E ine besondere Passion verbindet Uli und mich: alte, starke Elefanten. Und als er seine zweite Jagd im namibischen Buschmannland plante, fragt er mich, ob ich ihn begleiten wolle. 2007 hatte er mit Kai-Uwe Denker hier einen alten Elefanten erlegt, doch die Dickhäuter lockten wieder. Begeistert sagte ich zu, und auch Felix Marnewecke, der Berufsjäger, war einverstanden. 2012 auf der Messe in Dortmund machten wir alles perfekt.
Die Nyae Nyae Conservancy, „unser“ Jagdgebiet im Buschmannland, genießt einen exzellenten Ruf unter erfahrenen Elefantenjägern. Kai-Uwe Denker hatte sie zehn Jahre lang bis 2011 bejagt und mit seinen Jägern unter anderem zwei 100-, zwei 90- und neun 80-Pfünder erbeutet. 2012 übernahmen Felix Marnewecke und ein zweiter Berufsjäger die rund 900.000 Hektar große Konzession. Sie grenzt im Osten an Botswana und im Norden an den Khaudum-Nationalpark. Zentrum ist das Städtchen Tsumkwe. Die Zahl der im Nationalpark und dem benachbarten Buschmannland lebenden Elefanten wird auf 2.500 bis 3.000 geschätzt, Tendenz steigend. Die Quotenvergabe ist mit sechs Trophäenelefanten und vier Non-Trophy-Dickhäutern erfreulich zurückhaltend und nachhaltig.
In der Conservancy leben etwa 1.000 Ju/‘hoansi, mittlerweile vorwiegend sesshaft. Die Buschleute, heute „politisch korrekt“ oft „San“ genannt, bestimmen in Zusammenarbeit mit den Berufsjägern, dem nationalen Naturschutz sowie dem WWF, wie ihr Gebiet jagdlich genutzt und die Wildbestände geschützt werden. Traditionelle Jagd mit Giftpfeilen und Fallen ist ihnen per Quote erlaubt und wird von vielen weiterhin ausgeübt.
An Plainsgame-Arten kommen vor: Eland, Giraffe, Roan, Kudu, Oryx, Ducker, Red Hartebeest, Streifengnu, Springbock und Steinböckchen; an großem Raubwild: Löwe (selten, zurzeit keine Quote), Leopard und Tüpfelhyäne (beide bejagbar) und der streng geschützte Wildhund. Das sehr trockene Gebiet ist geprägt von sandigen Böden, Baum- und Grassavanne, Dickbuscharealen und großen Salzpfannen. In regenreichen Jahren bilden sie riesige Wasservogelparadiese mit idealen Flamingobiotopen. Die Nyae Nyae-Pfanne ist die größte in der Konzession und namensgebend. Soweit die Fakten zum besseren Verständnis.
Klassisch auf der Fährte
Die Anreise nach Namibia ist im Vergleich zu vielen anderen afrikanischen Jagdländern einfach, ja fast komfortabel: pünktliche Flüge, unkomplizierte Einreisebestimmungen und gute Infrastruktur im Lande. Nur sieben Stunden brauchten wir mit Theresa, unserer ovambischen Camp-Managerin und ihrem Mann von Windhoek per Bus ins Camp, 30 Kilometer südöstlich von Tsumkwe. Das Camp liegt traumhaft unter einem riesigen, uralten Baobab.
Felix jagt wie sein Vorgänger Kai-Uwe klassisch auf der Fährte der großen Dickhäuter. Das bedeutet an den meisten Tagen strammes Laufen zwischen fünfzehn und 30 Kilometern, und unsere drei erfahrenen Buschmann-Tracker, Dam, Robert genannt, Kashe und Kxao, legten ein strammes Tempo vor, wenn sie die Elefantenfährte leicht halten konnten. Und das war meist der Fall! An zwei Tagen „knackten“ wir die konditionsfressende 40 Kilometer-Marke. Meine „Batterien“ waren dann leer. Doch, um nicht allzu sehr als Aufschneider zu gelten: Zum Fährtensuchen auf den Pisten und an den Wasserlöchern nahmen wir den Toyota.
19. Juni, unser erster Jagdtag: Viel Wild sahen wir an diesem Morgen, als wir nach Elefantenfährten suchten: Gnus, Roans, Kudus, Strauße und Elefantenkühe mit jungen Kälbern. Um 9 Uhr fanden wir die starke Fährte eines alten Bullen und bereits nach einer Stunde hatten wir ihn eingeholt: einen guten 70-Pfünder mit einem zahnlosen Begleiter. Bei den meisten Elefantenjagden hätte es jetzt geknallt, doch Uli und Felix hatten sich höhere Ziele gesteckt.
Nachmittags fanden wir die Reste eines Leopardenrisses. Geier wiesen uns den Weg, aber als wir am Riss ankamen, war schon alles aufgefressen. Doch gegen halb drei nahmen wir nochmals eine Fährte auf, der wir zwei Stunden folgten. Sie führte uns an einen alten 50 Pfünder, was uns glauben ließ, Elefantenjagd hier sei leicht. Doch man muss auch an den Rückweg denken: Beim „Sundowner“ im Camp resümierten wir rund 20 Kilometer Tagesstrecke zu Fuß. „Gutes Training zum Einlaufen“, meinte Felix trocken.
Der afrikanische Winter erweist sich zwischen Sonnenuntergang und -aufgang als recht kühl; die Nachttemperaturen liegen nicht weit vom Gefrierpunkt, sodass das frühe Aufstehen mit „Katzenwäsche“ im Zelt nicht immer leicht fällt. Aber wenn sich mittags auf der Fährte das Thermometer Richtung 30 Grad C bewegt, sehnt man sich nach der morgendlichen Kühle.
Die folgenden Tage verschafften uns einmalige Erlebnisse mit fast täglichem gutem Anblick. Wegen der niedrigen Abschussquoten sind die Elefanten im Buschmannland vertrauter als in Gebieten mit höherem Jagd- bzw. Wildereidruck. Bekamen die Dickhäuter allerdings Wind, verschwanden sie schnell und meist fast lautlos; und besonders über Mittag küselte der Wind oft. Auch auf ungeschickt verursachte Geräusche reagierten sie empfindlich, flüchteten aber meist „nur“ fünf oder sechs Kilometer, um sich dann wieder zu beruhigen. In Zeiten der kommerziellen Elfenbeinjagd vor über 100 Jahren waren die Fluchtstrecken deutlich weiter, zumindest liest man es so in der alten Literatur.
Am nächsten Morgen, dem 20. Juni, fanden wir sehr früh die frischen Fährten von mehreren Bullen, die wir schon nach zwei Stunden eingeholt hatten: vier junge – einer trug bereits Stoßzähne von etwa 65 Pfund – und ein alter 70-Pfünder.
Own use Elephants
Dass alte Elefanten längst nicht immer starke Zähne tragen, erfuhren wir drei Tage später. Wieder nahmen wir morgens die Fährten zweier alter Bullen „mit großen Füßen“ auf, die wir kurz vor Mittag eingeholt hatten. Alt waren sie zweifellos, die Stoßzähne aber kurz und dünn. Es gelangen Aufnahmen auf unter 20 Meter, als ob die „Senioren“ wüssten, dass wir sie nur beobachteten. „Solche alten, schwachen Bullen, aber auch solche mit kurzen abgebrochenen Zähnen, lasse ich gern als „Fleischelefanten“ erlegen“, erläuterte Felix. „Die Jagd ist fast genau so reizvoll wie auf starke, alte Tusker, kostet aber nicht mehr als eine Büffeljagd. Der Jäger kann allerdings die Stoßzähne nicht ausführen. Sie bleiben beim Naturschutz im Lande. Von diesen alten, schlecht veranlagten Bullen könnten wir ohne Schaden für den Bestand ruhig ein paar mehr erlegen. Es gibt genug davon. Das ist alle Male besser, als junge 60-Pfünder tot zu schießen.“ Abends auf dem Weg ins Camp entdeckten wir neben einigen jungen Bullen einen sehr alten Single Tusker. Der linke Zahn wog wohl so um die 75 Pfund, rechts war nichts zu erkennen.
Der 24. Juni – ich berichte hier nur von den herausragenden Erlebnissen – begeisterte uns alle. Auch die Buschmänner mussten lachen. Erst kurz vor Mittag nahmen wir die Fährte eines einzelnen, vermeintlich starken Bullen auf. Nach eineinhalb Stunden fanden wir ihn: im Tiefschlaf schnarchend. Wer es für Jägerlatein hält, ich habe ihn so liegend fotografiert. Irgendetwas muss er aber doch vernommen haben, denn als wir uns etwas laut zurück zogen, sprang er plötzlich auf und sondierte „verschlafen“ die Lage. Doch da wir uns nicht rührten, bemerkte er uns nicht. „Beruhigt“ tat er sich wieder nieder und schnarchte weiter. Das haben die meisten auch im kolonialen Afrika nicht erlebt!
Ausnahmsweise hatten wir am nächsten Tag keine interessanten Fährten gefunden, obwohl wir südlich des Khaudum Parks fast bis an die Grenze zu Botswana gefahren waren. Doch auf dem Heimweg ins Camp entdeckten wir auf weite Entfernung einen Bullen in einer kleinen Gruppe, der unseren Pulsschlag erhöhte. Schon nach einer viertel Stunde hatten wir ihn eingeholt: ein auch im Körperbau riesiger Elefant mit langen, dicken ebenmäßigen Stoßzähnen: wahrscheinlich ein 80-Pfünder! Erstmalig hatte Uli durchgeladen. Wir fotografierten eifrig. Felix sprach den Bullen akribisch an und diskutierte mit Robert und Kashe über das Alter. Schließlich sagte er ruhig: „Wir lassen ihn ziehen, er ist zu jung und hat das Potenzial zum 100-Pfünder.“ Alle stimmten zu und entspannten sich. Wir genossen den traumhaften Anblick. Schließlich zogen wir uns leise zurück. Chapeau, Felix, eine nicht alltägliche Entscheidung!
„Nicht morgen, übermorgen!“
Drei Tage später – wir waren stundenlang ausnahmsweise hinter jungen Bullen hergelaufen – entdeckten wir auf dem Rückweg zum Camp auf weite Entfernung einen sehr starken Elefanten. Den wollten wir uns näher ansehen, doch diesmal waren wir entweder zu laut oder der Wind hatte geküselt. Er war einfach verschwunden. Die Buschmänner zeigten uns die Fluchtfährte; der Bulle wusste, dass er gemeint war. 17 Uhr, zu spät, um die Fährte heute noch aufzunehmen. Nachdenklich trotteten wir Richtung Wagen. Bei einer kurzen Pause fragte Felix gespannt: „Kashe, kriegen wir den morgen? Der Buschmann grübelte kurz: „Nicht morgen, übermorgen!
Gespannt brachen wir tags darauf in der Frühe auf und folgten der Fährte voller Tatendrang. Sie führte in dichte Dickbuschareale, und der Boden wurde immer steiniger. Bisher hatten die Tracker die Fährten noch nie verloren, doch hier auf dem harten Boden kamen sie nach einer Stunde nicht weiter. Viele Fährten anderer Dickhäuter erschwerten die Arbeit zusätzlich. Die Buschmänner baten uns zu warten, legten das Gepäck ab und schwärmten aus. Robert hielt am längsten durch: Nach fünf Stunden kam auch er zurück. Die Drei hatten die Fährte endgültig verloren. Erstmalig waren wir alle sechs enttäuscht, doch Felix munterte uns auf: „Es gibt hier in der Nähe drei Wasserlöcher. Vielleicht säuft er in der kommenden Nacht an einem. Wir werden die Wasserstellen morgen früh kontrollieren. Das ist unsere einzige Chance.“
Felix‘ Strategie ging am nächsten Tag auf. Nachdem wir zwei Wasserlöcher ergebnislos untersucht hatten, kam er uns am dritten freudig grinsend mit erhobenem Daumen entgegen: „Wir haben ihn! Er war in der Nacht hier.“ Heute ließ sich die Fährte gut halten; Robert, Kashe und Kxao machten jetzt Tempo, eine Gangart unter Laufschritt. Schon nach zwei Stunden hatten wir den Bullen eingeholt. Ein grandioser Anblick! Der Kapitale äste völlig vertraut im offenen Gelände. Wieder ließen wir uns Zeit beim Ansprechen. Felix beriet sich mit den Buschmännern. Schließlich der erlösende Satz: „Er ist alt.“ Als wir auf 70 Meter heran waren, übernahm Felix die Führung, die Fährtensucher blieben zurück, ich hielt etwa 20 Schritt Abstand zum Fotografieren. Jetzt bloß keinen Fehler machen! Der Bulle zog nun langsam von uns weg, aber bald hatten die Beiden ihn eingeholt.
Der seitliche Gehirnschuss saß etwas zu hoch, aber es gelangen Uli hier im offenen Gelände noch zwei Kammerschüsse auf den nun flüchtenden Elefanten aus seiner .416 Rigby anzubringen. Wir waren uns also sicher, nach ein paar hundert Metern würde der Bulle liegen. Doch nach einem kurzen Sprint sahen wir ihn langsam auf 800 Meter im dichten Busch verschwinden. Ohne viel zu sprechen, erhöhten wir das Tempo; im Busch wurden wir zwangsläufig langsamer. Bei einer kurzen Trinkpause murmelte Uli: Es ist meine 13. Afrika-Jagd und heute unser 13. Jagdtag!“ Felix konterte: „Er hat mehrere gute Kammertreffer. Weit kommt er nicht!“ „Und noch ist es nicht 13 Uhr“, ergänzte ich kurz.
Charge
Im Dickbusch verlangsamten die Tracker das Tempo und Felix flüsterte: „Vorsicht jetzt, er ist hier in der Nähe!“ 70 Schritt vor uns entdeckten wir ihn kurz darauf im dichtesten Busch spitz von vorn. Leise schoben wir uns nach rechts, um aus dem Blickfeld des Bullen und in eine bessere Fangschussposition zu kommen. Felix signalisierte den Fährtensuchern und mir, wir sollten zurück bleiben, doch als der PH und Uli 50 Schritt weiter gepirscht waren, zogen wir wie junge Jagdhunde vorsichtig nach. Sehen konnte ich den Bullen nicht. Und dann fielen, wie ich meinte, zwei Fangschüsse … und alle rannten um ihr Leben. Als wir uns wieder gesammelt und einige Male durch geschnauft hatten, berichtete Felix: „Uli hat auf 30 Schritt einen Herz-Lungenschuss angebracht, worauf der Bulle blitzartig angriff. Unsere zwei gleichzeitigen Schüsse aufs Haupt auf 15 Schritt brachten ihn nur zum leichten Abdrehen, aber Wegrennen war trotzdem höchste Zeit. Selbst mit einer Doppelbüchse hätte man keinen zweiten Schuss rausgebracht.“
Wir setzten uns auf den Boden und tranken ein paar Schlucke lauwarmes Wasser. Kurz nur war die Pause. Wir mussten die Jagd nun zu Ende bringen. Und, ob Sie es nun glauben oder nicht, verehrte Leser, es war kurz vor 13 Uhr, als wir den Bullen verendet in der Fährte fanden. Lucky 13!
Wir hatten uns nicht getäuscht: Der Elefant war alt und trug lange, dicke Stoßzähne, doch über Gewichte wollte vorläufig keiner spekulieren. Wir hockten uns in den Schatten und genossen den Ausklang.
Erst am nächsten Tag, beim großen Schlachten mit den Buschleuten aus den benachbarten Dörfern, fing Felix an zu messen. Zahnlänge knapp zwei Meter, Umfang rund 52 Zentimeter. Drei Tage später flogen Uli und ich zurück. Felix musste zu einer anderen Großwildjagd in den Caprivi und kam erst Anfang August ins Buschmannland zurück. Drei spannende Wochen. Endlich zog er die bis dahin im Schädel verbliebenen Stoßzähne: 86 und 84 Pounds (abgerundet), Zahnlänge 193 und 184 Zentimeter. Ulis Traum war wahr geworden.
Gekürzt aus JAGEN WELTWEIT 6/2013
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Erlauben Sie mir, verehrte Leser, einige kurze persönliche Anmerkungen zu Namibia als Reise- und Jagdland. 1991 – ich war damals frisch gebackener JAGEN WELTWEIT-Chefredakteur – lud mich Volker Grellmann, der das Jagdwesen in Namibia maßgeblich mitgestaltet hat, zu einer ersten Rundreise durch das ehemalige Südwestafrika ein. Er wollte mich offensichtlich „ankirren“, was ihm vollständig gelungen ist: Der „Bacillus africanus“ hat mich seitdem im Griff. Danke Volker!
Seit 1991 habe ich die meisten Länder Afrikas, in denen man heute jagen kann, bereist, 25mal insgesamt. Achtmal davon jagte ich in Namibia, die hier geschilderte Elefantenjagd nicht mitgezählt. In keinem afrikanischen Land war ich öfter, und bei jeder Reise habe ich Neues entdeckt: Freundliche Menschen, herrliche Naturlandschaften und atemberaubende Jagden auf Farmen, in Conservancies und Großwildkonzessionen. Die Umsetzung des Prinzips der nachhaltigen Nutzung ist dabei fast überall gelungen, ja Namibia kann eine Vorreiterrolle für viele andere afrikanische Staaten übernehmen. Nur wenn Wildtiere einen Wert für die örtliche Bevölkerung besitzen, wird es zukünftig gelingen, Wildnisgebiete mit ihrer Flora und Fauna zu erhalten: „Use it or lose it! Kenia hat seit dem Verbot der Jagd vor 35 Jahren mehr als Dreiviertel seiner Wildtiere verloren. Wider besseres Wissen geht man nun in Botswana denselben falschen Weg.
Nach meinem Eindruck haben sich die Wildbestände in Namibia in den reichlich 20 Jahren, in denen ich hier jage, durch zahlreiche Hegemaßnahmen (damit meine ich nicht das Aussetzen von nicht autochthonen Wildarten auf gezäunten Farmen) eher verbessert, ja nachhaltige Jagd bietet vielen Menschen besonders in abgelegenen Regionen Lebensunterhalt. Ich hoffe, dass das so bleibt.
Andreas Rockstroh