Kaokoland – Karg und abweisend
April 14, 2016
Nashorn Schläue
April 19, 2016

Waidmannsheil im Sandveld

Text von Basie Maartens

Haupt Foto: 1965 begleiteten mich auf der Jagd im Sandveld häufig San-Jäger. Sie konnten eine Antilope mit Pfeil und Bogen zur Strecke bringen.

Das Eland ist eine große, prächtige Antilope – und sehr viel wendiger als man bei einem Gewicht von rund 800 kg vermuten würde. Das wohlschmeckende Fleisch wird oft mit Rind verglichen, und da diese Antilope auch sanftmütig wie ein Rind geartet ist, hat sie nicht ganz das sportliche Prestige, das üblicherweise mit Antilopen verbunden wird. Dabei sollte man das Eland nicht unterschätzen. Es kann seinen raschen Trab den ganzen Tag aufrecht erhalten, so dass Sie und Ihr Kunde weit zurückbleiben. Und es springt mit größter Leichtigkeit über zwei Meter hohe Hindernisse.

N amibias Sandveld (diese Gegend grenzt im Nordosten an Botswana) ist typisches Eland-Gelände: große Bäume, hohes Gebüsch und Sand, Sand, Sand. Nirgendwo ein Hügel in Sicht und kein einziger Felsbrocken, den man nach einer Schlange werfen könnte. Dafür umso mehr Schlangen. Eines, was mir am Sandveld gut gefällt, sind die gelegentlichen offenen Pfannen, in denen Wasser steht. Dort kann sich der Jäger nach Spuren umsehen, weil alles zum Trinken an die Pfannen kommt. Dort kann er sich vorbereiten, denn von den Spuren hängt so vieles ab. Spuren sind die Straßenkarte für den Jagdtag. Sie zeigen uns, wohin es gehen muss und was zu tun ist. Wir hofften, dass sie uns zum Ziel führen würden – zu dem Tier mit dem mächtigen Träger und dem Haarbüschel auf der Stirn, hinter dem Spiralen aus dem Schädel ragen.

Besonders gerne erinnere ich mich an eine Elandjagd vor vielen Jahren. 1965 war ich in ganz Namibia aktiv und mit Bill Picher aus Kalifornien unterwegs. Unser Ziel befand sich jenseits der „roten Linie“, jener imaginären Grenze zwischen Farmland und weiter offener Wildnis, die bis auf einige nomadische San unbewohnt ist. Ohne diese kleinwüchsigen Jäger würden wir das Wild, dem wir nachstellen wollten, gar nicht finden. Wir waren sehr froh, als wir an der ersten Wasserstelle, zu der wir kamen, etwa ein halbes Dutzend von ihnen in der Hocke sitzen sahen. Sie warteten bereits auf uns. Einer, der ihr Anführer zu sein schien, erhob sich und redete mit vielen Gesten und Schnalzlauten auf uns ein. Wir verstanden so gut wie nichts, begriffen aber, was er uns sagen wollte: „Kommt mit uns und seht viele Tiere“. Ich hörte das Wort mpofu heraus. Das bedeutet Eland, so viel ich weiß, und ich hatte nichts dagegen, den San-Jägern zu folgen, wo immer sie uns hinführten.

An dieser Wasserstelle gab es keine Elandspuren. Aber wir waren noch kaum eine halbe Stunde unterwegs, als wir einen Wildwechsel kreuzten, der direkt nach Osten führte. Er lag in einem Winkel von etwa 90 Grad zu dem Weg, auf dem wir gekommen waren. Nun wandten wir uns also scharf nach rechts und folgten den vielen Spuren – darunter die von Zebras und Impalas, aber auch die schweren Hufabdrücke von Elands. Nur diese Spuren interessierten uns heute, und sie wurden deutlicher und frischer. Die Elands konnten nicht mehr weit vor uns sein.

Die San-Jäger waren etwas zurückgefallen, so dass jetzt Bill und ich die Vorhut bildeten. Den richtigen Pfad konnte man schwerlich verfehlen, dachten wir und rechneten damit, die Elands gleich hinter der nächsten Biegung zu sehen. Vielleicht waren wir zu selbstsicher, denn es vergingen 15 Minuten und wir sahen immer noch nichts. Ich blieb stehen und wartete auf den Anführer der San. Aber er bedeutete nur, dass wir weitergehen sollten. Also setzten wir uns wieder in Marsch. Bald legte der San-Jäger allerdings ein Tempo vor, bei dem sich jeder Muskel in meinen Beinen zu beschweren begann. Kein Zweifel, wir hatten noch ein ordentliches Stück Weg vor uns. Unsere Begleiter waren entschieden fitter als wir es jemals sein würden, und das wurde Bill und mir so richtig schön bewusst, als der Tag seinen Verlauf nahm und die Sonne erbarmungslos auf unseren Rücken brannte.

sepia-3
Ein sehr reifer Elandbulle mit ausgeprägter Stirnbürste, das im Sandveld nahe der Grenze zu Botswana erlegt wurde.
sepia-2
Basie Maartens (1929 – 2015)

Nachmittags gegen halb fünf sahen wir wieder Hinweise auf Wild und gingen in geduckter Haltung vorsichtig weiter. Überall waren Anzeichen von Tieren. Wir hielten inne und warteten, dass sich etwas tat. Es dauerte nicht lange, bis wir ein Eland durch den Busch kommen sahen. Es schien ein Bulle zu sein, genau das, was wir suchten. Aber wir konnten nur einen kurzen Blick erhaschen. So schlichen wir dem weiterziehenden Elandbullen hinterher, wir durften ihn nicht verlieren. Er verhielt an einem saftigen grünen Busch und begann zu äsen. Die Pause war gerade lang genug: Bills .338 Winchester knallte und das Geschoss drang in Fleisch und Muskulatur ein. Es dauerte nur Sekunden bis der massive Körper zusammenbrach. Sehr zu meiner Erleichterung. Wir brauchten keine Nachsuche aufnehmen. Selbst ein angeschossenes Eland kann schwierig zu erlegen sein. Jetzt saßen wir mit dem toten Tier da und es würde die halbe Nacht dauern, es zu häuten, zu zerlegen und zu unserem Jagdlager zu transportieren. Aber da waren sechs fröhliche San-Jäger, die diese Aufgabe gerne übernahmen. Als Bill und ich uns auf den Rückweg machten, hatten sie bereits ein Feuer in Gang gebracht, um sofort die besten Leckerbissen zu braten.

Wir nahmen den gleichen Weg zurück, auf dem wir gekommen waren und holten zügig aus. In diesem Teil der Welt ist die Dämmerung nur kurz. Die Sonne war bereits am Untergehen, und bald war sie hinter dem Horizont versunken. Völlige Dunkelheit hüllte uns ein. Wir würden uns in der Finsternis zurücktasten müssen. Doch anscheinend hatten wir eine Belohnung verdient: kurze Zeit später ging der Vollmond über den Baumwipfeln auf und wurde rasch so groß und hell, dass wir unseren eigenen Schatten auf dem sandigen Pfad vor uns sahen. Es war noch ein Fußmarsch von eineinhalb Stunden bis zu unserem einfachen Jagdlager, aber wir kamen wohlbehalten und guter Dinge an. Die Stimmung hob sich noch mehr, als unser Feuerchen flackerte und wir uns zum wohlverdienten Trunk niederlassen konnten. Wir stießen auf unser Waidmannsheil an.

Mitternacht war längst vorbei, da trudelten die San-Jäger ein. Ihr Gesang voller Schnalzlaute kündigte sie an. Allem Anschein nach waren sie darauf eingestellt, noch mehr Fleisch zu verdrücken. Unser Feuer war bis auf einige glühende Holzstückchen herabgebrannt. Damit entfachten sie sich ein neues Feuer. Einer der Männer war bei den Resten des Elands zurückgeblieben, um die Beute zu bewachen. Sie hatten das Fleisch in das Geäst von Bäumen gehängt, hoch genug, dass Hyänen nicht heranreichen konnten. Die anderen brachten das Gehörn, die Decke und so viel Fleisch wie sie tragen konnten mit ins Lager. Der Mond neigte sich bereits nach Westen als ich endlich einschlief, müde nach dem langen Fußmarsch an diesem Tag, aber zufrieden mit dem Ergebnis. Wir hatten eine hochbegehrte Trophäe erjagt.

 Dieser Artikel wurde erstmals in der 2016 Deutsch-Ausgabe von HUNTiNAMIBIA veröffentlicht.