahren genug ist, wie erstarrt auf seinem Fleck zu verharren.
Nach wenigen Metern macht das Nashorn kehrt und trottet davon.
Mit zitternden Knien finden wir uns aus verschiedenen Ecken wieder zusammen. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Der Nashornbulle ist aufgebracht. Und da wir nicht wissen, wie er als nächstes reagieren wird, müssen wir zusammenbleiben. Hundert Meter weiter finden wir die Spur wieder. Sie zeigt uns, dass er es nicht mehr eilig hat.
Als Großwildjäger sammelt man Erfahrung im Umgang mit Tieren, die dich verletzen können, wenn du dich nicht auskennst – Elefanten, Büffel, Löwen, Leoparden, Oryxantilopen. Man entwickelt ein Gefühl für die Reaktion, die zu erwarten ist. Es ist fast als ob man wie das Tier zu “denken” beginnt. Aber Nashörner gehören nicht zu meiner jahrelangen Erfahrung.
Als der Bulle wieder langsamer wird und seinen Zickzack-Kurs fortsetzt, halte ich mit meiner Mannschaft inne. Der Wind steht günstig. Wir werden aufeinandertreffen. Ich weiß es einfach. Noch 50 Meter weiter und einer aus der zurückgebliebenen Gruppe kommt daher, um ein Foto zu machen. Ich höre einen panischen Aufschrei und sehe beim Umdrehen wie der Fotograf schräg auf uns zurennt, hinter ihm das anstürmende Nashorn. “Aus dem Weg”, rufe ich, und während er in den Sand taucht, krachen die ersten beiden Schüsse.
Natürlich hatte sich der alte Nashornbulle genauso verhalten wie schon den ganzen Tag. Einen Bogen gemacht, unter einem Baum gestanden und gewartet, dass wir endlich verschwinden sollten. Er wusste sicher, dass er nicht die üblichen Geräusche des Buschs hörte. Kein Eland oder Oryx auf dem Weg durch das Gestrüpp. Vermutlich war er auch an Ranger auf Patrouille gewohnt. Sie schauten nach, wo er war, machten ihre Eintragung und verzogen sich wieder. Doch diesmal verzog sich keiner. Im Schatten unter dem Baum muss das Nashorn die Bewegung von Gestalten auf einer Lichtung bemerkt haben und ging zum Angriff über.
Der erste Schuss kam von der Seite. Ein offener Schuss. Doch beim zweiten Schuss blockierte ein Busch die Sicht. Ich hörte die Kugel aufschlagen, aber ich konnte nicht sehen, wo sie getroffen hatte. Auf der Nashornhaut war nicht genügend Staub, und mein Blick war in der Sonne leicht verschwommen. Wir wussten, dass er getroffen war, aber wir hörten ihn nicht zusammenbrechen. Nach etwa 15 Minuten kontrollierten wir unsere Gewehre und nahmen die Spur wieder auf. Wir überquerten eine Lichtung mit einem großen Baum und dichtem Gebüsch auf einer Seite. Dort hatte sich der Nashornbulle um und umgedreht und mehrmals aufgestampft. Aber kein Schweiß auf der Fährte. Der Tracker sichtete ihn vom Baum aus 60 Meter weiter in einem Busch rechts von uns, perfekt für einen Todesschuss hinter die Schulter.
In den 1980er Jahren waren 90 Prozent der Nashornbestände unserer Erde ausgerottet, und die Weltnaturschutzunion IUCN hatte Nashörner als vom Aussterben bedroht auf ihre Rote Liste gesetzt. In Namibia haben engagierte Einzelpersonen in den vergangenen 30 Jahren die ländlichen Gemeinschaften im Nordwesten des Landes in die Bemühungen zum Schutz des Wildes eingebunden. Im Kampf gegen die Wilderei wurden Naturschutzgruppen gebildet, Taktiken entwickelt und entsprechende Schulungen durchgeführt. Heute hat Namibia den weltweit größten Bestand an frei lebenden Nashörnern. Der Einsatz von Regierung, ländlichen Gemeinschaften, NGOs und Bürgern war derart erfolgreich, dass Namibia das einzige Land ist, in dem schwarze Nashörner zu den vielen anderen Wildarten gehören, die aus den Nationalparks in private Wildreservate und gemeinschaftliche Hegegebiete umgesiedelt werden.
Gemeinschaftliche Hegegebiete werden seit 1998 gemäß Paragraph 95 (1) unserer Verfassung gegründet. Damit wird der im Hegegebiet lebenden Bevölkerung das Recht an der nachhaltigen Nutzung ihrer Ressourcen übertragen, samt der Verantwortung dafür. Derzeit gibt es 82 solcher Hegegebiete mit einer Gesamtfläche von 161.000 km². Die nötigen Management-Instrumente und allgemeine Unterstützung erhalten die Hegegemeinschaften über das CBNRM-Programm (Management natürlicher Ressourcen durch ländliche Gemeinschaften). Anfänglich waren viele Hegegebiete auf Spenden angewiesen, aber im Laufe der Jahre sind sie dank Joint-Venture Lodges und Trophäenjagd selbständig geworden. Laut der amtlichen Statistik für 2014 beliefen sich die Gesamteinnahmen aus der nachhaltigen Nutzung des Wildes (Fleisch, Arbeitsplätze, Bargeld) auf mehr als 32 Millionen N$. Den Löwenanteil generierte die Trophäenjagd. Die verschiedenen Veranstalter bezahlten den Hegegemeinschaften mehr als 26 Millionen N$ für die Nutzung von 48 Jagdkonzessionen. Die übrigen 9,9 Millionen N$ errechnen sich vorwiegend aus Fleischverkauf und Lohn- und Gehaltszahlungen.
Dieser Artikel wurde erstmals in der 2016 Deutsch-Ausgabe von HUNTiNAMIBIA veröffentlicht.