Unverhofft im letzten Licht
April 20, 2016
Naturschützer des Jahres 2015
Juni 2, 2016

Wilderei und der verlust von Lebensraum

Haupt Foto ©Gerhard Thirion

Die Dilemmas beim Schutz des Wildes

D er Großwildausschuss von NAPHA hat im September 2015 in Windhoek eine internationale Spendenaktion “Jäger gemeinsam gegen die Wilderei” (Hunters Unite Against Poaching) gestartet. NAPHA-Mitglieder hatten 43 Artikel für eine telefonische Auktion gespendet, die von Jagdkunden in Deutschland, den USA, Österreich, Russland und Dänemark für insgesamt 2.4 Millionen N$ ersteigert wurden. Das Geld wird für Schulungen und Ausrüstung verwendet, für den Einsatz von Wildhütern und zur Unterstützung von ländlichen Gemeinschaften in den Hegegebieten, in denen NAPHA-Mitglieder Konzessionsrechte haben. Und für den Kampf des Umwelt- und Tourismusministeriums (MET) gegen die Wilderei. Der Erlös aus dieser Auktion kommt zudem auch dem Rebeus Trust von NAPHA und dem Projekt “Jäger fördern Bildung” (Hunters Support Education) zugute.
NAPHA Präsident Kai Uwe Denker eröffnete die Veranstaltung mit einer Festansprache (übersetzt aus dem englischen):

Die Wilderei ist nur eines der beiden großen Dilemmas beim Schutz von Wildtieren. Auch in der Vergangenheit hat es Zeiten von ausufernder Wilderei gegeben – wie etwa die Elfenbeinwilderei in den siebziger Jahren – die gemeistert wurden. Damit möchte ich keinesfalls die Dringlichkeit verharmlosen, mit der wir uns mit der Wilderei-Krise befassen müssen.

Das zweite große Dilemma für Wildtiere ist der Verlust von Habitat, dem Lebensraum der Tiere. Und diese Bedrohung ist dauerhafter, unterschwelliger und komplexer, und der Umgang damit gestaltet sich schwieriger. Sie ist mit der Wilderei-Krise und entsprechenden Lösungen verflochten. Wenn wir uns damit nicht ernsthaft und mit der nötigen Priorisierung auseinandersetzen, werden alle unsere Bemühungen vergeblich sein.

Dank des Konzepts der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen, das die Regierung formuliert hat, ist Namibia in der glücklichen Lage, dass große Gebiete als Lebensraum für Wild zur Verfügung gestellt werden können. Langfristig kann das nur mit dem guten Willen derjenigen funktionieren, die täglich mit Wildtieren zusammenleben. In entlegenen Gegenden kann jedes Vorgehen gegen die Wilderei nur mit der Unterstützung der örtlichen Bevölkerung zum Erfolg führen.

Dem Umwelt- und Tourismusministerium gebührt Beglückwünschung und Applaus für die jüngsten Erfolge im Kampf gegen die Nashorn-Wilderei. Ich denke, dass alle Namibier wirklich stolz auf dieses Ergebnis sind. Doch Syndikate können nur entlarvt und Wilderer festgenommen werden, wenn sie kaum oder keine Unterstützung in den Gemeinschaften finden und stattdessen die Exekutivorgane von den Gemeinschaften unterstützt werden. Es ist eine Problematik mit zwei Seiten: Landbewohner sind nur geneigt, Wildtiere zu tolerieren, wenn sie Vorteile daraus ziehen können, und sie werden Bemühungen gegen die Wilderei nur unterstützen, wenn die langfristigen Vorteile aus der Wildhege schwerer wiegen als die lukrativen kurzfristigen Versuchungen, die sich durch Wilderei bieten.
Der Vorfall mit dem Löwen Cecil wurde zu einem Zeitpunkt missbraucht, als das öffentliche Bewusstsein und die öffentliche Besorgnis besonders ausgeprägt waren: wegen der Wilderei-Krise und, zugegeben, wegen einiger unannehmbarer Praktiken innerhalb der Jägerzunft selbst. Die Thematiken “internationaler Schwarzhandel mit illegalen Wildtierprodukten” und “Canned lion hunting” wurden für ideologische Aktionen instrumentalisiert, die in direktem Widerspruch zu den Wildschutzbemühungen vor Ort stehen. Ich möchte das an einem Beispiel erläutern.

Der Löwe scheint derzeit das ideale “Kuscheltier” zu sein. Das Dilemma mit dem Schutz von Löwen ist eine direkte Folge von Habitatverlust, und sonst nichts. Der Afrikanische Wildhund ist ein Alpha-Raubtier genau wie der Löwe. Doch im Gegensatz zum Löwen steht der Afrikanische Wildhund am Rande der Ausrottung. Diese Art ist entschieden bedrohter als Löwen oder Elefanten – aber das scheint niemanden zu stören. Warum? Weil es keine der klassischen Arten ist und sich deshalb für Sensationsgier nicht eignet? Weil es keine jagdbare Art ist und deshalb für ideologische Stimmungsmache gegen die Jagd nicht taugt? Hat der Löwe im natürlichen Zusammenhang mehr Bedeutung als der Wildhund? Ganz sicher nicht. Nach den Naturgesetzen von jagen und gejagt werden kommt beiden eine ungeheuer wichtige Rolle zu. Wir müssen uns das Dilemma des Afrikanischen Wildhundes genauer anschauen, um Lösungen für das Löwen-Dilemma zu finden, denn im Kern sind beide gleich.

Beide Arten sind mit Viehhaltung unvereinbar. Aufgrund des Konflikts mit Viehbesitzern werden beide Arten rückhaltlos verfolgt. Der Löwe ist eine höchst attraktive Art für Trophäenjäger, der Wildhund ist es nicht. Dennoch ist der Wildhund in einer schlimmeren Lage als der Löwe. Der Grund dafür ist ein Unterschied, der zwischen den beiden Arten besteht: Wildhunde brauchen ein sehr viel größeres Revier als Löwen. Aus diesem Grund – und bitte beachten, dass der Wildhund nicht zu den jagdbaren Arten gehört – ist der Wildhundbestand in einer Zeit, in der der Lebensraum beider Arten schwindet, viel rascher geschrumpft als der Löwenbestand. Anti-Jagd-Aktivisten sind voll des Lobes für das Jagdverbot in Botswana.

Doch gleichzeitig hat sich eine äußerst kritische Lage für Namibias letzte Wildhund-Hochburg im und um den Khaudum Nationalpark entwickelt. Da Khaudum nicht groß genug für seinen Wildhundbestand ist, müssen die Tiere ihr Revier über die Parkgrenzen hinaus in die ehemaligen Jagdkonzessionsgebiete erweitern: nach Osten in Botswana, nach Westen in Namibia. Auf beiden Seiten werden sie von den Rinderfarmern neuerdings sofort niedergeschossen, denn in Namibia wird das Konzessionsgebiet westlich von Khaudum jetzt landwirtschaftlich genutzt, und das Jagdverbot in Botswana hatte für das Wildhundrevier östlich des Parks dieselbe Wirkung. Das ist die Lektion, die gelernt werden muss: wo nicht gejagt werden darf, geht unweigerlich der Lebensraum von Wildtieren verloren. Da sich ohnehin niemand um den Wildhund sorgt, möchte ich an dieser Stelle erwähnen, dass Khaudum auch eine wichtige Hochburg der Löwen in Namibia ist. Inzwischen ist der Wildhund- ebenso wie der Löwenbestand im Khaudum Nationalpark völlig auf die beiden Gemeinschaftshegegebiete südlich und nördlich des Parks angewiesen. Sollten die Anti-Jagd-Aktivisten ihre Forderung nach einem Jagdverbot durchsetzen können, würde damit zweifellos das Ende der gemeinschaftlichen Wildhege-Programme in Namibia eingeläutet, und es wäre der Todesstoß für die Wildhund- und Löwenbestände außerhalb der namibischen Nationalparks.

Der Aufruhr über den Löwen Cecil wurde zusammen mit der Wilderei-Krise als Druckmittel gegen die Jagd eingesetzt. Jagd bedeutet jedoch: “vor Ort sind Stiefel gegen Wilderer im Einsatz”. Und Jagd bedeutet auch, dass in entlegenen Gegenden ein Ansporn für soziale Entwicklung geschaffen wird.

Wenn wir Naturschutz außerhalb der Nationalparks haben wollen, sind Anreize nötig, damit Privatpersonen und private Institutionen Naturschutzprojekte durchführen. Das betrifft insbesondere die ländlichen Gemeinschaften in den entlegenen Winkeln des Kontinents. Beispiele zur Veranschaulichung sind Namibias Communal Conservancy Programm, Zimbabwes Campfire Projekt oder das Biosphärenreservat Pendjari in Benin.

Darüberhinaus ist die Jagd als Wirtschaftszweig ein Garant für soziale Entwicklung. NAPHA-Mitglied Robin Hurt hat für seine Jagdkonzessionen in Tansania die Robin Hurt Wildlife Foundation gegründet. Von 2007 bis 2015 hat die Stiftung dort 2,9 Millionen US Dollar zur Gemeinschaftsentwicklung beigetragen. Wollen wir diese Art von Engagement verlieren, weil einige von der Natur entfremdete Leute aus rein ideologischen Gründen die Jagd ablehnen?

Das bringt mich zu einem anderen Punkt, der heute Abend auf dem Auktionsprogramm steht: der Rebeus Fonds. Der Rebeus Fonds wurde von NAPHA eingerichtet, um den namibischen Tracker Rebeus zu unterstützen, der bei der Nachsuche auf einen Leoparden eine schwere Schussverletzung erlitt und für den Rest seines Lebens verkrüppelt ist. Wir dürfen Menschen, die von Fehlschlägen in der Jagdbranche bitterlich enttäuscht sind, nicht einfach vergessen. Es geht hier um eine sehr wichtige Sache und wir bitten Sie, zu diesem bedeutsamen Fonds beizutragen. Künftig soll damit auch anderen geholfen werden soll, die bei einem Jagdunfall zu Schaden kommen und nicht ausreichend versichert sind.

Heute Abend sind wir hier, um in einer direkten Aktion Gelder für Maßnahmen gegen die Wilderei aufzubringen und überdies hervorzuheben, wie wichtig die Rolle der Jagd bei der Erhaltung von Lebensraum für Wildtiere ist. Doch nicht zuletzt wollen wir auch für die Rechtmäßigkeit der Jagd in freier Natur eintreten.

Ich persönlich habe viel Verständnis für die Leitidee, die der Born Free Foundation zugrunde liegt. Uns trennt nur eine sehr geringfügige Differenz, eine Fehlvorstellung. Denn der Mensch war ebenfalls frei geboren, als Teil dieser wundervollen natürlichen Welt und frei, daran teilzuhaben, bevor er ein Sklave von Entwicklungen und Technologien wurde, die die Natur zerstören.  Aus welchem Grund sollte es dem Menschen nicht erlaubt sein, seine eigene Natur zu erleben und die elementaren Lektionen der natürlichen Gesetze zu lernen? Die Natur beruht auf eben dem Grundsatz von jagen und gejagt werden. Alles in der Natur basiert auf Nahrungsketten und natürlichen Zyklen,
auf dem System von ‘fressen und gefressen werden’: Antilope frisst Gras, Löwe frisst Antilope, Geier und Hyänen fressen Löwe, Bakterien zersetzen die Überreste von Antilope, Löwe und Geier – auch des Menschen, das sollte nicht vergessen werden – und mit dem Pflanzenwuchs beginnt der Zyklus von Neuem. Nichts an diesem Zyklus ist ‘gut’ oder ‘schlecht’.

Aus welchem Grund sollte der Mensch nicht Teil seiner natürlichen Umgebung sein, wenn es ihm seine Interessen und Instinkte erlauben, und vorausgesetzt, dass sein Handeln nachhaltig und im Rahmen der ethischen Grenzen ist? Können wir an einem Menschen nicht mehr das bewundern, was wir an einem Löwen bewundern? Haben wir uns nicht nur von der Natur entfremdet, sondern auch von uns selbst? Der Angelpunkt der Anti-Jagd-Kampagnen ist die komplette Unfähigkeit, den Tod als eine Realität der natürlichen Welt zu akzeptieren. Ist die Natur an sich schlecht? Oder ist es nur der Mensch, der schlecht ist, wenn er ein natürliches Leben führt? Ist der Mensch gut wenn er der Natur den Rücken kehrt?

Dann ist da noch der völlig vernunftwidrige Aufschrei über die Trophäenjagd. Gibt es jemanden da draußen, der bestreiten wollte, dass die Hörner eines alten Kudubullen von ungeheurer Schönheit sind? Menschen sammeln hübsche Minerale oder knorrige Hölzer und stellen sie zu Hause in Regalen zur Schau, oder sie hängen sich Kunstwerke an die Wand. Die Hörner eines alten Büffels sind wie die Rinde an einem alten Baum, die Hörner eines Kudubullen verkörpern die schönste Kunst der Natur. Ist es verkehrt, wenn sich ein Naturmensch die Hörner eines Büffels ins Regal stellt oder ein Kudu-Geweih über das Garagentor hängt? Jaja, es gibt geschmacklose Entgleisungen, aber Geschmack ist immer eine persönliche Angelegenheit, die in den eigenen vier Wänden jedem selbst überlassen werden sollte.

Es ist schwierig, jemandem, der kein Jäger ist, die Jagd als solche zu erläutern. Doch das heißt nicht, dass Jagen nicht richtig ist. Sind die innersten Gefühle, die wir nicht erklären können, verkehrt? Bei der Jagd geht es um die tiefe Zufriedenheit, ein ursprüngliches Leben auf Tuchfühlung mit der Natur zu führen und um die Herz erwärmende Gesellschaft ländlicher Afrikaner, an deren Freuden und Sorgen, Lachen und Tränen man teilhaben darf. Und um die herrlichen afrikanischen Wildtiere, die frei in die großartigen Landschaften dieses prachtvollen Kontinents hineingeboren werden.

Und ja, ich stimme mit der Born Free Foundation und vielen anderen überein, dass etwas nicht stimmt und von uns korrigiert werden muss. Die echte und ehrliche Jagd befindet sich im Würgegriff von unannehmbaren, überholten und von Geldgier getriebenen Machenschaften. Wenn es uns nicht gelingt, uns von denen zu distanzieren, die das Prinzip der nachhaltigen Nutzung missbrauchen, und wenn wir nicht zu dem zurückkehren, was die Jagd wirklich ist, dann werden wir scheitern. Leider ist auch das eine Realität.

Ein Freund schickte mir kürzlich ein Bild, das mich vollkommen begeistert hat. Ob Photoshop mit im Spiel war, weiß ich nicht, aber darauf kommt es letztlich gar nicht an, weil der symbolische Wert so Ehrfurcht einflößend ist. Das Bild zeigt einen Elefanten am Rand der Viktoriafälle – von den Afrikanern treffenderweise mosi oa tunja genannt, “der Rauch der donnert”. An Plätzen wie diesen, wo der mächtige Sambesi seinen Fluss beschleunigt und donnernd über die Fälle stürzt, dann tief unten in der Schlucht wieder ruhig und gemächlich seinen uralten und doch ewig jungen Weg zum Ozean fortsetzt, ruft die herbe Schönheit der Umgebung ein starkes Gefühl der Verbundenheit mit diesem alten Kontinent und seiner jugendlichen Kraft hervor.

In solcher Umgebung, in nächster Nähe der gewaltigen Natur und den Eindrücken, die auf einen einwirken – Eindrücke von Elefanten und Baobabs und Staubteufeln und von Wassermassen, die nach ihren unwiderruflichen uralten Gesetzen unerschütterlich dem Meer zuströmen – wird einem ohne jeden Zweifel bewusst, dass die Gesetze der Natur von unbestreitbarer, ewig währender Relevanz sind, und dass es für unser Verständnis des Lebens als solches und unser eigenes Dasein entscheidend ist, sie zu kennen.  Die Jagd ist ein solches uraltes Prinzip der Natur.

Und besonders wichtig: der namibischen Regierung und dem Umwelt- und Tourismusministerium gebührt Beifall dafür, dass für private Institutionen und Privatpersonen Anreize geschaffen wurden, den Naturschutz zur Lebensgrundlage zu machen. Diese weitsichtige politische Linie ist die Garantie für den Fortbestand der Tierwelt auch außerhalb von Nationalparks, zum Besten der namibischen Bevölkerung und der Besucher unseres Landes.

logo
Dieser Artikel wurde erstmals in der 2016 Deutsch-Ausgabe von HUNTiNAMIBIA veröffentlicht.