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Die Jagd auf gefährliches Wild

Am 8. August 2012 wurde PH Felix Marnewecke bei der Nachsuche auf einen angeschweißten Büffel in der Bamunu Konzession, einem am Linyanti gelegenen, abgelegenen Teil des Ost-Caprivi, schwer verletzt. Sein Freund und ebenfalls Berufsjäger Fritz Nolte, der gemeinsam mit ihm die Nachsuche durchführte, berichtet:

E s war bereits der dritte Tag, an dem wir dem angeschweißten Büffel folgten. Im Grunde hatten wir die Fährte verloren. Nahe einer leichten Erhebung mit dichterer Vegetation und einigen hohen Bäumen wollte unser Jagdgast eine Pause einlegen und sich etwas erholen. Es war zwar noch recht früh, aber es wurde bereits ziemlich warm.

Felix ging ein Stück allein voraus, um in der unmittelbaren Nähe nach Pirschzeichen zu suchen. Wir hatten kaum unsere Wasserflaschen geöffnet, als urplötzlich das Krachen von Ried und das wütende Schnauben des Büffels losbrachen. Vergeblich warteten wir auf einen Schuss aus Felix Büchse, stattdessen hörten wir ihn um Hilfe rufen. So schnell es ging rannte ich durch das hohe Ried in Richtung des Kampfeslärms, ungefähr 80m vor mir. Im Laufen konnte ich sehen, wie Felix von dem wütend brüllenden Büffel hoch in Luft geschleudert wurde. Als ich die Stelle erreichte, sah ich Felix am Boden auf dem Rücken liegen, über ihm der Büffel, der ihn mit seinen Hufen traktierte und offenbar versuchte ihn zu töten.

Wenn ich an die Situation zurückdenke, fällt mir vor allem auf, wie sich in so einer extremen Situation die Wahrnehmung der Zeit verändert. Es verging sicher nur der Bruchteil einer Sekunde, aber wie in Zeitlupe überlegte ich meine Möglichkeiten. Hätte ich ihm direkt eine tödliche Kugel gegeben, wäre Felix sicher unter der Masse des 900kg schweren Büffels erdrückt worden. Stattdessen sprang ich zwei Schritte zur Seite, um dem Büffel eine Kugel in den unteren Teil der Wirbelsäule, dicht über dem Becken, platzieren zu können. Wie erwartet, sank das Monster sofort rückwärts auf die Hinterhand und Felix kam dadurch unter ihm frei. Sofort schoss ich nach, diesmal ins Herz. Inzwischen hatte uns Fred, einer unserer Tracker, erreicht. Mit der Büchse des Jagdgastes gab er zwei weitere Schüsse in die Kammer des schwarzen Ungetüms ab. Ein langgezogener „Death bellow“ zeigte uns, dass von diesem Büffel jetzt keine Gefahr mehr ausging. Sofort wandten wir uns Felix zu, dessen untere Körperhälfte in einer Lache von Blut lag und sich nicht erheben konnte. Seine Hose war in unkenntliche, blutgetränkte Fetzen zerrissen. Er war bei Bewusstsein und ansprechbar. Eine erste, oberflächliche Untersuchung zeigte, dass der Büffel ihn dreimal mit einem Horn durchbohrt hatte: einmal im Rücken, einmal in der Leiste und einmal am Oberschenkel. Glücklicherweise war keine Arterie verletzt. Notdürftig versuchte ich die Blutungen unter Kontrolle zu bringen, meine größte Sorge war die Verletzung am Rücken, direkt an der Wirbelsäule, ganz besonders weil Felix klagte, er habe ein taubes Gefühl in den Beinen. Es gab keine Zeit zu verlieren, um schnellstmöglich professionelle Hilfe heranzuführen. Ich fand sein blutverkrustetes Handy am Boden, das, wie durch ein Wunder, noch funktionierte. Schnell rief ich meine Frau Petra im Camp an, um ihr einen schnellen Bericht zu geben und sie zu bitten alles Nötige für einen Hubschraubertransport zu veranlassen. Wegen der Rückenverletzung schien mir der Transport mit dem Auto über die extrem schwierige Zufahrt zum Camp viel zu riskant. Aus dem Camp wurde eine improvisierte Trage gebracht auf der wir Felix rund 1,5 Kilometer zurück ins Camp trugen.

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Auch wenn Afrikanische Büffel im Allgemeinen friedlich sind, so verteidigen sie sich energisch gegen Feinde. Sobald ein Büffel in die Enge getrieben ist oder auch angeschossen ist, greift er ohne zu zögern auch Menschen an.

Zum Glück ist Petra immer auf jede erdenkliche Situation vorbereitet. Sie hatte alle Notrufnummern und Kontakte parat und bis wir das Camp erreichten, war Hilfe praktisch bereits auf dem Weg.

Die nächste und einfachste Hilfe wäre über die Botswana Defence Force zu organisieren gewesen, die ganz in der Nähe, auf der anderen Seite der Grenze, eine Hubschrauberstaffel stationiert hat. Leider konnte das Hilfsangebot aus Botswana nicht in Anspruch genommen werden, da es zu lange dauerte, über diplomatische Kanäle Überflug- und Landerechte für die Militärmaschine aus dem Nachbarland zu bekommen.

Statt dessen startete der nächste, in Namibia verfügbare, Helikopter vom Flugplatz Tsumeb, fast 800 km entfernt. Er musste zunächst nach Rundu fliegen, auftanken, und von dort seinen Flug nach Katima Mulilo fortsetzen, wo erneut getankt und ein Rettungssanitäter an Bord genommen wurde. Von dort waren es nur rund 60km zum Camp am Ufer des Linyanti. Inzwischen war in der Nähe des Camps ein Landeplatz vorbereitet worden und mit Hilfe der GPS Koordinaten konnte der Helikopter präzise eingewiesen werden.

Im Camp war Felix nach einiger Zeit in den Schockzustand gefallen. Mit warmen Wasserflaschen, die wir um ihn herum stopften, versuchten wir ihn so gut wie möglich stabil zu halten und zu verhindern, dass er ohnmächtig wurde. Nachdem der Hubschrauber gelandet war, übernahm der Rettungssanitäter seine Versorgung und stabilisierte ihn mit einem Tropf. Sobald es möglich war, trugen wir ihn zum Helikopter, der ihn nach Katima Mulilo brachte, wo inzwischen ein Ambulanz-Jet aus Windhoek wartete um ihn zu übernehmen und ins Krankenhaus nach Windhoek zu fliegen. Eine Routine Aufgabe für die Besatzung des SOS Fliegers.

Der Unfall hatte sich ungefähr um 8 Uhr morgens ereignet. Der Hubschrauber verließ das Camp mit Felix an Bord gegen 4 Uhr am Nachmittag.

Eines macht der Zwischenfall deutlich: Zu den immanenten Gefahren einer Jagd auf gefährliches Wild kommen nicht unwesentliche Risiken, die weitmaschigen Infrastruktur-Netzen, riesigen Entfernungen und begrenzten technischen Ressourcen geschuldet sind. Auch wenn alle Einzelschritte reibungslos ineinandergreifen, vergeht unter Umständen eine beträchtliche und unvermeidbare Zeitspanne bis Rettungsmaßnahmen greifen.

Gleich drei Schutzengel haben es möglich gemacht, dass Felix Marnewecke schon zwei Wochen nach dem Unfall wieder eine Elefantenjagd führte: Die Verletzungen durch den Büffel erwiesen sich als nicht unmittelbar lebensbedrohend. Sein Freund und Mitjäger Fritz Nolte konnte innerhalb kürzester Zeit beispringen und einen tödlichen Angriff abwenden. Die Rettungsdienste in Namibia sicherten unter den schwierigen Bedingungen effiziente Hilfe.

Dieser Artikel wurde erstmals in der 2013 Deutsch-Ausgabe von HUNTiNAMIBIA veröffentlicht.