Weidwerk im Geiste ritterlicher Jagdkultur – Auf Bergzebra in der Namib
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Der König der Berge

Puros oder Omburo bedeutet Quelle – oder der Platz, an dem Wasser austritt. Der Name steht in krassem Widerspruch zu der halbwüstenartigen Umgebung, die von weiten Ebenen, zerklüfteten Bergen, spärlicher Vegetation, dem bekannten Trocken uss Hoarusib und Himba-Hirten geprägt ist. Diese Gegend, einst Kaokoveld genannt, ist Teil der Kunene Region in Nordwest-Namibia. Anton Esterhuizen

D as in Namibia endemische Hartmann-Bergzebra ist im CITES- Anhang II gelistet und nach wie vor eine der begehrtesten Trophäen. Es gehört zum spannendsten Jagdwild, das Namibia zu bieten hat. Das gilt insbesondere für sein natürliches Habitat im fernen Nordwesten des Landes, wo seine Bewegungsfreiheit nicht durch Zäune eingeschränkt wird.

Die Jagd auf das Hartmann-Bergzebra zu Fuß in den gemeinschaftlichen Hegegebieten des Nordwestens ist eine echte Herausforderung, die den Jäger gewaltig auf die Probe stellt. Und sie ist ein Erlebnis ohnegleichen. Diese Erfahrung machte mein Jagdgast aus Südafrika auf einer Jagdsafari im Hegegebiet Puros.

Wie vereinbart trafen wir uns in Wêreldsend, dem IRDNC-Basislager, 60 km östlich von Torra Bay. Ein fülliger Mann mit einem breiten Lächeln schälte sich aus dem Auto. Die Jagd war seine Leidenschaft, deshalb hatte er sich für die Hegegemeinschaft in Puros entschieden, und die Trophäe, auf die er es abgesehen hatte, war ein Bergzebra.

Es war ein frostiger Morgen Anfang Juni, als wir in Wêreldsend zu der sechsstündigen Fahrt nach Puros aufbrachen. Dort testeten wir zunächst das Gewehr des Jagdgast und beschlossen dann, eine Wanderung in den ausgedörrten Bergen nordwestlich des Dorfes zu unternehmen. Ein Wildhüter des Hegegebietes begleitete uns. Gemeinsam glasten wir die Berge und Schluchten nach Anzeichen von Leben ab. Da es unser erster Jagdsafari-Tag war hatten wir keine Eile, und nach der langen Fahrt tat uns die Bewegung gut. Von Westen her wehte uns ein kräftiger kalter Wind ins Gesicht. Gras war nur spärlich oder gar nicht vorhanden, und alles was wir fanden, war eine Gemsbockfährte, die zum üppig grünen Hoarusib hinunterführte. In dieser rauen Landschaft ist der Trocken usslauf eine wahre Oase, wo das Wild Wasser und etwas Grün ndet. Dabei gilt es aber auch, auf der Hut vor den beiden Löwinnen zu sein, die sich mehr oder weniger permanent dort niedergelassen haben und stets nach Zeichen von Schwäche Ausschau halten.

Früh am nächsten Morgen fanden wir uns an einem Aussichtspunkt im Okongue-Gebiet südöstlich von Puros ein. Er lag hoch über der Ebene, und die ersten Sonnenstrahlen begannen gerade, die nackten Felsen und den leblosen grauen Boden in warme Goldtöne zu tauchen. Hier und da stand eckenweise noch Gras – die Reste voriger außergewöhnlich ergiebiger Regenfälle. Die Hegegemeinschaft hat dieses Gebiet ausschließlich zur Hege und für die Jagd vorgesehen.

In der bitteren Kälte hatten wir Mühe, die Ferngläser mit ruhiger Hand zu halten. Wir glasten die Berge und Täler ab, denn die Zebras würden sich nach ihrem nächtlichen Stelldichein unten auf der Ebene bald wieder in die Berge zurückziehen. Endlich sichteten wir am Fuße ferner Berge eine Familiengruppe von sieben Zebras. „Hier kann man bis in die Ewigkeit sehen“, bemerkte mein Jagdgast trocken. Die Zebras schienen tatsächlich ewig weit weg. Es war windstill und wir pirschten uns vorsichtig von Westen her an. Die einzelnen Gemsböcke auf der Ebene sahen kaum größer als Punkte aus. Zwei Strauße behielten uns von weitem im Auge, derweil
sie sich langsam von uns entfernten. Als wir es über den Bergrücken gescha t hatten, waren es immer noch 400 Meter zu den Zebras und es gab keinerlei Deckung. Außerdem befanden wir uns in einer etwas höheren Position.

Die Zebras ästen und hatten uns noch nicht bemerkt. Wegen der Gemsböcke links und rechts von uns blieb uns nichts anderes übrig, als es uns bequem zu machen und zu ho en, dass die Zebras auf uns zukommen würden. Wir hatten zwei Hengste ausgemacht, einer älter als der andere. Doch dann frischte leider der Wind auf und begann sein übliches Spiel in den Bergen. Die Zebras witterten uns sofort und kamen zunächst auf uns zu, bis sie ihren Fehler erkannten und zu unserem großen Verdruss den Berg hinau ohen und über den Rücken verschwanden. Der Jagdgast sprang auf und schlug vor, ihnen um den Bergrücken herum den Weg abzuschneiden. Ich wusste, dass es keinen Zweck hatte. Das Hartmann- Zebra ist nun mal der unbestrittene König der Berge. Zu Beginn meiner Jäger-Karriere, als ich noch unerfahren war, musste ich so manches Mal beschämt zurückkehren, weil den Zebras o enbar Flügel an den Hufen gewachsen waren. Doch ich sagte nichts, damit der Jagdgast Gelegenheit hatte, die Anmut dieser wundervollen Tiere zu erleben. Schnaufend und ächzend eilten wir bergauf. Auf der anderen Seite angekommen staunte er über die Leichtfüßigkeit, mit der sich die Zebras davongemacht hatten – sie waren bereits hunderte von Metern von uns entfernt. Ich schmunzelte nur und schlug vor, nach anderem Wild Ausschau zu halten und am nächsten Tag zurückzukommen, da der Wind inzwischen wirklich ungünstig stand.

2KaokolandScenery

Tags darauf brachen wir morgens um fünf auf, ausgerüstet mit dicker Jacke, Gewehr und Fernglas. Wir erklommen einen Berg westlich der Okongue-Ebene und spürten den starken Ostwind bis in die Knochen. Bei Sonnenaufgang wurden wir auf Staubwolken im Flusslauf unter uns aufmerksam. Drei Zebras nahmen ein Sandbad. Ein Hengst und zwei Stuten. Und eine Familiengruppe machte sich an den Aufstieg und verschwand in den Bergen. Die anderen drei Zebras schienen sich in Sicherheit zu wähnen, und so setzten wir uns erst mal hin und beobachteten sie eine Weile. Zu unserer Rechten erschien ein Gemsbock und schaute direkt in unsere Richtung. Doch er witterte keine Gefahr und begann sich beim Äsen langsam von uns zu entfernen. Unten im Tal standen Springböcke und versuchten sich im ersten Sonnenlicht zu wärmen. Für uns war es Zeit, mit der Pirsch zu beginnen: aus dem Blickfeld der Zebras zuerst eine Schlucht hinunter und dann ussaufwärts auf sie zu. Wir pirschten langsam voran und nutzten jedes bisschen Deckung und jeden Schatten, um unentdeckt zu bleiben. Dabei wären wir fast mit einem Kudu-Bullen zusammengestoßen! Wir hielten inne, um ihn ziehen zu lassen, dann ging es weiter. Inzwischen schien die Sonne mit sengender Kraft auf uns nieder und es war kaum zu glauben, dass es vorher so kalt gewesen war. Der Wind machte es uns auch nicht leichter und änderte häu ger die Richtung als meine Frau ihre Kleidung wechselt. Unterdessen hatten die Zebras den Flusslauf verlassen und ästen nun auf halber Höhe am Berghang.

Unser Dilemma war akut: es gab kaum Deckung, wodurch eine Pirsch so gut wie unmöglich wird, und obendrein war die Position der Zebras höher als unsere. “Hatten wir mit der Pirsch zu unserer derzeitigen Position zu viel Zeit vergeudet?“ fragte ich mich und wog unsere Möglichkeiten ab, auf Schussweite an die Zebras heranzukommen. Der Milchbusch (Euphorbia Damarana) musste als Deckung dienen, während wir Stückchen für Stückchen auf die Zebras zu robbten. Schauen, kriechen, warten… schauen, kriechen, warten… Und das Ganze so leise wie möglich auf einem steilen Hang mit losen Steinen. Wir trugen kurze Hosen und abgesehen davon, dass die Steine in die bloße Haut schnitten, schienen sie mit jedem Stück nach vorn um einige Grade heißer zu werden. Ich schaute mich nach meinem Jagdgast um, um zu sehen, wie er zurechtkam – und erstarrte. Kaum 30 Meter entfernt beäugte uns ein Gemsbock. Er war aus dem Nichts aufgetaucht. „Jetzt ganz leise“, zischte ich. “Was?” “Ganz, ganz leise”, zischte ich erneut und rollte diesmal meine Augen Richtung Gemsbock. Er beäugte uns immer noch. Wieso haben Tiere diese ra nierte Fähigkeit, einen in der unangenehmsten Lage zu überraschen, wenn man keine Bewegung riskieren kann? Der Gemsbock starrte uns unbeirrt weiter an und sorgte dafür, dass unsere Glieder und unser Rücken gebührlich schmerzten. Dann trollte er sich. Wir warteten ein Weilchen, bevor wir nachzusehen wagten, ob die Zebras noch da waren. Nur zwei waren da. Nummer drei, unser Hengst, war weg. Ich glaste den Berg ab. In der gleißenden Sonne hatte er alle Schattierungen von Grau und Weiß angenommen. Man braucht wohl kaum erwähnen, dass Zebras dann äußerst schwierig zu erkennen sind. Der Jagdgast und ich lagen neben einem Milchbusch und nutzten dessen bisschen Schatten als Deckung. Mittlerweile hatte sich der Wind völlig gelegt und unser zäher „Schattenstrauch“ hatte wenig Mitleid mit uns. Ich glaste die Gegend weiter nach dem Hengst ab, als er plötzlich hinter einem Busch hervortrat und sich zu den beiden Stuten gesellte. Ich üsterte dem Jagdgast die Position zu und ohne Zeit zu verlieren bezogen wir Stellung. Zwar war der Hengst immer noch 150 Meter weit entfernt, aber ich war zuversichtlich, dass der Jagdgast ihn zur Strecke bringen würde. Zoll um Zoll robbten wir heran. Der Jagdgast ging im Schneckentempo in Stellung, wohl wissend, dass er sich mit einer einzigen falschen Bewegung um das Zebra bringen konnte. Ich war hinter ihm und behielt sorgenvoll abwechselnd ihn und das Zebra im Auge. Der Hengst hob sofort den Kopf und ich konnte sehen, dass sich seine Nüstern weiteten. Ohne das Fernglas abzusetzen schaute ich zum Jäger und sah erleichtert, dass er in Position war. Schon krachte der Schuss, die Kugel traf ihr Ziel und der Hengst oh den Hang hinunter. Nach achtzig Metern brach er zusammen.

Abends wurde in Puros fröhlich gefeiert. Das Zebra eisch fand bei den Himba dankbare Abnahme und wurde mit Carling Black Label hinuntergespült.

Und was hatte die Jagd meinem Jagdgast gebracht, außer Schrammen und blauen Flecken? Für ihn war ein Namibia-Traum wahr geworden: das Glücksgefühl, den König der Berge zu Fuß in seinem natürlichen Habitat zu jagen.

Dieser Artikel wurde erstmals in der 2017 Deutsch-Ausgabe von HUNTiNAMIBIA veröffentlicht.